Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Es ist Schade, daß die neckenden Geister und Kobolde schon lange
ihr frohsames Handwerk eingestellt haben, sonst möcht' es manch einem
Schreibersmann unserer Tage nicht ungedeihlich sein, wenn ihn plötz-
lich unsichtbare Hände vom Mahagonitisch hinwegtrügen auf die grünen
Matten der Ebenalp; -- dort droben, wo der alte Mann in seiner
Berggewaltigkeit dem Poeten in's Concept schaut, wo die Abgründe
gähnen, der Donner zwölffältig durch die Schluchten rollt, und der
Lämmergeier in einsam stolzem Kreisen dem Regenbogen zufliegt, dort
muß Einer etwas Großes, Kerniges, Bärenmäßiges singen oder reuig
in die Kniee sinken wie der verlorene Sohn und vor der gewaltigen
Natur bekennen, daß er gesündigt. -- --

Unsere Erzählung neigt sich zum Ende.

Es wär' ihr vielleicht ein Gefallen geschehen, wenn Ekkehard jetzt
nach Vollendung seines Sanges eines sänftlichen Todes verblichen
wäre: das hätte einen gar rührenden Schluß gegeben, wie er oben
vor seiner Höhle gesessen, den Blick nach dem Bodensee, die Harfe an
Fels gelehnt, die Pergamentrolle in der Rechten, und das Herz wär'
ihm gebrochen, und es hätt' sich ein schön Gleichniß daran geknüpft,
wie der Sänger vom Lodern des Geistes in ihm aufgezehrt ward und
dahin starb, gleich der Kerze, die zu Asche sich verzehrt, eben da sie
Licht gewährt, -- aber den Gefallen erwies Ekkehard seinem Ange-
denken bei der Nachwelt nicht.

Aechte Dichtung macht den Menschen frisch und gesund. Und
Ekkehard's Wangen hatten sich in währender Arbeit strahlend geröthet,
und es war ihm so wohl geworden, daß er oftmals den Arm aus-
reckte als woll' er einen Wolf oder Bären mit einem Schlag der
Faust niederschmettern. Wie aber sein Waltari durch Noth und Todes-
wunden glücklich zu Ende geführt war, da jubelte er, daß die Tropf-
steine in seiner Höhle verwundert einander zublinzen mochten, den
Ziegen im Stall warf er eine doppelte Atzung an Futter zu, dem
Handbuben aber übermachte er etliche Silberpfennige, daß er hinüber-
steige als Botenknabe nach Sennwald im Rheinthal und einen Schlauch
röthlichen Weines beschaffe. Es war damals wie jetzt: ist das Buch
zu End' gebracht, der Schreiber einen Freudsprung macht.280)

Darum saß er Abends auf der Ebenalp beim alten Senn und
trank ihm tapfer zu und nahm ihm das Alphorn vom Nacken und

Es iſt Schade, daß die neckenden Geiſter und Kobolde ſchon lange
ihr frohſames Handwerk eingeſtellt haben, ſonſt möcht' es manch einem
Schreibersmann unſerer Tage nicht ungedeihlich ſein, wenn ihn plötz-
lich unſichtbare Hände vom Mahagonitiſch hinwegtrügen auf die grünen
Matten der Ebenalp; — dort droben, wo der alte Mann in ſeiner
Berggewaltigkeit dem Poeten in's Concept ſchaut, wo die Abgründe
gähnen, der Donner zwölffältig durch die Schluchten rollt, und der
Lämmergeier in einſam ſtolzem Kreiſen dem Regenbogen zufliegt, dort
muß Einer etwas Großes, Kerniges, Bärenmäßiges ſingen oder reuig
in die Kniee ſinken wie der verlorene Sohn und vor der gewaltigen
Natur bekennen, daß er geſündigt. — —

Unſere Erzählung neigt ſich zum Ende.

Es wär' ihr vielleicht ein Gefallen geſchehen, wenn Ekkehard jetzt
nach Vollendung ſeines Sanges eines ſänftlichen Todes verblichen
wäre: das hätte einen gar rührenden Schluß gegeben, wie er oben
vor ſeiner Höhle geſeſſen, den Blick nach dem Bodenſee, die Harfe an
Fels gelehnt, die Pergamentrolle in der Rechten, und das Herz wär'
ihm gebrochen, und es hätt' ſich ein ſchön Gleichniß daran geknüpft,
wie der Sänger vom Lodern des Geiſtes in ihm aufgezehrt ward und
dahin ſtarb, gleich der Kerze, die zu Aſche ſich verzehrt, eben da ſie
Licht gewährt, — aber den Gefallen erwies Ekkehard ſeinem Ange-
denken bei der Nachwelt nicht.

