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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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dann ward's still und einsam wie in jener Abendstunde, da Ekkehard
zuerst vor dem Kreuz des Wildkirchleins gekniet war. Er trat in
seine Klause. Es war ihm in seinem stillen Bergleben klar geworden,
daß die Einsamkeit nur eine Schule für's Leben ist, nicht das Leben
selbst, und daß werthlos verderben muß, wer in der grimmen Welt
immerdar nur müßig in sich hineinschauen will.

Es hilft nicht, sprach er, auch ich muß wieder zu Thale. Der
Schnee weht zu kalt und ich bin zu jung, kann kein Einsiedel bleiben.

Fahr' wohl, du hoher Säntis, der treu um mich gewacht,
Fahr' wohl, du grüne Alpe, die mich gesund gemacht.
Hab' Dank für deine Spenden, du heil'ge Einsamkeit,
Vorbei der alte Kummer -- vorbei das alte Leid.
Geläutert ward das Herze, und Blumen wuchsen drin:
Zu neuem Kampf gelustig steht nach der Welt mein Sinn.
Der Jüngling lag in Träumen, dann kam die dunkle Nacht;
In scharfer Luft der Berge ist jetzt der Mann erwacht!

Er griff seine Reisetasche und legte seine wenige Habe drein. Sein
Theuerstes, das Waltarilied, sorgsam umhüllt, that er oben drauf;
ein Lächeln umspielte sein Antlitz, wie er noch etliche Gerätschaften
umherstehen sah. Auf dem Felsrand stund die halbausgeschriebene
Flasche mit Schreibsaft, die griff er und warf sie hinaus in die Tiefe,
daß sie in glitzernde Splitter zerschmettert ward. Die dreieckige Harfe
lehnte wehmüthig an der Rasenbank vor der Höhle: Du sollst zurück-
bleiben und dem, der nach mir kommt, seine stillen Stunden versüßen,
sprach er. Aber kling' ihm nicht matt und nicht süß, sonst mög' es
aus den Tropfsteinen in deine Saiten träufen, daß sie einrosten und
der Sturm von den Gletschern drüber fahren, daß sie bersten!

Ich hab' ausgesungen.

Er hängte die Harfe an einen Nagel.

In währender Klausnerzeit hatte er sich einen starken Bogen
geschnitzt, Köcher und Pfeile waren noch aus Gottschalks Nachlaß dro-
ben, die nahm er jetzt als gut Gewaffen zur Hand, -- gerüstet, im
Wolfsmantel stund er vor der Klause und that noch einen langen,
langen Blick nach der Stätte glücklicher Sommerfrische und hinüber
zu den vieltheuern Gipfeln und hinunter, wo aus dem Tannendunkel
der Seealpsee meergrün aufglänzte. Es war so schön wie immer.

dann ward's ſtill und einſam wie in jener Abendſtunde, da Ekkehard
zuerſt vor dem Kreuz des Wildkirchleins gekniet war. Er trat in
ſeine Klauſe. Es war ihm in ſeinem ſtillen Bergleben klar geworden,
daß die Einſamkeit nur eine Schule für's Leben iſt, nicht das Leben
ſelbſt, und daß werthlos verderben muß, wer in der grimmen Welt
immerdar nur müßig in ſich hineinſchauen will.

Es hilft nicht, ſprach er, auch ich muß wieder zu Thale. Der
Schnee weht zu kalt und ich bin zu jung, kann kein Einſiedel bleiben.

Fahr' wohl, du hoher Säntis, der treu um mich gewacht,
Fahr' wohl, du grüne Alpe, die mich geſund gemacht.
Hab' Dank für deine Spenden, du heil'ge Einſamkeit,
Vorbei der alte Kummer — vorbei das alte Leid.
Geläutert ward das Herze, und Blumen wuchſen drin:
Zu neuem Kampf geluſtig ſteht nach der Welt mein Sinn.
Der Jüngling lag in Träumen, dann kam die dunkle Nacht;
In ſcharfer Luft der Berge iſt jetzt der Mann erwacht!

