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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Es ist vorbei, sprach Ekkehard, ich dank' Euch für die Medicin.

Aber macht Euch warm ein, sagte der Senn, es streicht eine schwarze
Wolke über den Brülltobel her und die Kröten schleichen aus den
Steinritzen vor, das Wetter will umschlagen.

Am andern Morgen glänzten alle Gipfel in frischem blendendem
Weiß. Es war ein starker Schnee gefallen. Aber für Winters An-
fang war's noch viel zu früh. Die Sonne stieg lustig drüber auf und
peinigte den Schnee mit ihren Strahlen, daß es ihn schier gereute ge-
fallen zu sein. Wie Ekkehard Abends beim Kienspanlicht saß, schlug
ein Krachen und Dröhnen an sein Ohr als wollten die Berge ein-
stürzen. Er fuhr zusammen und legte die Hand an die Stirn, ob
das Fieber nicht wieder komme.

Aber es war kein Spuck kranker Einbildung.

Dumpfer Widerhall wälzte sich genüber durch die Schluchten der
Sigelsalp und Maarwiese, dann klang's wie ein Zusammenbrechen
mächtiger Baumstämme und schütternder Fall -- und verklang. Aber
ein leis klagendes Brummen tönte die ganze Nacht durch vom Thal
herauf.

Ekkehard schlief nicht. Seit er am Seealpsee herumgeirrt, traute
er sich nimmer. In aller Frühe ging er zur Ebenalp hinauf. Bene-
dicta stand vor der Sennhütte und warf ihm einen Schneeball in die
Kutte. Der Senn lachte, als er ihn ob des nächtlichen Lärms
befragte.

Die Musik werdet Ihr noch oft hören, sprach er, es ist eine La-
wine zu Thal gestürzt.

Und das Brummen?

Wird Euer eigen Schnarchen gewesen sein.

Ich hab' nicht geschlafen, sagte Ekkehard. Da gingen sie mit ihm
hinunter und horchten. Er war ein fernes Stöhnen im Schnee.

Sonderbar, sprach der Senn, es ist was Lebendiges verschüttet.

Wenn der Pater Lucius von Quaradaves noch lebte -- sagte
Benedicta, der hat so eine sanfte Bärenstimme gehabt.

Schweig, du wilde Hummel! drohte ihr Vater. Sie holten Schau-
fel und Bergstock, der Alte nahm sein Handbeil mit, so stiegen sie
mit Ekkehard den Spuren der Lawine nach. Die war von der Fels-
wand zum Aescher herabgefahren, über Grund und Steingerölle und

Es iſt vorbei, ſprach Ekkehard, ich dank' Euch für die Medicin.

Aber macht Euch warm ein, ſagte der Senn, es ſtreicht eine ſchwarze
Wolke über den Brülltobel her und die Kröten ſchleichen aus den
Steinritzen vor, das Wetter will umſchlagen.

Am andern Morgen glänzten alle Gipfel in friſchem blendendem
Weiß. Es war ein ſtarker Schnee gefallen. Aber für Winters An-
fang war's noch viel zu früh. Die Sonne ſtieg luſtig drüber auf und
peinigte den Schnee mit ihren Strahlen, daß es ihn ſchier gereute ge-
fallen zu ſein. Wie Ekkehard Abends beim Kienſpanlicht ſaß, ſchlug
ein Krachen und Dröhnen an ſein Ohr als wollten die Berge ein-
ſtürzen. Er fuhr zuſammen und legte die Hand an die Stirn, ob
das Fieber nicht wieder komme.

Aber es war kein Spuck kranker Einbildung.

Dumpfer Widerhall wälzte ſich genüber durch die Schluchten der
Sigelsalp und Maarwieſe, dann klang's wie ein Zuſammenbrechen
mächtiger Baumſtämme und ſchütternder Fall — und verklang. Aber
ein leis klagendes Brummen tönte die ganze Nacht durch vom Thal
herauf.