Aechte Dichtung macht den Menſchen friſch und geſund. Und
Ekkehard's Wangen hatten ſich in währender Arbeit ſtrahlend geröthet,
und es war ihm ſo wohl geworden, daß er oftmals den Arm aus-
reckte als woll' er einen Wolf oder Bären mit einem Schlag der
Fauſt niederſchmettern. Wie aber ſein Waltari durch Noth und Todes-
wunden glücklich zu Ende geführt war, da jubelte er, daß die Tropf-
ſteine in ſeiner Höhle verwundert einander zublinzen mochten, den
Ziegen im Stall warf er eine doppelte Atzung an Futter zu, dem
Handbuben aber übermachte er etliche Silberpfennige, daß er hinüber-
ſteige als Botenknabe nach Sennwald im Rheinthal und einen Schlauch
röthlichen Weines beſchaffe. Es war damals wie jetzt: iſt das Buch
zu End' gebracht, der Schreiber einen Freudſprung macht.280)

Darum ſaß er Abends auf der Ebenalp beim alten Senn und
trank ihm tapfer zu und nahm ihm das Alphorn vom Nacken und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0421" n="399"/>
        <p>Es i&#x017F;t Schade, daß die neckenden Gei&#x017F;ter und Kobolde &#x017F;chon lange<lb/>
ihr froh&#x017F;ames Handwerk einge&#x017F;tellt haben, &#x017F;on&#x017F;t möcht' es manch einem<lb/>
Schreibersmann un&#x017F;erer Tage nicht ungedeihlich &#x017F;ein, wenn ihn plötz-<lb/>
lich un&#x017F;ichtbare Hände vom Mahagoniti&#x017F;ch hinwegtrügen auf die grünen<lb/>
Matten der Ebenalp; &#x2014; dort droben, wo der alte Mann in &#x017F;einer<lb/>
Berggewaltigkeit dem Poeten in's Concept &#x017F;chaut, wo die Abgründe<lb/>
gähnen, der Donner zwölffältig durch die Schluchten rollt, und der<lb/>
Lämmergeier in ein&#x017F;am &#x017F;tolzem Krei&#x017F;en dem Regenbogen zufliegt, dort<lb/>
muß Einer etwas Großes, Kerniges, Bärenmäßiges &#x017F;ingen oder reuig<lb/>
in die Kniee &#x017F;inken wie der verlorene Sohn und vor der gewaltigen<lb/>
Natur bekennen, daß er ge&#x017F;ündigt. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;ere Erzählung neigt &#x017F;ich zum Ende.</p><lb/>
        <p>Es wär' ihr vielleicht ein Gefallen ge&#x017F;chehen, wenn Ekkehard jetzt<lb/>
nach Vollendung &#x017F;eines Sanges eines &#x017F;änftlichen Todes verblichen<lb/>
wäre: das hätte einen gar rührenden Schluß gegeben, wie er oben<lb/>
vor &#x017F;einer Höhle ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, den Blick nach dem Boden&#x017F;ee, die Harfe an<lb/>
Fels gelehnt, die Pergamentrolle in der Rechten, und das Herz wär'<lb/>
ihm gebrochen, und es hätt' &#x017F;ich ein &#x017F;chön Gleichniß daran geknüpft,<lb/>
wie der Sänger vom Lodern des Gei&#x017F;tes in ihm aufgezehrt ward und<lb/>
dahin &#x017F;tarb, gleich der Kerze, die zu A&#x017F;che &#x017F;ich verzehrt, eben da &#x017F;ie<lb/>
Licht gewährt, &#x2014; aber den Gefallen erwies Ekkehard &#x017F;einem Ange-<lb/>
denken bei der Nachwelt nicht.</p><lb/>
        <p>Aechte Dichtung macht den Men&#x017F;chen fri&#x017F;ch und ge&#x017F;und. Und<lb/>
Ekkehard's Wangen hatten &#x017F;ich in währender Arbeit &#x017F;trahlend geröthet,<lb/>
und es war ihm &#x017F;o wohl geworden, daß er oftmals den Arm aus-<lb/>
reckte als woll' er einen Wolf oder Bären mit einem Schlag der<lb/>
Fau&#x017F;t nieder&#x017F;chmettern. Wie aber &#x017F;ein Waltari durch Noth und Todes-<lb/>
