Frau Hadwig neigte sich zum Sarkophag. Sie hätte gern einen zweiten drauf gethürmt, daß er sie verberge vor Ekkehard's Blick. Sie wünschte kein Alleinsein mehr. Ihr Herz schlug ruhig.
Er ging zur Pforte.
Da plötzlich wandte er sich; die ewige Lampe schwebte leise über Frau Hadwig's Haupt hin und her, das schwebende Dämmerlicht hatte sein Aug' getroffen ... mit einem Sprung, mächtiger als der, den der heilige Bernhard in späteren Tagen durch den Dom zu Speier that, da ihm das Marienbild gewinkt, stand er vor der Her- zogin. Er schaute sie lang und durchbohrend an. Sie erhob sich vom Boden, mit der Rechten den Rand des Steinsarges fassend stand sie ihm gegenüber, an seidener Schnur wiegte sich die ewige Lampe über ihrem Haupt.
Glückselig sind die Todten, man betet für sie! brach Ekkehard das Schweigen.
Frau Hadwig erwiederte nichts.243)
Betet Ihr auch für mich wenn ich todt bin? fuhr er fort. O, Ihr sollt nicht für mich beten! ... einen Pocal laßt Euch aus meinem Schädel machen, und wenn Ihr wieder einen Pörtner holt aus dem Kloster des heiligen Gallus, so müßt Ihr ihm den Willkommtrunk draus reichen -- ich laß ihn grüßen! Dürft auch selber Eure Lippen dran setzen, er springt nicht. Aber das Stirnband müßt Ihr dabei um's Haupt tragen, und die Rose drin ...
Ekkehard! sprach die Herzogin, -- Ihr frevelt!
Er fuhr mit der Rechten an die Stirn: O! sprach er wehmüthig -- o ja! ... der Rhein frevelt auch: sie haben ihm mit riesigen Fel- sen den Lauf verbaut, aber er hat sie durchnagt, und braust drüber weg in Schaum und Sturz und Vernichtung, Glück auf du freier Jugendmuth! ... Und Gott frevelt auch, denn er hat den Rhein wer- den lassen, und den hohen Twiel und die Herzogin von Schwaben und die Tonsur auf meinem Haupt.
Der Herzogin begann es zu grausen. Solchen Ausbruch zurück- gepreßten Gefühles hatte sie nicht erwartet. Aber es war zu spät. Sie blieb gleichgiltig.
Ihr seid krank! sprach sie.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 20
Frau Hadwig neigte ſich zum Sarkophag. Sie hätte gern einen zweiten drauf gethürmt, daß er ſie verberge vor Ekkehard's Blick. Sie wünſchte kein Alleinſein mehr. Ihr Herz ſchlug ruhig.
Er ging zur Pforte.
Da plötzlich wandte er ſich; die ewige Lampe ſchwebte leiſe über Frau Hadwig's Haupt hin und her, das ſchwebende Dämmerlicht hatte ſein Aug' getroffen ... mit einem Sprung, mächtiger als der, den der heilige Bernhard in ſpäteren Tagen durch den Dom zu Speier that, da ihm das Marienbild gewinkt, ſtand er vor der Her- zogin. Er ſchaute ſie lang und durchbohrend an. Sie erhob ſich vom Boden, mit der Rechten den Rand des Steinſarges faſſend ſtand ſie ihm gegenüber, an ſeidener Schnur wiegte ſich die ewige Lampe über ihrem Haupt.
Glückſelig ſind die Todten, man betet für ſie! brach Ekkehard das Schweigen.
Frau Hadwig erwiederte nichts.243)
Betet Ihr auch für mich wenn ich todt bin? fuhr er fort. O, Ihr ſollt nicht für mich beten! ... einen Pocal laßt Euch aus meinem Schädel machen, und wenn Ihr wieder einen Pörtner holt aus dem Kloſter des heiligen Gallus, ſo müßt Ihr ihm den Willkommtrunk draus reichen — ich laß ihn grüßen! Dürft auch ſelber Eure Lippen dran ſetzen, er ſpringt nicht. Aber das Stirnband müßt Ihr dabei um's Haupt tragen, und die Roſe drin ...
Ekkehard! ſprach die Herzogin, — Ihr frevelt!
Er fuhr mit der Rechten an die Stirn: O! ſprach er wehmüthig — o ja! ... der Rhein frevelt auch: ſie haben ihm mit rieſigen Fel- ſen den Lauf verbaut, aber er hat ſie durchnagt, und braust drüber weg in Schaum und Sturz und Vernichtung, Glück auf du freier Jugendmuth! ... Und Gott frevelt auch, denn er hat den Rhein wer- den laſſen, und den hohen Twiel und die Herzogin von Schwaben und die Tonſur auf meinem Haupt.
Der Herzogin begann es zu grauſen. Solchen Ausbruch zurück- gepreßten Gefühles hatte ſie nicht erwartet. Aber es war zu ſpät. Sie blieb gleichgiltig.
Ihr ſeid krank! ſprach ſie.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 20
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Frau Hadwig neigte ſich zum Sarkophag. Sie hätte gern einen
zweiten drauf gethürmt, daß er ſie verberge vor Ekkehard's Blick.
Sie wünſchte kein Alleinſein mehr. Ihr Herz ſchlug ruhig.
Er ging zur Pforte.
Da plötzlich wandte er ſich; die ewige Lampe ſchwebte leiſe über
Frau Hadwig's Haupt hin und her, das ſchwebende Dämmerlicht
hatte ſein Aug' getroffen ... mit einem Sprung, mächtiger als der,
den der heilige Bernhard in ſpäteren Tagen durch den Dom zu
Speier that, da ihm das Marienbild gewinkt, ſtand er vor der Her-
zogin. Er ſchaute ſie lang und durchbohrend an. Sie erhob ſich
vom Boden, mit der Rechten den Rand des Steinſarges faſſend ſtand
ſie ihm gegenüber, an ſeidener Schnur wiegte ſich die ewige Lampe
über ihrem Haupt.
Glückſelig ſind die Todten, man betet für ſie! brach Ekkehard
das Schweigen.
Frau Hadwig erwiederte nichts.
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Betet Ihr auch für mich wenn ich todt bin? fuhr er fort. O,
Ihr ſollt nicht für mich beten! ... einen Pocal laßt Euch aus meinem
Schädel machen, und wenn Ihr wieder einen Pörtner holt aus dem
Kloſter des heiligen Gallus, ſo müßt Ihr ihm den Willkommtrunk
draus reichen — ich laß ihn grüßen! Dürft auch ſelber Eure Lippen
dran ſetzen, er ſpringt nicht. Aber das Stirnband müßt Ihr dabei
um's Haupt tragen, und die Roſe drin ...
Ekkehard! ſprach die Herzogin, — Ihr frevelt!
Er fuhr mit der Rechten an die Stirn: O! ſprach er wehmüthig
— o ja! ... der Rhein frevelt auch: ſie haben ihm mit rieſigen Fel-
ſen den Lauf verbaut, aber er hat ſie durchnagt, und braust drüber
weg in Schaum und Sturz und Vernichtung, Glück auf du freier
Jugendmuth! ... Und Gott frevelt auch, denn er hat den Rhein wer-
den laſſen, und den hohen Twiel und die Herzogin von Schwaben und
die Tonſur auf meinem Haupt.
Der Herzogin begann es zu grauſen. Solchen Ausbruch zurück-
gepreßten Gefühles hatte ſie nicht erwartet. Aber es war zu ſpät.
Sie blieb gleichgiltig.
Ihr ſeid krank! ſprach ſie.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 20
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/327>, abgerufen am 22.11.2024.
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