Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.Derweil war der Meister Conrad schon dem Thore der Bischofs- Da sprach unverhohlen derselbe Fiedelmann: O Markgraf, reicher Markgraf, Gott hat an Euch gethan Nach allen seinen Gnaden, hat er Euch doch gegeben Ein Weib, ein so recht schönes, dazu ein wonniglich Leben. Und wär' ich nun ein König, fing er wieder an, Und sollte Kronen tragen, zum Weibe nähm' ich dann Eure schöne Tochter, die wünschte sich mein Muth, Sie ist so süß zu schauen, so minniglich ... aber bei diesen Worten wirbelte ihm eine Staubwolke entgegen, daß Die Strophen waren aus dem Werke, wofür ihn der Bischof so -- Mälig ging's in Herbst hinein. Und wenn der auch abendlich Frischer Schnee glänzte auf allen Kuppen und gedachte für dieses Die Frage fiel ihm schwer auf's Herz. Ich bliebe am liebsten hier, sprach er. Benedicta lachte hell auf. 26*
Derweil war der Meiſter Conrad ſchon dem Thore der Biſchofs- Da ſprach unverhohlen derſelbe Fiedelmann: O Markgraf, reicher Markgraf, Gott hat an Euch gethan Nach allen ſeinen Gnaden, hat er Euch doch gegeben Ein Weib, ein ſo recht ſchönes, dazu ein wonniglich Leben. Und wär' ich nun ein König, fing er wieder an, Und ſollte Kronen tragen, zum Weibe nähm' ich dann Eure ſchöne Tochter, die wünſchte ſich mein Muth, Sie iſt ſo ſüß zu ſchauen, ſo minniglich ... aber bei dieſen Worten wirbelte ihm eine Staubwolke entgegen, daß Die Strophen waren aus dem Werke, wofür ihn der Biſchof ſo — Mälig ging's in Herbſt hinein. Und wenn der auch abendlich Friſcher Schnee glänzte auf allen Kuppen und gedachte für dieſes Die Frage fiel ihm ſchwer auf's Herz. Ich bliebe am liebſten hier, ſprach er. Benedicta lachte hell auf. 26*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0425" n="403"/> <p>Derweil war der Meiſter Conrad ſchon dem Thore der Biſchofs-<lb/> pfalz entritten; er ſchaute ſehnſüchtig donauabwärts und hub an mit<lb/> heller Stimme zu ſingen:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Da ſprach unverhohlen derſelbe Fiedelmann:</l><lb/> <l>O Markgraf, reicher Markgraf, Gott hat an Euch gethan</l><lb/> <l>Nach allen ſeinen Gnaden, hat er Euch doch gegeben</l><lb/> <l>Ein Weib, ein ſo recht ſchönes, dazu ein wonniglich Leben.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und wär' ich nun ein König, fing er wieder an,</l><lb/> <l>Und ſollte Kronen tragen, zum Weibe nähm' ich dann</l><lb/> <l>Eure ſchöne Tochter, die wünſchte ſich mein Muth,</l><lb/> <l>Sie iſt ſo ſüß zu ſchauen, ſo minniglich ...</l> </lg> </lg><lb/> <p>aber bei dieſen Worten wirbelte ihm eine Staubwolke entgegen, daß<lb/> ſeine Augen unfreiwillig in Thränen ſtanden und ſein Geſang ver-<lb/> ſtummte.</p><lb/> <p>Die Strophen waren aus dem Werke, wofür ihn der Biſchof ſo<lb/> eben gelohnt; das war ein Heldenbuch in deutſcher Sprache und hieß:<lb/> der Nibelungen Lied!... <note xml:id="ed281" next="#edt281" place="end" n="281)"/></p><lb/> <p>— Mälig ging's in Herbſt hinein. Und wenn der auch abendlich<lb/> ein glühender Roth an die Himmelswölbung malt als andere Jahres-<lb/> zeit, ſo kommen doch kühle Lüfte in ſeinem Gefolg, daß, wer feſtgeſie-<lb/> delt auf den Alpen, ſich anſchickt, zu Thal zu fahren, und kein Wolfs-<lb/> pelz vor fröſtelndem Klappern der Zähne ſchützt.