Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.Nachdem nun König Etzel der Heimath sich erfreut, Pflegt er die fremden Kinde mit großer Biederkeit, Wie seine eignen Erben ließ er sie auferziehn, Die Jungfrau anempfahl er der Königin Ospirin. Die jungen Recken aber behielt er scharf im Auge, Daß Jeder zu des Krieges und Friedens Künsten tauge. Die wuchsen auch an Jahren und Weisheit wohl heran, Ihr Arm bezwang den stärksten, ihr Witz den witzigsten Mann. Derwegen liebt' der König die beiden Knaben sehr, Und schuf sie zu den Ersten in seiner Hunnen Heer. Es ward mit Gottes Beistand auch die gefangene Maid Der trutzigen Hunnenfürstin ein' wahre Augenweid, An Tugend reich und Züchten, so ward Hildgund zuletzt Als Schaffnerin dem Schatze der Hofburg vorgesetzt, Und wenig fehlte nur, so war sie in dem Reich Die höchste -- was sie wünschte, erfüllt ward's allsogleich. Derweil starb König Gibich, ihm folgte Gunther sein Sohn, Der brach das Hunnenbündniß und weigert den Zins mit Hohn, Die Kunde kam geflogen zu Hagen in der Fern', Da nahm er nächtlich Reißaus und floh zu seinem Herrn. Am Tag da er verschwunden erfreute sich nur wenig Frau Ospirin und listig sprach sie zu Etzel dem König: O königliche Weisheit, habt Acht, habt scharfe Acht, Daß unsres Reiches Säule zu Fall nicht werde gebracht, Nachdem nun König Etzel der Heimath ſich erfreut, Pflegt er die fremden Kinde mit großer Biederkeit, Wie ſeine eignen Erben ließ er ſie auferziehn, Die Jungfrau anempfahl er der Königin Ospirin. Die jungen Recken aber behielt er ſcharf im Auge, Daß Jeder zu des Krieges und Friedens Künſten tauge. Die wuchſen auch an Jahren und Weisheit wohl heran, Ihr Arm bezwang den ſtärkſten, ihr Witz den witzigſten Mann. Derwegen liebt' der König die beiden Knaben ſehr, Und ſchuf ſie zu den Erſten in ſeiner Hunnen Heer. Es ward mit Gottes Beiſtand auch die gefangene Maid Der trutzigen Hunnenfürſtin ein' wahre Augenweid, An Tugend reich und Züchten, ſo ward Hildgund zuletzt Als Schaffnerin dem Schatze der Hofburg vorgeſetzt, Und wenig fehlte nur, ſo war ſie in dem Reich Die höchſte — was ſie wünſchte, erfüllt ward's allſogleich. Derweil ſtarb König Gibich, ihm folgte Gunther ſein Sohn, Der brach das Hunnenbündniß und weigert den Zins mit Hohn, Die Kunde kam geflogen zu Hagen in der Fern', Da nahm er nächtlich Reißaus und floh zu ſeinem Herrn. Am Tag da er verſchwunden erfreute ſich nur wenig Frau Ospirin und liſtig ſprach ſie zu Etzel dem König: O königliche Weisheit, habt Acht, habt ſcharfe Acht, Daß unſres Reiches Säule zu Fall nicht werde gebracht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0374" n="352"/> <lg n="4"> <l>Nachdem nun König Etzel der Heimath ſich erfreut,</l><lb/> <l>Pflegt er die fremden Kinde mit großer Biederkeit,</l><lb/> <l>Wie ſeine eignen Erben ließ er ſie auferziehn,</l><lb/> <l>Die Jungfrau anempfahl er der Königin Ospirin.</l><lb/> <l>Die jungen Recken aber behielt er ſcharf im Auge,</l><lb/> <l>Daß Jeder zu des Krieges und Friedens Künſten tauge.</l><lb/> <l>Die wuchſen auch an Jahren und Weisheit wohl heran,</l><lb/> <l>Ihr Arm bezwang den ſtärkſten, ihr Witz den witzigſten Mann.</l><lb/> <l>Derwegen liebt' der König die beiden Knaben ſehr,</l><lb/> <l>Und ſchuf ſie zu den Erſten in ſeiner Hunnen Heer.</l><lb/> <l>Es ward mit Gottes Beiſtand auch die gefangene Maid</l><lb/> <l>Der trutzigen Hunnenfürſtin ein' wahre Augenweid,</l><lb/> <l>An Tugend reich und Züchten, ſo ward Hildgund zuletzt</l><lb/> <l>Als Schaffnerin dem Schatze der Hofburg vorgeſetzt,</l><lb/> <l>Und wenig fehlte nur, ſo war ſie in dem Reich</l><lb/> <l>Die höchſte — was ſie wünſchte, erfüllt ward's allſogleich.</l> </lg> </lg><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>erweil ſtarb König Gibich, ihm folgte Gunther ſein Sohn,</l><lb/> <l>Der brach das Hunnenbündniß und weigert den Zins mit Hohn,</l><lb/> <l>Die Kunde kam geflogen zu Hagen in der Fern',</l><lb/> <l>Da nahm er nächtlich Reißaus und floh zu ſeinem Herrn.</l><lb/> <l>Am Tag da er verſchwunden erfreute ſich nur wenig</l><lb/> <l>Frau Ospirin und liſtig ſprach ſie zu Etzel dem König:</l><lb/> <l>O königliche Weisheit, habt Acht, habt ſcharfe Acht,</l><lb/> <l>Daß unſres Reiches Säule zu Fall nicht werde gebracht,</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [352/0374]
Nachdem nun König Etzel der Heimath ſich erfreut,
Pflegt er die fremden Kinde mit großer Biederkeit,
Wie ſeine eignen Erben ließ er ſie auferziehn,
Die Jungfrau anempfahl er der Königin Ospirin.
Die jungen Recken aber behielt er ſcharf im Auge,
Daß Jeder zu des Krieges und Friedens Künſten tauge.
Die wuchſen auch an Jahren und Weisheit wohl heran,
Ihr Arm bezwang den ſtärkſten, ihr Witz den witzigſten Mann.
Derwegen liebt' der König die beiden Knaben ſehr,
Und ſchuf ſie zu den Erſten in ſeiner Hunnen Heer.
Es ward mit Gottes Beiſtand auch die gefangene Maid
Der trutzigen Hunnenfürſtin ein' wahre Augenweid,
An Tugend reich und Züchten, ſo ward Hildgund zuletzt
Als Schaffnerin dem Schatze der Hofburg vorgeſetzt,
Und wenig fehlte nur, ſo war ſie in dem Reich
Die höchſte — was ſie wünſchte, erfüllt ward's allſogleich.
Derweil ſtarb König Gibich, ihm folgte Gunther ſein Sohn,
Der brach das Hunnenbündniß und weigert den Zins mit Hohn,
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Da nahm er nächtlich Reißaus und floh zu ſeinem Herrn.
Am Tag da er verſchwunden erfreute ſich nur wenig
Frau Ospirin und liſtig ſprach ſie zu Etzel dem König:
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Zitationshilfe: | Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/374>, abgerufen am 24.07.2024. |