Da hab' ich zugesehen, und wie sie Steine nach dem Ziel warfen und das Stockspiel trieben, hab' ich laut auflachen müssen, weil Alles schwach und spottmäßig war. Und sie wollten wissen, warum ich lache, da hab' ich einen Stein gegriffen und hab' ihn zwanzig Schritt weiter geworfen als der beste von ihnen, und hab' gesagt: was seid ihr für Wachholderdrosseln? wollt ein rechtschaffen Spiel spielen und habt lange Kutten an, euch kann ich ja nicht einmal zum Hosenlupf ausfordern oder zu einem gehörigen Schwingen: euer Sach' ist Nichts! Da sind sie mit Stöcken auf mich los, aber den Nächsten hab' ich gegriffen und durch die Lüfte geworfen, daß er in's Gras flog wie ein flügellahmer Bergrabe; und sie erhoben ein groß Geschrei und sagten, ich sei ein grober Bergbub, ihre Stärke sei Wissenschaft und Geist. Da hab' ich wissen wollen, was der Geist sei und sie spra- chen: trink' Wein, dann schreiben wir dir's auf den Rücken! Und der Klosterwein war gut, ein paar Krüge hab' ich ihnen weggetrunken, dann haben sie mir Etwas auf den Rücken geschrieben, ich weiß nim- mer wie's zuging, aber andern Morgens hab' ich nur einen schweren Kopf gehabt und weiß von ihrem Geist im Kloster so wenig denn vorher.
Der Handbub streifte sein rauhes Flachshemd zurück und wies Ekkehard seinen Rücken. Der trug in großem Lapidarstyl mit schwar- zer Wagensalbe aufgetragen die Inschrift:
Abbatiscellani, homines pagani vani et insani, turgidi villani.*)
Es war ein Klosterwitz. Ekkehard mußte lachen. Laß dich's nicht verdrießen, sprach er, und denke, daß du selber Schuld bist, weil du zu tief in Weinkrug geschaut.
Der Handbub war nicht beruhigt. Meine schwarzen Ziegen sind mir lieber als all' die Herrlein, sprach er und knüpfte sein Hemd wieder zu. Aber wenn mir so ein Hasenfuß, so ein Lappi auf die
*)
Die bei des Abtes Zellen Sind heidnische Gesellen, Grobe ungescheidte Hochmüth'ge Bauersleute.
Da hab' ich zugeſehen, und wie ſie Steine nach dem Ziel warfen und das Stockſpiel trieben, hab' ich laut auflachen müſſen, weil Alles ſchwach und ſpottmäßig war. Und ſie wollten wiſſen, warum ich lache, da hab' ich einen Stein gegriffen und hab' ihn zwanzig Schritt weiter geworfen als der beſte von ihnen, und hab' geſagt: was ſeid ihr für Wachholderdroſſeln? wollt ein rechtſchaffen Spiel ſpielen und habt lange Kutten an, euch kann ich ja nicht einmal zum Hoſenlupf ausfordern oder zu einem gehörigen Schwingen: euer Sach' iſt Nichts! Da ſind ſie mit Stöcken auf mich los, aber den Nächſten hab' ich gegriffen und durch die Lüfte geworfen, daß er in's Gras flog wie ein flügellahmer Bergrabe; und ſie erhoben ein groß Geſchrei und ſagten, ich ſei ein grober Bergbub, ihre Stärke ſei Wiſſenſchaft und Geiſt. Da hab' ich wiſſen wollen, was der Geiſt ſei und ſie ſpra- chen: trink' Wein, dann ſchreiben wir dir's auf den Rücken! Und der Kloſterwein war gut, ein paar Krüge hab' ich ihnen weggetrunken, dann haben ſie mir Etwas auf den Rücken geſchrieben, ich weiß nim- mer wie's zuging, aber andern Morgens hab' ich nur einen ſchweren Kopf gehabt und weiß von ihrem Geiſt im Kloſter ſo wenig denn vorher.
Der Handbub ſtreifte ſein rauhes Flachshemd zurück und wies Ekkehard ſeinen Rücken. Der trug in großem Lapidarſtyl mit ſchwar- zer Wagenſalbe aufgetragen die Inſchrift:
Abbatiscellani, homines pagani vani et insani, turgidi villani.*)
Es war ein Kloſterwitz. Ekkehard mußte lachen. Laß dich's nicht verdrießen, ſprach er, und denke, daß du ſelber Schuld biſt, weil du zu tief in Weinkrug geſchaut.
Der Handbub war nicht beruhigt. Meine ſchwarzen Ziegen ſind mir lieber als all' die Herrlein, ſprach er und knüpfte ſein Hemd wieder zu. Aber wenn mir ſo ein Haſenfuß, ſo ein Lappi auf die
*)
Die bei des Abtes Zellen Sind heidniſche Geſellen, Grobe ungeſcheidte Hochmüth'ge Bauersleute.
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Da hab' ich zugeſehen, und wie ſie Steine nach dem Ziel warfen
und das Stockſpiel trieben, hab' ich laut auflachen müſſen, weil Alles
ſchwach und ſpottmäßig war. Und ſie wollten wiſſen, warum ich
lache, da hab' ich einen Stein gegriffen und hab' ihn zwanzig Schritt
weiter geworfen als der beſte von ihnen, und hab' geſagt: was ſeid
ihr für Wachholderdroſſeln? wollt ein rechtſchaffen Spiel ſpielen und
habt lange Kutten an, euch kann ich ja nicht einmal zum Hoſenlupf
ausfordern oder zu einem gehörigen Schwingen: euer Sach' iſt Nichts!
Da ſind ſie mit Stöcken auf mich los, aber den Nächſten hab' ich
gegriffen und durch die Lüfte geworfen, daß er in's Gras flog wie
ein flügellahmer Bergrabe; und ſie erhoben ein groß Geſchrei und
ſagten, ich ſei ein grober Bergbub, ihre Stärke ſei Wiſſenſchaft und
Geiſt. Da hab' ich wiſſen wollen, was der Geiſt ſei und ſie ſpra-
chen: trink' Wein, dann ſchreiben wir dir's auf den Rücken! Und
der Kloſterwein war gut, ein paar Krüge hab' ich ihnen weggetrunken,
dann haben ſie mir Etwas auf den Rücken geſchrieben, ich weiß nim-
mer wie's zuging, aber andern Morgens hab' ich nur einen ſchweren
Kopf gehabt und weiß von ihrem Geiſt im Kloſter ſo wenig denn
vorher.
Der Handbub ſtreifte ſein rauhes Flachshemd zurück und wies
Ekkehard ſeinen Rücken. Der trug in großem Lapidarſtyl mit ſchwar-
zer Wagenſalbe aufgetragen die Inſchrift:
Abbatiscellani, homines pagani
vani et insani, turgidi villani. *)
Es war ein Kloſterwitz. Ekkehard mußte lachen. Laß dich's nicht
verdrießen, ſprach er, und denke, daß du ſelber Schuld biſt, weil du
zu tief in Weinkrug geſchaut.
Der Handbub war nicht beruhigt. Meine ſchwarzen Ziegen ſind
mir lieber als all' die Herrlein, ſprach er und knüpfte ſein Hemd
wieder zu. Aber wenn mir ſo ein Haſenfuß, ſo ein Lappi auf die
*) Die bei des Abtes Zellen
Sind heidniſche Geſellen,
Grobe ungeſcheidte
Hochmüth'ge Bauersleute.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/363>, abgerufen am 24.11.2024.
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