das gleiche Verständniß auf, er hört was die Vögel von den Zweigen singen und was der Sturmwind von alten Mären kündet und wird stark und fest, und wenn er das Herz am rechten Fleck hat, schreibt er's nieder zu Nutz und Frommen der Anderen.
Ekkehard aber hatte schier furchtsam den fröhlich Uebermüthigen angeschaut und gesagt: Mir wird schier schwindlich, wenn ich dir zu- höre, wie du ein anderer Homerus zu werden gedenkst. Und Conrad sprach lächelnd: Eine Ilias soll Keiner singen nach Homerus, aber das Lied der Nibelungen ist noch nicht gesungen und mein Arm ist grün und mein Muth ist stark und wer weiß was die Folge der Zeiten bringt!
Und ein andermal gingen sie am Gestade des Rheines und die Sonne spiegelte sich über den Bergen des Wasgauwaldes herunter in den Wellen, da sprach Conrad: Für dich wüßt' ich auch einen Gang, der ist einfach und nicht allzuherb, und paßt zu deinem Gemüth, denn du horchst lieber dem Schalle des Jagdhorns als dem Rollen des Donners. Schau auf! so wie heute hat einst die Zinne von Worms herübergeglänzt, da der Held Waltari von Aquitanien aus der Hunnen- gefangenschaft fliehend in's Frankenland ritt; hier hat ihn der Ferg' übergefahren sammt seiner Liebsten und seinem Goldschatz, nach dem Walde ist er geritten, der dort blaudunkel ragt, das gab am Wa- sichenstein ein hartes Fechten und Funkensprühen von Helm und Schilden, da ihm die Wormser nachrückten, aber die Lieb und ein gut Gewissen hat den Waltari stark gemacht, daß er sie Alle bestand, den König Gunther und Hagen selbst den Grimmen.
Und er hatte ihm die Sage weitläufig erzählt; um große Riesen- bäume treibt allerhand wilder Schoß, sprach er, so ist auch um die Nibelungensage ringsum viel ander Buschwerk aufgesprießt, aus dem sich Etwas zuschneiden läßt, wenn Einer Freude dran hat: Sing' du den Waltari!
Aber Ekkehard ließ damals Kiesel über die Rheinfluth tanzen und verstand seinen Freund nur halb; er war ein frommer Schüler und sein Sinn auf's Nächste gerichtet. Die Zeit trennte die Beiden, und Conrad mußte die Klosterschule fliehen, weil er einst gesagt, des Ari- stoteles Logika sei eitel leeres Stroh, und war in die weite Welt ge- gangen, Niemand wußte wohin, und Ekkehard kam nach Sanct Gallen
das gleiche Verſtändniß auf, er hört was die Vögel von den Zweigen ſingen und was der Sturmwind von alten Mären kündet und wird ſtark und feſt, und wenn er das Herz am rechten Fleck hat, ſchreibt er's nieder zu Nutz und Frommen der Anderen.
Ekkehard aber hatte ſchier furchtſam den fröhlich Uebermüthigen angeſchaut und geſagt: Mir wird ſchier ſchwindlich, wenn ich dir zu- höre, wie du ein anderer Homerus zu werden gedenkſt. Und Conrad ſprach lächelnd: Eine Ilias ſoll Keiner ſingen nach Homerus, aber das Lied der Nibelungen iſt noch nicht geſungen und mein Arm iſt grün und mein Muth iſt ſtark und wer weiß was die Folge der Zeiten bringt!
Und ein andermal gingen ſie am Geſtade des Rheines und die Sonne ſpiegelte ſich über den Bergen des Wasgauwaldes herunter in den Wellen, da ſprach Conrad: Für dich wüßt' ich auch einen Gang, der iſt einfach und nicht allzuherb, und paßt zu deinem Gemüth, denn du horchſt lieber dem Schalle des Jagdhorns als dem Rollen des Donners. Schau auf! ſo wie heute hat einſt die Zinne von Worms herübergeglänzt, da der Held Waltari von Aquitanien aus der Hunnen- gefangenſchaft fliehend in's Frankenland ritt; hier hat ihn der Ferg' übergefahren ſammt ſeiner Liebſten und ſeinem Goldſchatz, nach dem Walde iſt er geritten, der dort blaudunkel ragt, das gab am Wa- ſichenſtein ein hartes Fechten und Funkenſprühen von Helm und Schilden, da ihm die Wormſer nachrückten, aber die Lieb und ein gut Gewiſſen hat den Waltari ſtark gemacht, daß er ſie Alle beſtand, den König Gunther und Hagen ſelbſt den Grimmen.
