in fröhlicher Arbeit der Dichtung erhebt sich der Mensch zur That des Schöpfers, der eine Welt aus dem Nichts hervorgerufen.
Der nächste Tag fand ihn vergnüglich über den ersten Abentheuern, er konnte sich selber nicht Rechenschaft geben, nach welchem Gesetz er die Fäden seines Gedichtes in einander wob, -- es ist auch nicht nöthig von Allem das Warum und Weil zu wissen: der Wind wehet, wo er will, und du hörest sein Getöse, aber du weißt nicht woher er kommt und wohin er geht; so verhält es sich auch mit Jedem, der im Geiste geboren ist -- sagt das Evangelium Johannis.272)
Und wenn es zwischenein wieder dunkelte vor den Augen des Geistes und Zagheit ihn beschlich -- denn er war ängstlich von Natur und vermeinte noch manchmal, es sei kaum möglich Etwas zu Stand zu bringen ohne Hilfe von Büchern und gelahrtem Vorbild -- dann wandelte er auf dem schmalen Fußsteig draußen auf und nieder und ließ den Blick auf den Riesenwänden seiner Berge haften, die gaben ihm Trost und Maß und er gedachte: bei Allem was ich sing' und dichte, will ich mich fragen, ob's dem Säntis und Kamor drüben recht ist. Und damit war er auf der rechten Spur: wer von der alten Mutter Natur seine Offenbarung schöpft, dessen Dichtung ist wahr und ächt, wenn auch die Leinweber und Steinklopfer und hochver- ständigen Strohspalter in den Tiefen drunten sie zehntausendmal für Hirngespinnst verschreien.
Etliche Tage vergingen in emsigem Schaffen. In lateinischen Vers des Virgilius goß er die Gestalten der Sage, die Pfade deutscher Muttersprache däuchten ihm noch zu rauh und zu wenig geebnet für den gleichmäßig schreitenden Gang des Heldenliedes. Mehr und mehr bevölkerte sich seine Einsamkeit; er gedachte in ununterbrochenem An- lauf Tag und Nacht fort zu arbeiten, aber der leibliche Mensch hat auch sein Recht. Darum sprach er: Wer arbeitet soll sein Tagwerk richten nach der Sonne, und wenn die Schatten des Abends auf die nachbarlichen Höhen fielen, brach er ab, griff seine Harfe und klomm durch die Höhlenwildniß zur Ebenalp hinauf. Der Platz, wo der erste Gedanke des Sangs in ihm aufgestiegen, war ihm vor Allen theuer.
Benedicta freute sich, wie er zuerst mit der Harfe kam. Ich versteh' Euch, Bergbruder, sagte sie, weil Ihr keine Liebste haben dürfet, habt
in fröhlicher Arbeit der Dichtung erhebt ſich der Menſch zur That des Schöpfers, der eine Welt aus dem Nichts hervorgerufen.
Der nächſte Tag fand ihn vergnüglich über den erſten Abentheuern, er konnte ſich ſelber nicht Rechenſchaft geben, nach welchem Geſetz er die Fäden ſeines Gedichtes in einander wob, — es iſt auch nicht nöthig von Allem das Warum und Weil zu wiſſen: der Wind wehet, wo er will, und du höreſt ſein Getöſe, aber du weißt nicht woher er kommt und wohin er geht; ſo verhält es ſich auch mit Jedem, der im Geiſte geboren iſt — ſagt das Evangelium Johannis.272)
Und wenn es zwiſchenein wieder dunkelte vor den Augen des Geiſtes und Zagheit ihn beſchlich — denn er war ängſtlich von Natur und vermeinte noch manchmal, es ſei kaum möglich Etwas zu Stand zu bringen ohne Hilfe von Büchern und gelahrtem Vorbild — dann wandelte er auf dem ſchmalen Fußſteig draußen auf und nieder und ließ den Blick auf den Rieſenwänden ſeiner Berge haften, die gaben ihm Troſt und Maß und er gedachte: bei Allem was ich ſing' und dichte, will ich mich fragen, ob's dem Säntis und Kamor drüben recht iſt. Und damit war er auf der rechten Spur: wer von der alten Mutter Natur ſeine Offenbarung ſchöpft, deſſen Dichtung iſt wahr und ächt, wenn auch die Leinweber und Steinklopfer und hochver- ſtändigen Strohſpalter in den Tiefen drunten ſie zehntauſendmal für Hirngeſpinnſt verſchreien.
