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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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trat auf ein Felsstück, und blies nach dem fernduftigen Hegauer Berg-
gipfel hinüber, frohgewaltig, als woll' er die Herzogin herausblasen
auf den Söller, und Praxedis dazu, und wolle sie mit Lachen
begrüßen.

Wenn ich wieder auf die Welt käme, sprach er zu seinem Freund
dem Alpmeister, und hätte vom Himmel herniederzufallen und die
Wahl wohin, ich glaube, ich ließ mich zum Wildkirchlein fallen, und
nirgend anders hin.

Ihr seid nicht der Erste, antwortete lachend der Alte, dem's bei
uns wohl behagt hat. Wie der Bruder Gottschalk noch lebte, sind
einmal fünf welsche Mönche heraufgekommen zum Besuch, die haben
ein besseres Weinlein mitgebracht als das von Sennwald ist, und sind
drei Tage oben geblieben und haben Sprünge gemacht, daß ihnen die
Kutten zu Häupten flogen; erst wie es wieder bergab ging, haben sie
das Antlitz in die gehörigen Falten gelegt, und einer hat noch eine
lange Rede an unsere Heerden gehalten: Ihr guten Ziegen, seid ver-
schwiegen, sprach er, der Abt von Novalese braucht nichts von unserer
Geister Entrückung zu wissen.

Aber stehet mir einmal Rede, Bergbruder, was habt Ihr in diesen
letzten Tagen so geduckt in Eurer Höhle zu sitzen gehabt? Ich hab'
Euch wohl gesehen, wie Ihr viel Hakenfüße und Runen auf Esels-
haut gezeichnet, Ihr habt doch keinen bösen Zauber vor gegen unsere
Heerden und Berge? Sonst ... er sah ihn drohend an.

Ich hab' ein Lied aufgeschrieben, sprach Ekkehard.

Der Senn schüttelte das Haupt.

Das Schreiben! das Schreiben! brummte er. Mich geht's nichts
an und der hohe Säntis wird so Gott will noch auf Enkel und Ur-
enkel herabschauen, ohne daß sie wissen wie man Griffel und Feder
handhabt, aber das Schreiben kann unmöglich vom Guten sein. Der
Mensch soll aufrecht einhergehen, wenn er ein Ebenbild Gottes sein
will, wer aber schreibt, muß sitzen und den Rücken biegen, ist das
nicht das Gegentheil von dem was Gott angeordnet? Also muß es
vom Teufel kommen. Seht Euch vor, Bergbruder! und wenn Ihr
mir noch einmal geduckt in Eurer Höhle sitzen wollet wie ein Mur-
melthier, und schreiben: beim Strahl! ich fahr Euch als Alpmeister
dazwischen und reiß Euch Eure Blätter in Fetzen, daß sie der Wind

trat auf ein Felsſtück, und blies nach dem fernduftigen Hegauer Berg-
gipfel hinüber, frohgewaltig, als woll' er die Herzogin herausblaſen
auf den Söller, und Praxedis dazu, und wolle ſie mit Lachen
begrüßen.

Wenn ich wieder auf die Welt käme, ſprach er zu ſeinem Freund
dem Alpmeiſter, und hätte vom Himmel herniederzufallen und die
Wahl wohin, ich glaube, ich ließ mich zum Wildkirchlein fallen, und
nirgend anders hin.

Ihr ſeid nicht der Erſte, antwortete lachend der Alte, dem's bei
uns wohl behagt hat. Wie der Bruder Gottſchalk noch lebte, ſind
einmal fünf welſche Mönche heraufgekommen zum Beſuch, die haben
ein beſſeres Weinlein mitgebracht als das von Sennwald iſt, und ſind
drei Tage oben geblieben und haben Sprünge gemacht, daß ihnen die
Kutten zu Häupten flogen; erſt wie es wieder bergab ging, haben ſie
das Antlitz in die gehörigen Falten gelegt, und einer hat noch eine
lange Rede an unſere Heerden gehalten: Ihr guten Ziegen, ſeid ver-
ſchwiegen, ſprach er, der Abt von Novaleſe braucht nichts von unſerer
Geiſter Entrückung zu wiſſen.