Und er hatte ihm die Sage weitläufig erzählt; um große Rieſen- bäume treibt allerhand wilder Schoß, ſprach er, ſo iſt auch um die Nibelungenſage ringsum viel ander Buſchwerk aufgeſprießt, aus dem ſich Etwas zuſchneiden läßt, wenn Einer Freude dran hat: Sing' du den Waltari!
Aber Ekkehard ließ damals Kieſel über die Rheinfluth tanzen und verſtand ſeinen Freund nur halb; er war ein frommer Schüler und ſein Sinn auf's Nächſte gerichtet. Die Zeit trennte die Beiden, und Conrad mußte die Kloſterſchule fliehen, weil er einſt geſagt, des Ari- ſtoteles Logika ſei eitel leeres Stroh, und war in die weite Welt ge- gangen, Niemand wußte wohin, und Ekkehard kam nach Sanct Gallen
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das gleiche Verſtändniß auf, er hört was die Vögel von den Zweigen
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ſtark und feſt, und wenn er das Herz am rechten Fleck hat, ſchreibt
er's nieder zu Nutz und Frommen der Anderen.
Ekkehard aber hatte ſchier furchtſam den fröhlich Uebermüthigen
angeſchaut und geſagt: Mir wird ſchier ſchwindlich, wenn ich dir zu-
höre, wie du ein anderer Homerus zu werden gedenkſt. Und Conrad
ſprach lächelnd: Eine Ilias ſoll Keiner ſingen nach Homerus, aber das
Lied der Nibelungen iſt noch nicht geſungen und mein Arm iſt grün
und mein Muth iſt ſtark und wer weiß was die Folge der Zeiten
bringt!
Und ein andermal gingen ſie am Geſtade des Rheines und die
Sonne ſpiegelte ſich über den Bergen des Wasgauwaldes herunter in
den Wellen, da ſprach Conrad: Für dich wüßt' ich auch einen Gang,
der iſt einfach und nicht allzuherb, und paßt zu deinem Gemüth, denn
du horchſt lieber dem Schalle des Jagdhorns als dem Rollen des
Donners. Schau auf! ſo wie heute hat einſt die Zinne von Worms
herübergeglänzt, da der Held Waltari von Aquitanien aus der Hunnen-
gefangenſchaft fliehend in's Frankenland ritt; hier hat ihn der Ferg'
übergefahren ſammt ſeiner Liebſten und ſeinem Goldſchatz, nach dem
Walde iſt er geritten, der dort blaudunkel ragt, das gab am Wa-
ſichenſtein ein hartes Fechten und Funkenſprühen von Helm und
Schilden, da ihm die Wormſer nachrückten, aber die Lieb und ein gut
Gewiſſen hat den Waltari ſtark gemacht, daß er ſie Alle beſtand, den
König Gunther und Hagen ſelbſt den Grimmen.
Und er hatte ihm die Sage weitläufig erzählt; um große Rieſen-
bäume treibt allerhand wilder Schoß, ſprach er, ſo iſt auch um die
Nibelungenſage ringsum viel ander Buſchwerk aufgeſprießt, aus dem
ſich Etwas zuſchneiden läßt, wenn Einer Freude dran hat: Sing' du
den Waltari!
Aber Ekkehard ließ damals Kieſel über die Rheinfluth tanzen und
verſtand ſeinen Freund nur halb; er war ein frommer Schüler und
ſein Sinn auf's Nächſte gerichtet. Die Zeit trennte die Beiden, und
Conrad mußte die Kloſterſchule fliehen, weil er einſt geſagt, des Ari-
ſtoteles Logika ſei eitel leeres Stroh, und war in die weite Welt ge-
gangen, Niemand wußte wohin, und Ekkehard kam nach Sanct Gallen
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/355>, abgerufen am 23.11.2024.
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