Du mußt ein Recke werden und selber auf Riesen und Drachen ausziehen, scherzte die Herzogin.
Aber das leuchtete ihm nicht ein: Wir bekommen mit dem Teufel zu streiten, sagte er, das ist mehr.
Frau Hadwig war noch nicht gestimmt, aufzubrechen. Sie knickte ein Zweiglein vom Ahorn in zwei ungleiche Stücke und trat zu Ekke- hard. Der fuhr verwirrt auf.
Nun, sprach die Herzogin, ziehet! Ihr oder ich.
Ihr oder ich! sprach Ekkehard stumpf. Er zog das kürzere Ende. Es gleitete ihm aus der Hand; er ließ sich wieder auf seinen Sitz nieder und schwieg.
Ekkehard! sprach die Herzogin scharf.
Er schaute auf.
Ihr sollet erzählen.
Ich soll erzählen! murmelte er und fuhr mit der Rechten über die Stirn. Sie war heiß; es stürmte drin.
Ja wohl, -- erzählen! Wer spielt mir die Laute dazu?
Er stand auf und sah in die Mondnacht hinaus. Verwundert schauten die Anderen sein Gebahren. Er aber hub mit klangloser Stimme an:
Es ist eine kurze Geschichte. Es war einmal ein Licht, das leuch- tete hell und leuchtete von einem Berg hernieder und leuchtete in Regenbogenfarben und trug eine Rose im Stirnband ...
Eine Rose im Stirnband?! brummte Herr Spazzo kopfschüttelnd.
.. Und es war einmal ein dunkler Nachtfalter, fuhr Ekkehard in gleichem Ton fort, der flog zum Berg hinauf und flog um das Licht, und wußte daß er verbrennen müsse wenn er hineinfliege, und flog doch hinein, und das Licht verbrannte den Nachtfalter, da ward er zur Asche und vergaß des Fliegens. Amen!
Frau Hadwig sprang unwillig auf.
Ist das Eure ganze Geschichte? fragte sie.
Meine ganze Geschichte! sprach er mit unveränderter Stimme.
Es ist Zeit, daß wir hinaufgehen, sagte Frau Hadwig stolz. Die Nachtluft schafft Fieber.
Sie schritt mit verächtlichem Blick an Ekkehard vorüber. Burkard trug ihr die Schleppe. Ekkehard stand unbeweglich. Der Kämmerer
Du mußt ein Recke werden und ſelber auf Rieſen und Drachen ausziehen, ſcherzte die Herzogin.
Aber das leuchtete ihm nicht ein: Wir bekommen mit dem Teufel zu ſtreiten, ſagte er, das iſt mehr.
Frau Hadwig war noch nicht geſtimmt, aufzubrechen. Sie knickte ein Zweiglein vom Ahorn in zwei ungleiche Stücke und trat zu Ekke- hard. Der fuhr verwirrt auf.
Nun, ſprach die Herzogin, ziehet! Ihr oder ich.
Ihr oder ich! ſprach Ekkehard ſtumpf. Er zog das kürzere Ende. Es gleitete ihm aus der Hand; er ließ ſich wieder auf ſeinen Sitz nieder und ſchwieg.
Ekkehard! ſprach die Herzogin ſcharf.
Er ſchaute auf.
Ihr ſollet erzählen.
Ich ſoll erzählen! murmelte er und fuhr mit der Rechten über die Stirn. Sie war heiß; es ſtürmte drin.
Ja wohl, — erzählen! Wer ſpielt mir die Laute dazu?
Er ſtand auf und ſah in die Mondnacht hinaus. Verwundert ſchauten die Anderen ſein Gebahren. Er aber hub mit klangloſer Stimme an:
Es iſt eine kurze Geſchichte. Es war einmal ein Licht, das leuch- tete hell und leuchtete von einem Berg hernieder und leuchtete in Regenbogenfarben und trug eine Roſe im Stirnband ...
Eine Roſe im Stirnband?! brummte Herr Spazzo kopfſchüttelnd.
.. Und es war einmal ein dunkler Nachtfalter, fuhr Ekkehard in gleichem Ton fort, der flog zum Berg hinauf und flog um das Licht, und wußte daß er verbrennen müſſe wenn er hineinfliege, und flog doch hinein, und das Licht verbrannte den Nachtfalter, da ward er zur Aſche und vergaß des Fliegens. Amen!
Frau Hadwig ſprang unwillig auf.
Iſt das Eure ganze Geſchichte? fragte ſie.
Meine ganze Geſchichte! ſprach er mit unveränderter Stimme.
Es iſt Zeit, daß wir hinaufgehen, ſagte Frau Hadwig ſtolz. Die Nachtluft ſchafft Fieber.