Aber ſtehet mir einmal Rede, Bergbruder, was habt Ihr in dieſen
letzten Tagen ſo geduckt in Eurer Höhle zu ſitzen gehabt? Ich hab'
Euch wohl geſehen, wie Ihr viel Hakenfüße und Runen auf Eſels-
haut gezeichnet, Ihr habt doch keinen böſen Zauber vor gegen unſere
Heerden und Berge? Sonſt ... er ſah ihn drohend an.

Ich hab' ein Lied aufgeſchrieben, ſprach Ekkehard.

Der Senn ſchüttelte das Haupt.

Das Schreiben! das Schreiben! brummte er. Mich geht's nichts
an und der hohe Säntis wird ſo Gott will noch auf Enkel und Ur-
enkel herabſchauen, ohne daß ſie wiſſen wie man Griffel und Feder
handhabt, aber das Schreiben kann unmöglich vom Guten ſein. Der
Menſch ſoll aufrecht einhergehen, wenn er ein Ebenbild Gottes ſein
will, wer aber ſchreibt, muß ſitzen und den Rücken biegen, iſt das
nicht das Gegentheil von dem was Gott angeordnet? Alſo muß es
vom Teufel kommen. Seht Euch vor, Bergbruder! und wenn Ihr
mir noch einmal geduckt in Eurer Höhle ſitzen wollet wie ein Mur-
melthier, und ſchreiben: beim Strahl! ich fahr Euch als Alpmeiſter
dazwiſchen und reiß Euch Eure Blätter in Fetzen, daß ſie der Wind

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[400/0422] trat auf ein Felsſtück, und blies nach dem fernduftigen Hegauer Berg- gipfel hinüber, frohgewaltig, als woll' er die Herzogin herausblaſen auf den Söller, und Praxedis dazu, und wolle ſie mit Lachen begrüßen. Wenn ich wieder auf die Welt käme, ſprach er zu ſeinem Freund dem Alpmeiſter, und hätte vom Himmel herniederzufallen und die Wahl wohin, ich glaube, ich ließ mich zum Wildkirchlein fallen, und nirgend anders hin. Ihr ſeid nicht der Erſte, antwortete lachend der Alte, dem's bei uns wohl behagt hat. Wie der Bruder Gottſchalk noch lebte, ſind einmal fünf welſche Mönche heraufgekommen zum Beſuch, die haben ein beſſeres Weinlein mitgebracht als das von Sennwald iſt, und ſind drei Tage oben geblieben und haben Sprünge gemacht, daß ihnen die Kutten zu Häupten flogen; erſt wie es wieder bergab ging, haben ſie das Antlitz in die gehörigen Falten gelegt, und einer hat noch eine lange Rede an unſere Heerden gehalten: Ihr guten Ziegen, ſeid ver- ſchwiegen, ſprach er, der Abt von Novaleſe braucht nichts von unſerer Geiſter Entrückung zu wiſſen. Aber ſtehet mir einmal Rede, Bergbruder, was habt Ihr in dieſen letzten Tagen ſo geduckt in Eurer Höhle zu ſitzen gehabt? Ich hab' Euch wohl geſehen, wie Ihr viel Hakenfüße und Runen auf Eſels- haut gezeichnet, Ihr habt doch keinen böſen Zauber vor gegen unſere Heerden und Berge? Sonſt ... er ſah ihn drohend an. Ich hab' ein Lied aufgeſchrieben, ſprach Ekkehard. Der Senn ſchüttelte das Haupt. Das Schreiben! das Schreiben! brummte er. Mich geht's nichts an und der hohe Säntis wird ſo Gott will noch auf Enkel und Ur- enkel herabſchauen, ohne daß ſie wiſſen wie man Griffel und Feder handhabt, aber das Schreiben kann unmöglich vom Guten ſein. Der Menſch ſoll aufrecht einhergehen, wenn er ein Ebenbild Gottes ſein will, wer aber ſchreibt, muß ſitzen und den Rücken biegen, iſt das nicht das Gegentheil von dem was Gott angeordnet? Alſo muß es vom Teufel kommen. Seht Euch vor, Bergbruder! und wenn Ihr mir noch einmal geduckt in Eurer Höhle ſitzen wollet wie ein Mur- melthier, und ſchreiben: beim Strahl! ich fahr Euch als Alpmeiſter dazwiſchen und reiß Euch Eure Blätter in Fetzen, daß ſie der Wind

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/422>, abgerufen am 25.11.2024.