Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.sprach den Bärensegen des heiligen Gallus wider sie:"Zeuch aus und So ein Thier hat zwölf Männer Verstand und sieht dem Men- Er wiegte die Tatzen des Todten prüfend im Arm: Juhuhu, das wird ein Festschmaus. Die verzehren wir am nächsten Wie sie das Opfer der Lawine zum Wildkirchlein empor schleiften, Und wer Schneeglöcklein graben will, Und hat das Glück dabei, Der gräbt wohl einen Bären aus Und gräbt auch ihrer zwei. Der Schnee war nur ein luftiger Flutterschnee267) gewesen und Ekkehard hatte des Mittags mit dem Senn und seiner Tochter die D.B.VII. Scheffel, Ekkehard. 22
ſprach den Bärenſegen des heiligen Gallus wider ſie:„Zeuch aus und So ein Thier hat zwölf Männer Verſtand und ſieht dem Men- Er wiegte die Tatzen des Todten prüfend im Arm: Juhuhu, das wird ein Feſtſchmaus. Die verzehren wir am nächſten Wie ſie das Opfer der Lawine zum Wildkirchlein empor ſchleiften, Und wer Schneeglöcklein graben will, Und hat das Glück dabei, Der gräbt wohl einen Bären aus Und gräbt auch ihrer zwei. Der Schnee war nur ein luftiger Flutterſchnee267) geweſen und Ekkehard hatte des Mittags mit dem Senn und ſeiner Tochter die D.B.VII. Scheffel, Ekkehard. 22
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ſprach den Bärenſegen des heiligen Gallus wider ſie:„Zeuch aus und
weiche von unſerem Thal, du Ungethüm des Waldes, Berg und Alpen-
ſchlucht ſeien dein Revier, uns aber laſſ' in Ruh und die Heerden der
Alm.“
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Und die Bärin war ſtill geſtanden, im Aug einen bitter
wehmüthigen Blick, als wäre ſie gekränkt ob der Verſchmähung ihres Ge-
fühls, ſie ließ die Tatzen zur Erde ſinken, drehte dem Bannenden den
Rücken und ſchritt auf allen Vieren von dannen. Noch zweimal hatte
ſie umgeſchaut, ehe ſie aus dem Blick der Bergbewohner verſchwand.
So ein Thier hat zwölf Männer Verſtand und ſieht dem Men-
ſchen an den Augen an, was er will, ſprach der Senn, ſonſt würd'
ich ſagen: Ihr ſeid ein heiliger Mann, daß Euch die Völkerſchaften
der Wildniß gehorchen.
Er wiegte die Tatzen des Todten prüfend im Arm:
Juhuhu, das wird ein Feſtſchmaus. Die verzehren wir am nächſten
Sonntag, Bergbruder, und ein Salätlein von Alpenkräutern dazu.
Das Fleiſch gibt Wintervorrath für uns zweibeide, um's Fell loſen wir.
Wie ſie das Opfer der Lawine zum Wildkirchlein empor ſchleiften,
ſang Benedicta:
Und wer Schneeglöcklein graben will,
Und hat das Glück dabei,
Der gräbt wohl einen Bären aus
Und gräbt auch ihrer zwei.
Der Schnee war nur ein luftiger Flutterſchnee
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geweſen und
war in Bälde wieder zerſchmolzen, Spätſommer zog noch einmal mit
herzwärmender Kraft in den Bergen ein, ein ſtiller Sonntagfriede lag
über dem Hochland.
Ekkehard hatte des Mittags mit dem Senn und ſeiner Tochter die
Bärentatzen verzehrt, eine lecker kräftige Speiſe, rauh aber ſtark, wie
die Altvorderen ſelber; dann war er hinaufgeſtiegen auf den Gipfel
der Ebenalp und hatte ſich in's duftende Gras geworfen und ſchaute
behaglich in die Himmelsbläue, von wohligem Hauch der Geſundheit
erquickt. Um ihn weideten Benedicta's Ziegen; ſchier war's zu hören,
wie das Alpengras zwiſchen den Zähnen der Kauenden ſich bog und
zerbrach. Unſtetes Gewölk zog an den Bergwänden herum, — auf
weißer Kalkſteinplatte, dem Säntis zugewendet, ſaß Benedicta; ſie
D.B.VII. Scheffel, Ekkehard. 22
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