Sie ſchritt mit verächtlichem Blick an Ekkehard vorüber. Burkard trug ihr die Schleppe. Ekkehard ſtand unbeweglich. Der Kämmerer
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0323"n="301"/><p>Du mußt ein Recke werden und ſelber auf Rieſen und Drachen<lb/>
ausziehen, ſcherzte die Herzogin.</p><lb/><p>Aber das leuchtete ihm nicht ein: Wir bekommen mit dem Teufel<lb/>
zu ſtreiten, ſagte er, das iſt mehr.</p><lb/><p>Frau Hadwig war noch nicht geſtimmt, aufzubrechen. Sie knickte<lb/>
ein Zweiglein vom Ahorn in zwei ungleiche Stücke und trat zu Ekke-<lb/>
hard. Der fuhr verwirrt auf.</p><lb/><p>Nun, ſprach die Herzogin, ziehet! Ihr oder ich.</p><lb/><p>Ihr oder ich! ſprach Ekkehard ſtumpf. Er zog das kürzere Ende.<lb/>
Es gleitete ihm aus der Hand; er ließ ſich wieder auf ſeinen Sitz<lb/>
nieder und ſchwieg.</p><lb/><p>Ekkehard! ſprach die Herzogin ſcharf.</p><lb/><p>Er ſchaute auf.</p><lb/><p>Ihr ſollet erzählen.</p><lb/><p>Ich ſoll erzählen! murmelte er und fuhr mit der Rechten über<lb/>
die Stirn. Sie war heiß; es ſtürmte drin.</p><lb/><p>Ja wohl, — erzählen! Wer ſpielt mir die Laute dazu?</p><lb/><p>Er ſtand auf und ſah in die Mondnacht hinaus. Verwundert<lb/>ſchauten die Anderen ſein Gebahren. Er aber hub mit klangloſer<lb/>
Stimme an:</p><lb/><p>Es iſt eine kurze Geſchichte. Es war einmal ein Licht, das leuch-<lb/>
tete hell und leuchtete von einem Berg hernieder und leuchtete in<lb/>
Regenbogenfarben und trug eine Roſe im Stirnband ...</p><lb/><p>Eine Roſe im Stirnband?! brummte Herr Spazzo kopfſchüttelnd.</p><lb/><p>.. Und es war einmal ein dunkler Nachtfalter, fuhr Ekkehard in<lb/>
gleichem Ton fort, der flog zum Berg hinauf und flog um das Licht,<lb/>
und wußte daß er verbrennen müſſe wenn er hineinfliege, und flog<lb/>
doch hinein, und das Licht verbrannte den Nachtfalter, da ward er zur<lb/>
Aſche und vergaß des Fliegens. Amen!</p><lb/><p>Frau Hadwig ſprang unwillig auf.</p><lb/><p>Iſt das Eure ganze Geſchichte? fragte ſie.</p><lb/><p>Meine ganze Geſchichte! ſprach er mit unveränderter Stimme.</p><lb/><p>Es iſt Zeit, daß wir hinaufgehen, ſagte Frau Hadwig ſtolz. Die<lb/>
Nachtluft ſchafft Fieber.</p><lb/><p>Sie ſchritt mit verächtlichem Blick an Ekkehard vorüber. Burkard<lb/>
trug ihr die Schleppe. Ekkehard ſtand unbeweglich. Der Kämmerer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[301/0323]
Du mußt ein Recke werden und ſelber auf Rieſen und Drachen
ausziehen, ſcherzte die Herzogin.
Aber das leuchtete ihm nicht ein: Wir bekommen mit dem Teufel
zu ſtreiten, ſagte er, das iſt mehr.
Frau Hadwig war noch nicht geſtimmt, aufzubrechen. Sie knickte
ein Zweiglein vom Ahorn in zwei ungleiche Stücke und trat zu Ekke-
hard. Der fuhr verwirrt auf.
Nun, ſprach die Herzogin, ziehet! Ihr oder ich.
Ihr oder ich! ſprach Ekkehard ſtumpf. Er zog das kürzere Ende.
Es gleitete ihm aus der Hand; er ließ ſich wieder auf ſeinen Sitz
nieder und ſchwieg.
Ekkehard! ſprach die Herzogin ſcharf.
Er ſchaute auf.
Ihr ſollet erzählen.
Ich ſoll erzählen! murmelte er und fuhr mit der Rechten über
die Stirn. Sie war heiß; es ſtürmte drin.
Ja wohl, — erzählen! Wer ſpielt mir die Laute dazu?
Er ſtand auf und ſah in die Mondnacht hinaus. Verwundert
ſchauten die Anderen ſein Gebahren. Er aber hub mit klangloſer
Stimme an:
Es iſt eine kurze Geſchichte. Es war einmal ein Licht, das leuch-
tete hell und leuchtete von einem Berg hernieder und leuchtete in
Regenbogenfarben und trug eine Roſe im Stirnband ...
Eine Roſe im Stirnband?! brummte Herr Spazzo kopfſchüttelnd.
.. Und es war einmal ein dunkler Nachtfalter, fuhr Ekkehard in
gleichem Ton fort, der flog zum Berg hinauf und flog um das Licht,
und wußte daß er verbrennen müſſe wenn er hineinfliege, und flog
doch hinein, und das Licht verbrannte den Nachtfalter, da ward er zur
Aſche und vergaß des Fliegens. Amen!
Frau Hadwig ſprang unwillig auf.
Iſt das Eure ganze Geſchichte? fragte ſie.
Meine ganze Geſchichte! ſprach er mit unveränderter Stimme.
Es iſt Zeit, daß wir hinaufgehen, ſagte Frau Hadwig ſtolz. Die
Nachtluft ſchafft Fieber.
Sie ſchritt mit verächtlichem Blick an Ekkehard vorüber. Burkard
trug ihr die Schleppe. Ekkehard ſtand unbeweglich. Der Kämmerer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/323>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.