</p><lb/> <p>Friſcher Schnee glänzte auf allen Kuppen und gedachte für dieſes<lb/> Jahr nimmer zu zergehen. Ekkehard hielt den Sennen die letzte<lb/> Bergpredigt. Hernach ſtreifte Benedicta an ihm vorbei. Jetzt iſt's<lb/> aus mit unſerer Herrlichkeit da oben, ſprach ſie, morgen zieht Menſch<lb/> und Thier in's Winterfutter. Wo geht Ihr hin, Bergbruder?</p><lb/> <p>Die Frage fiel ihm ſchwer auf's Herz.</p><lb/> <p>Ich bliebe am liebſten hier, ſprach er. Benedicta lachte hell auf.<lb/> Man merkt, ſagte ſie, daß Ihr noch keinen Winter oben verſeſſen<lb/> habt, ſonſt würd' es Euch nach keinem zweiten gelüſten. Ich möcht'<lb/> Euch wohl ſehen, eingeſchneit im Bruderhäuslein, und die Kälte ſchleicht<lb/> durch alle Ritzen, daß Ihr zittert wie ein Espenlaub, die Lawinen<lb/> krachen rings umher und die Eiszapfen wachſen Euch in Mund her-<lb/> ein ... Und wenn Ihr einmal zu Thal wollet und Etwas zu eſſen<lb/> holen, da liegt der Schnee haushoch auf dem Pfad, ein Schritt —<lb/> <fw place="bottom" type="sig">26*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [403/0425]
Derweil war der Meiſter Conrad ſchon dem Thore der Biſchofs-
pfalz entritten; er ſchaute ſehnſüchtig donauabwärts und hub an mit
heller Stimme zu ſingen:
Da ſprach unverhohlen derſelbe Fiedelmann:
O Markgraf, reicher Markgraf, Gott hat an Euch gethan
Nach allen ſeinen Gnaden, hat er Euch doch gegeben
Ein Weib, ein ſo recht ſchönes, dazu ein wonniglich Leben.
Und wär' ich nun ein König, fing er wieder an,
Und ſollte Kronen tragen, zum Weibe nähm' ich dann
Eure ſchöne Tochter, die wünſchte ſich mein Muth,
Sie iſt ſo ſüß zu ſchauen, ſo minniglich ...
aber bei dieſen Worten wirbelte ihm eine Staubwolke entgegen, daß
ſeine Augen unfreiwillig in Thränen ſtanden und ſein Geſang ver-
ſtummte.
Die Strophen waren aus dem Werke, wofür ihn der Biſchof ſo
eben gelohnt; das war ein Heldenbuch in deutſcher Sprache und hieß:
der Nibelungen Lied!...
²⁸¹⁾
— Mälig ging's in Herbſt hinein. Und wenn der auch abendlich
ein glühender Roth an die Himmelswölbung malt als andere Jahres-
zeit, ſo kommen doch kühle Lüfte in ſeinem Gefolg, daß, wer feſtgeſie-
delt auf den Alpen, ſich anſchickt, zu Thal zu fahren, und kein Wolfs-
pelz vor fröſtelndem Klappern der Zähne ſchützt.
Friſcher Schnee glänzte auf allen Kuppen und gedachte für dieſes
Jahr nimmer zu zergehen. Ekkehard hielt den Sennen die letzte
Bergpredigt. Hernach ſtreifte Benedicta an ihm vorbei. Jetzt iſt's
aus mit unſerer Herrlichkeit da oben, ſprach ſie, morgen zieht Menſch
und Thier in's Winterfutter. Wo geht Ihr hin, Bergbruder?
Die Frage fiel ihm ſchwer auf's Herz.
Ich bliebe am liebſten hier, ſprach er. Benedicta lachte hell auf.
Man merkt, ſagte ſie, daß Ihr noch keinen Winter oben verſeſſen
habt, ſonſt würd' es Euch nach keinem zweiten gelüſten. Ich möcht'
Euch wohl ſehen, eingeſchneit im Bruderhäuslein, und die Kälte ſchleicht
durch alle Ritzen, daß Ihr zittert wie ein Espenlaub, die Lawinen
krachen rings umher und die Eiszapfen wachſen Euch in Mund her-
ein ... Und wenn Ihr einmal zu Thal wollet und Etwas zu eſſen
holen, da liegt der Schnee haushoch auf dem Pfad, ein Schritt —
26*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |