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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Der Schreibersmann aber stund mit verkläretem Antlitz unter dem
Rebgerank und Geisblattgewinde des Gartens und schaute in die wel-
ken rothen Blätter, die der Herbst von den Zweigen geschüttelt, und
schaute hinab in die fluthende Donau, und im rechten Ohr hub sich
ihm ein helles Klingen, denn zu derselbigen Zeit hatte Ekkehard auf
luftiger Alpenhöhe eine hölzerne Schaale mit Wein gefüllt, und zum
alten Senn gesprochen: Ich hab' einst einen guten Gesellen gehabt,
einen bessern findet man in keines Herren Land, der hieß Conrad;
und mit Frauenlieb und Weltruhm ist's nichts, aber der alten Freund-
schaft bleib' ich zu Dank verpflicht't bis in Tod, Ihr sollt mit mir
sein Wohl trinken, das ist Einer, der würde dem Säntis Freud'
machen, wenn er hier wäre! Und der Senn hatte die Schaale geleert
und gesagt: Bergbruder, ich glaub's Euch. Er soll leben!

Darum erklang dem Mann in Passau sein Ohr; er aber wußte
nicht warum. Und sein Ohr klang noch, da kam der Bischof Pilgerim
einhergewandelt, und hinter ihm brachte der Stallmeister ein weiß
Rößlein, das war altersschwach und schäbig, und wenn man ihm näher
in's Gesicht schaute, war's auch am linken Aug' blind, und der Bi-
schof nickte mit seiner spitzen Insul und sprach gnädiglich: Meister
Conrad, was Ihr meinen Neffen zu Liebe geschrieben, sollt Ihr nicht
umsonst geschrieben haben, mein erprobtes Streitroß sei Euer!

Da zuckte der Meister Conrad wehmüthig lächelnd die feinen
Lippen und dachte: Es geschieht mir schon Recht, warum bin ich ein
Dichter worden! laut aber sprach er: Gott lohn's Euch, Herr Bischof,
Ihr werdet mir wohl ein paar Tage Urlaub schenken zum Ausruhen
von der Arbeit.

Und er streichelte das alte weiße Rößlein, und schwang sich darauf
ohne eine Antwort abzuwarten, und saß stolz und anmuthsvoll im
Sattel und brachte sein demüthig Thier noch zu einem leidlichen Trab
und ritt von dannen.

Ich will meinen besten Stoßfalken gegen ein Paar Turteltauben
verloren geben, sprach der ältere der Knaben, wenn er nicht wiederum
nach Bechelaren reitet zur Markgrafsburg. Er hat immer gesagt: so
gut ich meinen gnädigen Herrn den Bischof in's Lied hereinsetze, kann
ich auch der Frau Markgräfin Gotelinde und ihrer schönen Tochter
drin ein Denkmal aufrichten, die danken mir's doch am feinsten!

Der Schreibersmann aber ſtund mit verkläretem Antlitz unter dem
Rebgerank und Geisblattgewinde des Gartens und ſchaute in die wel-
ken rothen Blätter, die der Herbſt von den Zweigen geſchüttelt, und
ſchaute hinab in die fluthende Donau, und im rechten Ohr hub ſich
ihm ein helles Klingen, denn zu derſelbigen Zeit hatte Ekkehard auf
luftiger Alpenhöhe eine hölzerne Schaale mit Wein gefüllt, und zum
alten Senn geſprochen: Ich hab' einſt einen guten Geſellen gehabt,
einen beſſern findet man in keines Herren Land, der hieß Conrad;
und mit Frauenlieb und Weltruhm iſt's nichts, aber der alten Freund-
ſchaft bleib' ich zu Dank verpflicht't bis in Tod, Ihr ſollt mit mir
ſein Wohl trinken, das iſt Einer, der würde dem Säntis Freud'
machen, wenn er hier wäre! Und der Senn hatte die Schaale geleert
und geſagt: Bergbruder, ich glaub's Euch. Er ſoll leben!

Darum erklang dem Mann in Paſſau ſein Ohr; er aber wußte
nicht warum. Und ſein Ohr klang noch, da kam der Biſchof Pilgerim
einhergewandelt, und hinter ihm brachte der Stallmeiſter ein weiß
Rößlein, das war altersſchwach und ſchäbig, und wenn man ihm näher
in's Geſicht ſchaute, war's auch am linken Aug' blind, und der Bi-
ſchof nickte mit ſeiner ſpitzen Inſul und ſprach gnädiglich: Meiſter
Conrad, was Ihr meinen Neffen zu Liebe geſchrieben, ſollt Ihr nicht
umſonſt geſchrieben haben, mein erprobtes Streitroß ſei Euer!

