Stangen eingeschlagen, von blauer Bohnenblüthe umrankt, dahin trug Praxedis das Getüch an seinen andern Enden; in Kurzem hing die schattige Decke über den luftigen Raum, die grauweiße Leinwand schimmerte anmuthig zum Gelbgrün der Blätter und Ranken, es war eine lustige Gartenfrische.
Der Vesperwein möchte sich anmuthig hier trinken lassen, sagte Herr Spazzo halb betrübt über das, was bevorstand. Praxedis aber ordnete Tisch und Sitze; der Herzogin Polsterstuhl mit dem durch- brochenen Schnitzwerk lehnte sich an den Stamm des Ahorns, niedrige Schemel für die Andern, ihre Laute holte sie herunter und legte sie auf den Tisch, Burkard aber mußte einen großen Blumenstrauß bin- den, der ward vor den Herzogssitz gestellt. Dann band die Griechin einen rothen Seidenfaden um den Baumstamm, zog ihn bis zur Bohnenhecke hinüber und von dort zur Mauer, so daß nur ein schmaler Durchgang freiblieb. So! sprach sie vergnügt, jetzt ist unser Plauder- saal umgrenzt und umfriedet wie König Laurins Rosengarten,235) die Mauern sind wohlfeil herzustellen.
Die Herzogin freute sich ihres Einfalls, und schmückte sich mit einer gewissen Absicht. Es war noch früh am Abend, da stieg sie zur Laube hinab. Blendend rauschte die stolze Erscheinung einher, sie hatte ein weites Gewand umgethan, Saum und Aermel mit schim- merndem Gold durchstickt, ein stahlgrauer mantelartiger Ueberwurf wallte bis zum Boden herab, von edelsteinbesetzten Agraffen gehalten; über's Haupt trug sie ein schleierartig Gewebe, licht und durchsichtig, von güldenem Stirnband anschmiegend zusammengefaltet. Sie griff eine Rose aus Burkard's Strauß und heftete sie zwischen Band und Schleier.
Der Klosterschüler, der schon nahe daran war, Klassiker und freie Künste zu vergessen, hatte sich die Gnade erbeten, der Herzogin Schleppe zu tragen und ihr zu Ehren ein Paar abenteuerliche Schnabelschuhe, an beiden Seiten mit Ohren versehen, angelegt,236) und machte sich verschiedene Gedanken über das Glück, einer solchen Gebieterin als frommer Edelknabe zu dienen.
Praxedis und Herr Spazzo traten mit ein. Die Herzogin schaute sich flüchtig um: Ist Meister Ekkehard, zu dessen Belehrung wir den Abend geordnet, unsichtbar?
Stangen eingeſchlagen, von blauer Bohnenblüthe umrankt, dahin trug Praxedis das Getüch an ſeinen andern Enden; in Kurzem hing die ſchattige Decke über den luftigen Raum, die grauweiße Leinwand ſchimmerte anmuthig zum Gelbgrün der Blätter und Ranken, es war eine luſtige Gartenfriſche.
Der Vesperwein möchte ſich anmuthig hier trinken laſſen, ſagte Herr Spazzo halb betrübt über das, was bevorſtand. Praxedis aber ordnete Tiſch und Sitze; der Herzogin Polſterſtuhl mit dem durch- brochenen Schnitzwerk lehnte ſich an den Stamm des Ahorns, niedrige Schemel für die Andern, ihre Laute holte ſie herunter und legte ſie auf den Tiſch, Burkard aber mußte einen großen Blumenſtrauß bin- den, der ward vor den Herzogsſitz geſtellt. Dann band die Griechin einen rothen Seidenfaden um den Baumſtamm, zog ihn bis zur Bohnenhecke hinüber und von dort zur Mauer, ſo daß nur ein ſchmaler Durchgang freiblieb. So! ſprach ſie vergnügt, jetzt iſt unſer Plauder- ſaal umgrenzt und umfriedet wie König Laurins Roſengarten,235) die Mauern ſind wohlfeil herzuſtellen.