Ekkehard ſchlief nicht. Seit er am Seealpſee herumgeirrt, traute
er ſich nimmer. In aller Frühe ging er zur Ebenalp hinauf. Bene-
dicta ſtand vor der Sennhütte und warf ihm einen Schneeball in die
Kutte. Der Senn lachte, als er ihn ob des nächtlichen Lärms
befragte.

Die Muſik werdet Ihr noch oft hören, ſprach er, es iſt eine La-
wine zu Thal geſtürzt.

Und das Brummen?

Wird Euer eigen Schnarchen geweſen ſein.

Ich hab' nicht geſchlafen, ſagte Ekkehard. Da gingen ſie mit ihm
hinunter und horchten. Er war ein fernes Stöhnen im Schnee.

Sonderbar, ſprach der Senn, es iſt was Lebendiges verſchüttet.

Wenn der Pater Lucius von Quaradaves noch lebte — ſagte
Benedicta, der hat ſo eine ſanfte Bärenſtimme gehabt.

Schweig, du wilde Hummel! drohte ihr Vater. Sie holten Schau-
fel und Bergſtock, der Alte nahm ſein Handbeil mit, ſo ſtiegen ſie
mit Ekkehard den Spuren der Lawine nach. Die war von der Fels-
wand zum Aeſcher herabgefahren, über Grund und Steingerölle und

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[335/0357] Es iſt vorbei, ſprach Ekkehard, ich dank' Euch für die Medicin. Aber macht Euch warm ein, ſagte der Senn, es ſtreicht eine ſchwarze Wolke über den Brülltobel her und die Kröten ſchleichen aus den Steinritzen vor, das Wetter will umſchlagen. Am andern Morgen glänzten alle Gipfel in friſchem blendendem Weiß. Es war ein ſtarker Schnee gefallen. Aber für Winters An- fang war's noch viel zu früh. Die Sonne ſtieg luſtig drüber auf und peinigte den Schnee mit ihren Strahlen, daß es ihn ſchier gereute ge- fallen zu ſein. Wie Ekkehard Abends beim Kienſpanlicht ſaß, ſchlug ein Krachen und Dröhnen an ſein Ohr als wollten die Berge ein- ſtürzen. Er fuhr zuſammen und legte die Hand an die Stirn, ob das Fieber nicht wieder komme. Aber es war kein Spuck kranker Einbildung. Dumpfer Widerhall wälzte ſich genüber durch die Schluchten der Sigelsalp und Maarwieſe, dann klang's wie ein Zuſammenbrechen mächtiger Baumſtämme und ſchütternder Fall — und verklang. Aber ein leis klagendes Brummen tönte die ganze Nacht durch vom Thal herauf. Ekkehard ſchlief nicht. Seit er am Seealpſee herumgeirrt, traute er ſich nimmer. In aller Frühe ging er zur Ebenalp hinauf. Bene- dicta ſtand vor der Sennhütte und warf ihm einen Schneeball in die Kutte. Der Senn lachte, als er ihn ob des nächtlichen Lärms befragte. Die Muſik werdet Ihr noch oft hören, ſprach er, es iſt eine La- wine zu Thal geſtürzt. Und das Brummen? Wird Euer eigen Schnarchen geweſen ſein. Ich hab' nicht geſchlafen, ſagte Ekkehard. Da gingen ſie mit ihm hinunter und horchten. Er war ein fernes Stöhnen im Schnee. Sonderbar, ſprach der Senn, es iſt was Lebendiges verſchüttet. Wenn der Pater Lucius von Quaradaves noch lebte — ſagte Benedicta, der hat ſo eine ſanfte Bärenſtimme gehabt. Schweig, du wilde Hummel! drohte ihr Vater. Sie holten Schau- fel und Bergſtock, der Alte nahm ſein Handbeil mit, ſo ſtiegen ſie mit Ekkehard den Spuren der Lawine nach. Die war von der Fels- wand zum Aeſcher herabgefahren, über Grund und Steingerölle und

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/357>, abgerufen am 23.11.2024.