Da zuckte der Meiſter Conrad wehmüthig lächelnd die feinen
Lippen und dachte: Es geſchieht mir ſchon Recht, warum bin ich ein
Dichter worden! laut aber ſprach er: Gott lohn's Euch, Herr Biſchof,
Ihr werdet mir wohl ein paar Tage Urlaub ſchenken zum Ausruhen
von der Arbeit.

Und er ſtreichelte das alte weiße Rößlein, und ſchwang ſich darauf
ohne eine Antwort abzuwarten, und ſaß ſtolz und anmuthsvoll im
Sattel und brachte ſein demüthig Thier noch zu einem leidlichen Trab
und ritt von dannen.

Ich will meinen beſten Stoßfalken gegen ein Paar Turteltauben
verloren geben, ſprach der ältere der Knaben, wenn er nicht wiederum
nach Bechelaren reitet zur Markgrafsburg. Er hat immer geſagt: ſo
gut ich meinen gnädigen Herrn den Biſchof in's Lied hereinſetze, kann
ich auch der Frau Markgräfin Gotelinde und ihrer ſchönen Tochter
drin ein Denkmal aufrichten, die danken mir's doch am feinſten!

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[402/0424] Der Schreibersmann aber ſtund mit verkläretem Antlitz unter dem Rebgerank und Geisblattgewinde des Gartens und ſchaute in die wel- ken rothen Blätter, die der Herbſt von den Zweigen geſchüttelt, und ſchaute hinab in die fluthende Donau, und im rechten Ohr hub ſich ihm ein helles Klingen, denn zu derſelbigen Zeit hatte Ekkehard auf luftiger Alpenhöhe eine hölzerne Schaale mit Wein gefüllt, und zum alten Senn geſprochen: Ich hab' einſt einen guten Geſellen gehabt, einen beſſern findet man in keines Herren Land, der hieß Conrad; und mit Frauenlieb und Weltruhm iſt's nichts, aber der alten Freund- ſchaft bleib' ich zu Dank verpflicht't bis in Tod, Ihr ſollt mit mir ſein Wohl trinken, das iſt Einer, der würde dem Säntis Freud' machen, wenn er hier wäre! Und der Senn hatte die Schaale geleert und geſagt: Bergbruder, ich glaub's Euch. Er ſoll leben! Darum erklang dem Mann in Paſſau ſein Ohr; er aber wußte nicht warum. Und ſein Ohr klang noch, da kam der Biſchof Pilgerim einhergewandelt, und hinter ihm brachte der Stallmeiſter ein weiß Rößlein, das war altersſchwach und ſchäbig, und wenn man ihm näher in's Geſicht ſchaute, war's auch am linken Aug' blind, und der Bi- ſchof nickte mit ſeiner ſpitzen Inſul und ſprach gnädiglich: Meiſter Conrad, was Ihr meinen Neffen zu Liebe geſchrieben, ſollt Ihr nicht umſonſt geſchrieben haben, mein erprobtes Streitroß ſei Euer! Da zuckte der Meiſter Conrad wehmüthig lächelnd die feinen Lippen und dachte: Es geſchieht mir ſchon Recht, warum bin ich ein Dichter worden! laut aber ſprach er: Gott lohn's Euch, Herr Biſchof, Ihr werdet mir wohl ein paar Tage Urlaub ſchenken zum Ausruhen von der Arbeit. Und er ſtreichelte das alte weiße Rößlein, und ſchwang ſich darauf ohne eine Antwort abzuwarten, und ſaß ſtolz und anmuthsvoll im Sattel und brachte ſein demüthig Thier noch zu einem leidlichen Trab und ritt von dannen. Ich will meinen beſten Stoßfalken gegen ein Paar Turteltauben verloren geben, ſprach der ältere der Knaben, wenn er nicht wiederum nach Bechelaren reitet zur Markgrafsburg. Er hat immer geſagt: ſo gut ich meinen gnädigen Herrn den Biſchof in's Lied hereinſetze, kann ich auch der Frau Markgräfin Gotelinde und ihrer ſchönen Tochter drin ein Denkmal aufrichten, die danken mir's doch am feinſten!

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/424>, abgerufen am 22.11.2024.