Da las er denn weiter und weiter, wie die Wormser Recken dem Waltari verfolgend im Wasgauwald nachritten, und an seiner Fels- burg mit ihm stritten -- noch horchte sie geduldig, aber wie des Einzelkampfes gar kein Ende ward, wie Ekkefried von Sachsen erschlagen in's Gras sank zu seiner Vorgänger Leichen und Hadwart und Pata- vrid des Hagen Schwestersohn das Loos der Genossen theilten, da erhub sich die Bärin langsam, als wäre selbst ihr des Mordens zu viel für ein lieblich Gedicht, und schritt würdigen Ganges thalab.
Auf der Sigelsalp drüben in einsamer Felsritze stund ihre Behau- sung; dorthin entkletterte sie, sich zum Winterschlaf vorzubereiten.
Das Heldenlied aber, das von allen sterblichen Wesen zuerst die Bärin auf der Sigelsalp vernommen, hat der Schreiber dieses Buches zur Kurzweil an langen Winterabenden in deutschen Reim gebracht, und wiewohl sich schon manch' anderer wackerer Verdeutscher derselben Aufgabe beflissen, so darf er's doch im Zusammenhang der Geschichte dem Leser nicht vorenthalten, auf daß er daraus ersehe, wie im zehnten Jahrhundert ebenso gut wie in der Folge der Zeiten der Geist der Dichtung sich im Gemüth erlesener Männer eine Stätte zu bereiten wußte.
Da las er denn weiter und weiter, wie die Wormſer Recken dem Waltari verfolgend im Wasgauwald nachritten, und an ſeiner Fels- burg mit ihm ſtritten — noch horchte ſie geduldig, aber wie des Einzelkampfes gar kein Ende ward, wie Ekkefried von Sachſen erſchlagen in's Gras ſank zu ſeiner Vorgänger Leichen und Hadwart und Pata- vrid des Hagen Schweſterſohn das Loos der Genoſſen theilten, da erhub ſich die Bärin langſam, als wäre ſelbſt ihr des Mordens zu viel für ein lieblich Gedicht, und ſchritt würdigen Ganges thalab.
Auf der Sigelsalp drüben in einſamer Felsritze ſtund ihre Behau- ſung; dorthin entkletterte ſie, ſich zum Winterſchlaf vorzubereiten.
Das Heldenlied aber, das von allen ſterblichen Weſen zuerſt die Bärin auf der Sigelsalp vernommen, hat der Schreiber dieſes Buches zur Kurzweil an langen Winterabenden in deutſchen Reim gebracht, und wiewohl ſich ſchon manch' anderer wackerer Verdeutſcher derſelben Aufgabe befliſſen, ſo darf er's doch im Zuſammenhang der Geſchichte dem Leſer nicht vorenthalten, auf daß er daraus erſehe, wie im zehnten Jahrhundert ebenſo gut wie in der Folge der Zeiten der Geiſt der Dichtung ſich im Gemüth erleſener Männer eine Stätte zu bereiten wußte.
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Da las er denn weiter und weiter, wie die Wormſer Recken dem
Waltari verfolgend im Wasgauwald nachritten, und an ſeiner Fels-
burg mit ihm ſtritten — noch horchte ſie geduldig, aber wie des
Einzelkampfes gar kein Ende ward, wie Ekkefried von Sachſen erſchlagen
in's Gras ſank zu ſeiner Vorgänger Leichen und Hadwart und Pata-
vrid des Hagen Schweſterſohn das Loos der Genoſſen theilten, da
erhub ſich die Bärin langſam, als wäre ſelbſt ihr des Mordens zu
viel für ein lieblich Gedicht, und ſchritt würdigen Ganges thalab.
Auf der Sigelsalp drüben in einſamer Felsritze ſtund ihre Behau-
ſung; dorthin entkletterte ſie, ſich zum Winterſchlaf vorzubereiten.
Das Heldenlied aber, das von allen ſterblichen Weſen zuerſt die
Bärin auf der Sigelsalp vernommen, hat der Schreiber dieſes Buches
zur Kurzweil an langen Winterabenden in deutſchen Reim gebracht,
und wiewohl ſich ſchon manch' anderer wackerer Verdeutſcher derſelben
Aufgabe befliſſen, ſo darf er's doch im Zuſammenhang der Geſchichte
dem Leſer nicht vorenthalten, auf daß er daraus erſehe, wie im zehnten
Jahrhundert ebenſo gut wie in der Folge der Zeiten der Geiſt der
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/369>, abgerufen am 26.12.2024.
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