Etliche Tage vergingen in emſigem Schaffen. In lateiniſchen Vers des Virgilius goß er die Geſtalten der Sage, die Pfade deutſcher Mutterſprache däuchten ihm noch zu rauh und zu wenig geebnet für den gleichmäßig ſchreitenden Gang des Heldenliedes. Mehr und mehr bevölkerte ſich ſeine Einſamkeit; er gedachte in ununterbrochenem An- lauf Tag und Nacht fort zu arbeiten, aber der leibliche Menſch hat auch ſein Recht. Darum ſprach er: Wer arbeitet ſoll ſein Tagwerk richten nach der Sonne, und wenn die Schatten des Abends auf die nachbarlichen Höhen fielen, brach er ab, griff ſeine Harfe und klomm durch die Höhlenwildniß zur Ebenalp hinauf. Der Platz, wo der erſte Gedanke des Sangs in ihm aufgeſtiegen, war ihm vor Allen theuer.
Benedicta freute ſich, wie er zuerſt mit der Harfe kam. Ich verſteh' Euch, Bergbruder, ſagte ſie, weil Ihr keine Liebſte haben dürfet, habt
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in fröhlicher Arbeit der Dichtung erhebt ſich der Menſch zur That des
Schöpfers, der eine Welt aus dem Nichts hervorgerufen.
Der nächſte Tag fand ihn vergnüglich über den erſten Abentheuern,
er konnte ſich ſelber nicht Rechenſchaft geben, nach welchem Geſetz er
die Fäden ſeines Gedichtes in einander wob, — es iſt auch nicht
nöthig von Allem das Warum und Weil zu wiſſen: der Wind wehet,
wo er will, und du höreſt ſein Getöſe, aber du weißt nicht woher er
kommt und wohin er geht; ſo verhält es ſich auch mit Jedem, der im
Geiſte geboren iſt — ſagt das Evangelium Johannis.
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Und wenn es zwiſchenein wieder dunkelte vor den Augen des
Geiſtes und Zagheit ihn beſchlich — denn er war ängſtlich von Natur
und vermeinte noch manchmal, es ſei kaum möglich Etwas zu Stand
zu bringen ohne Hilfe von Büchern und gelahrtem Vorbild — dann
wandelte er auf dem ſchmalen Fußſteig draußen auf und nieder und
ließ den Blick auf den Rieſenwänden ſeiner Berge haften, die gaben
ihm Troſt und Maß und er gedachte: bei Allem was ich ſing' und
dichte, will ich mich fragen, ob's dem Säntis und Kamor drüben recht
iſt. Und damit war er auf der rechten Spur: wer von der alten
Mutter Natur ſeine Offenbarung ſchöpft, deſſen Dichtung iſt wahr
und ächt, wenn auch die Leinweber und Steinklopfer und hochver-
ſtändigen Strohſpalter in den Tiefen drunten ſie zehntauſendmal für
Hirngeſpinnſt verſchreien.
Etliche Tage vergingen in emſigem Schaffen. In lateiniſchen
Vers des Virgilius goß er die Geſtalten der Sage, die Pfade deutſcher
Mutterſprache däuchten ihm noch zu rauh und zu wenig geebnet für
den gleichmäßig ſchreitenden Gang des Heldenliedes. Mehr und mehr
bevölkerte ſich ſeine Einſamkeit; er gedachte in ununterbrochenem An-
lauf Tag und Nacht fort zu arbeiten, aber der leibliche Menſch hat
auch ſein Recht. Darum ſprach er: Wer arbeitet ſoll ſein Tagwerk
richten nach der Sonne, und wenn die Schatten des Abends auf die
nachbarlichen Höhen fielen, brach er ab, griff ſeine Harfe und klomm
durch die Höhlenwildniß zur Ebenalp hinauf. Der Platz, wo der erſte
Gedanke des Sangs in ihm aufgeſtiegen, war ihm vor Allen theuer.
Benedicta freute ſich, wie er zuerſt mit der Harfe kam. Ich verſteh'
Euch, Bergbruder, ſagte ſie, weil Ihr keine Liebſte haben dürfet, habt
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/365>, abgerufen am 24.11.2024.
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