wunden glücklich zu Ende geführt war, da jubelte er, daß die Tropf-<lb/>
&#x017F;teine in &#x017F;einer Höhle verwundert einander zublinzen mochten, den<lb/>
Ziegen im Stall warf er eine doppelte Atzung an Futter zu, dem<lb/>
Handbuben aber übermachte er etliche Silberpfennige, daß er hinüber-<lb/>
&#x017F;teige als Botenknabe nach Sennwald im Rheinthal und einen Schlauch<lb/>
röthlichen Weines be&#x017F;chaffe. Es war damals wie jetzt: i&#x017F;t das Buch<lb/>
zu End' gebracht, der Schreiber einen Freud&#x017F;prung macht.<note xml:id="ed280" next="#edt280" place="end" n="280)"/></p><lb/>
        <p>Darum &#x017F;aß er Abends auf der Ebenalp beim alten Senn und<lb/>
trank ihm tapfer zu und nahm ihm das Alphorn vom Nacken und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0421] Es iſt Schade, daß die neckenden Geiſter und Kobolde ſchon lange ihr frohſames Handwerk eingeſtellt haben, ſonſt möcht' es manch einem Schreibersmann unſerer Tage nicht ungedeihlich ſein, wenn ihn plötz- lich unſichtbare Hände vom Mahagonitiſch hinwegtrügen auf die grünen Matten der Ebenalp; — dort droben, wo der alte Mann in ſeiner Berggewaltigkeit dem Poeten in's Concept ſchaut, wo die Abgründe gähnen, der Donner zwölffältig durch die Schluchten rollt, und der Lämmergeier in einſam ſtolzem Kreiſen dem Regenbogen zufliegt, dort muß Einer etwas Großes, Kerniges, Bärenmäßiges ſingen oder reuig in die Kniee ſinken wie der verlorene Sohn und vor der gewaltigen Natur bekennen, daß er geſündigt. — — Unſere Erzählung neigt ſich zum Ende. Es wär' ihr vielleicht ein Gefallen geſchehen, wenn Ekkehard jetzt nach Vollendung ſeines Sanges eines ſänftlichen Todes verblichen wäre: das hätte einen gar rührenden Schluß gegeben, wie er oben vor ſeiner Höhle geſeſſen, den Blick nach dem Bodenſee, die Harfe an Fels gelehnt, die Pergamentrolle in der Rechten, und das Herz wär' ihm gebrochen, und es hätt' ſich ein ſchön Gleichniß daran geknüpft, wie der Sänger vom Lodern des Geiſtes in ihm aufgezehrt ward und dahin ſtarb, gleich der Kerze, die zu Aſche ſich verzehrt, eben da ſie Licht gewährt, — aber den Gefallen erwies Ekkehard ſeinem Ange- denken bei der Nachwelt nicht. Aechte Dichtung macht den Menſchen friſch und geſund. Und Ekkehard's Wangen hatten ſich in währender Arbeit ſtrahlend geröthet, und es war ihm ſo wohl geworden, daß er oftmals den Arm aus- reckte als woll' er einen Wolf oder Bären mit einem Schlag der Fauſt niederſchmettern. Wie aber ſein Waltari durch Noth und Todes- wunden glücklich zu Ende geführt war, da jubelte er, daß die Tropf- ſteine in ſeiner Höhle verwundert einander zublinzen mochten, den Ziegen im Stall warf er eine doppelte Atzung an Futter zu, dem Handbuben aber übermachte er etliche Silberpfennige, daß er hinüber- ſteige als Botenknabe nach Sennwald im Rheinthal und einen Schlauch röthlichen Weines beſchaffe. Es war damals wie jetzt: iſt das Buch zu End' gebracht, der Schreiber einen Freudſprung macht. ²⁸⁰⁾ Darum ſaß er Abends auf der Ebenalp beim alten Senn und trank ihm tapfer zu und nahm ihm das Alphorn vom Nacken und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/421
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/421>, abgerufen am 25.11.2024.