Er griff ſeine Reiſetaſche und legte ſeine wenige Habe drein. Sein
Theuerſtes, das Waltarilied, ſorgſam umhüllt, that er oben drauf;
ein Lächeln umſpielte ſein Antlitz, wie er noch etliche Gerätſchaften
umherſtehen ſah. Auf dem Felsrand ſtund die halbausgeſchriebene
Flaſche mit Schreibſaft, die griff er und warf ſie hinaus in die Tiefe,
daß ſie in glitzernde Splitter zerſchmettert ward. Die dreieckige Harfe
lehnte wehmüthig an der Raſenbank vor der Höhle: Du ſollſt zurück-
bleiben und dem, der nach mir kommt, ſeine ſtillen Stunden verſüßen,
ſprach er. Aber kling' ihm nicht matt und nicht ſüß, ſonſt mög' es
aus den Tropfſteinen in deine Saiten träufen, daß ſie einroſten und
der Sturm von den Gletſchern drüber fahren, daß ſie berſten!

Ich hab' ausgeſungen.

Er hängte die Harfe an einen Nagel.

In währender Klausnerzeit hatte er ſich einen ſtarken Bogen
geſchnitzt, Köcher und Pfeile waren noch aus Gottſchalks Nachlaß dro-
ben, die nahm er jetzt als gut Gewaffen zur Hand, — gerüſtet, im
Wolfsmantel ſtund er vor der Klauſe und that noch einen langen,
langen Blick nach der Stätte glücklicher Sommerfriſche und hinüber
zu den vieltheuern Gipfeln und hinunter, wo aus dem Tannendunkel
der Seealpſee meergrün aufglänzte. Es war ſo ſchön wie immer.

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[405/0427] dann ward's ſtill und einſam wie in jener Abendſtunde, da Ekkehard zuerſt vor dem Kreuz des Wildkirchleins gekniet war. Er trat in ſeine Klauſe. Es war ihm in ſeinem ſtillen Bergleben klar geworden, daß die Einſamkeit nur eine Schule für's Leben iſt, nicht das Leben ſelbſt, und daß werthlos verderben muß, wer in der grimmen Welt immerdar nur müßig in ſich hineinſchauen will. Es hilft nicht, ſprach er, auch ich muß wieder zu Thale. Der Schnee weht zu kalt und ich bin zu jung, kann kein Einſiedel bleiben. Fahr' wohl, du hoher Säntis, der treu um mich gewacht, Fahr' wohl, du grüne Alpe, die mich geſund gemacht. Hab' Dank für deine Spenden, du heil'ge Einſamkeit, Vorbei der alte Kummer — vorbei das alte Leid. Geläutert ward das Herze, und Blumen wuchſen drin: Zu neuem Kampf geluſtig ſteht nach der Welt mein Sinn. Der Jüngling lag in Träumen, dann kam die dunkle Nacht; In ſcharfer Luft der Berge iſt jetzt der Mann erwacht! Er griff ſeine Reiſetaſche und legte ſeine wenige Habe drein. Sein Theuerſtes, das Waltarilied, ſorgſam umhüllt, that er oben drauf; ein Lächeln umſpielte ſein Antlitz, wie er noch etliche Gerätſchaften umherſtehen ſah. Auf dem Felsrand ſtund die halbausgeſchriebene Flaſche mit Schreibſaft, die griff er und warf ſie hinaus in die Tiefe, daß ſie in glitzernde Splitter zerſchmettert ward. Die dreieckige Harfe lehnte wehmüthig an der Raſenbank vor der Höhle: Du ſollſt zurück- bleiben und dem, der nach mir kommt, ſeine ſtillen Stunden verſüßen, ſprach er. Aber kling' ihm nicht matt und nicht ſüß, ſonſt mög' es aus den Tropfſteinen in deine Saiten träufen, daß ſie einroſten und der Sturm von den Gletſchern drüber fahren, daß ſie berſten! Ich hab' ausgeſungen. Er hängte die Harfe an einen Nagel. In währender Klausnerzeit hatte er ſich einen ſtarken Bogen geſchnitzt, Köcher und Pfeile waren noch aus Gottſchalks Nachlaß dro- ben, die nahm er jetzt als gut Gewaffen zur Hand, — gerüſtet, im Wolfsmantel ſtund er vor der Klauſe und that noch einen langen, langen Blick nach der Stätte glücklicher Sommerfriſche und hinüber zu den vieltheuern Gipfeln und hinunter, wo aus dem Tannendunkel der Seealpſee meergrün aufglänzte. Es war ſo ſchön wie immer.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/427>, abgerufen am 25.11.2024.