Die Herzogin freute ſich ihres Einfalls, und ſchmückte ſich mit einer gewiſſen Abſicht. Es war noch früh am Abend, da ſtieg ſie zur Laube hinab. Blendend rauſchte die ſtolze Erſcheinung einher, ſie hatte ein weites Gewand umgethan, Saum und Aermel mit ſchim- merndem Gold durchſtickt, ein ſtahlgrauer mantelartiger Ueberwurf wallte bis zum Boden herab, von edelſteinbeſetzten Agraffen gehalten; über's Haupt trug ſie ein ſchleierartig Gewebe, licht und durchſichtig, von güldenem Stirnband anſchmiegend zuſammengefaltet. Sie griff eine Roſe aus Burkard's Strauß und heftete ſie zwiſchen Band und Schleier.
Der Kloſterſchüler, der ſchon nahe daran war, Klaſſiker und freie Künſte zu vergeſſen, hatte ſich die Gnade erbeten, der Herzogin Schleppe zu tragen und ihr zu Ehren ein Paar abenteuerliche Schnabelſchuhe, an beiden Seiten mit Ohren verſehen, angelegt,236) und machte ſich verſchiedene Gedanken über das Glück, einer ſolchen Gebieterin als frommer Edelknabe zu dienen.
Praxedis und Herr Spazzo traten mit ein. Die Herzogin ſchaute ſich flüchtig um: Iſt Meiſter Ekkehard, zu deſſen Belehrung wir den Abend geordnet, unſichtbar?
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0306"n="284"/>
Stangen eingeſchlagen, von blauer Bohnenblüthe umrankt, dahin trug<lb/>
Praxedis das Getüch an ſeinen andern Enden; in Kurzem hing die<lb/>ſchattige Decke über den luftigen Raum, die grauweiße Leinwand<lb/>ſchimmerte anmuthig zum Gelbgrün der Blätter und Ranken, es war<lb/>
eine luſtige Gartenfriſche.</p><lb/><p>Der Vesperwein möchte ſich anmuthig hier trinken laſſen, ſagte<lb/>
Herr Spazzo halb betrübt über das, was bevorſtand. Praxedis aber<lb/>
ordnete Tiſch und Sitze; der Herzogin Polſterſtuhl mit dem durch-<lb/>
brochenen Schnitzwerk lehnte ſich an den Stamm des Ahorns, niedrige<lb/>
Schemel für die Andern, ihre Laute holte ſie herunter und legte ſie<lb/>
auf den Tiſch, Burkard aber mußte einen großen Blumenſtrauß bin-<lb/>
den, der ward vor den Herzogsſitz geſtellt. Dann band die Griechin<lb/>
einen rothen Seidenfaden um den Baumſtamm, zog ihn bis zur<lb/>
Bohnenhecke hinüber und von dort zur Mauer, ſo daß nur ein ſchmaler<lb/>
Durchgang freiblieb. So! ſprach ſie vergnügt, jetzt iſt unſer Plauder-<lb/>ſaal umgrenzt und umfriedet wie König Laurins Roſengarten,<notexml:id="ed235"next="#edt235"place="end"n="235)"/> die<lb/>
Mauern ſind wohlfeil herzuſtellen.</p><lb/><p>Die Herzogin freute ſich ihres Einfalls, und ſchmückte ſich mit<lb/>
einer gewiſſen Abſicht. Es war noch früh am Abend, da ſtieg ſie<lb/>
zur Laube hinab. Blendend rauſchte die ſtolze Erſcheinung einher, ſie<lb/>
hatte ein weites Gewand umgethan, Saum und Aermel mit ſchim-<lb/>
merndem Gold durchſtickt, ein ſtahlgrauer mantelartiger Ueberwurf<lb/>
wallte bis zum Boden herab, von edelſteinbeſetzten Agraffen gehalten;<lb/>
über's Haupt trug ſie ein ſchleierartig Gewebe, licht und durchſichtig,<lb/>
von güldenem Stirnband anſchmiegend zuſammengefaltet. Sie griff<lb/>
eine Roſe aus Burkard's Strauß und heftete ſie zwiſchen Band und<lb/>
Schleier.</p><lb/><p>Der Kloſterſchüler, der ſchon nahe daran war, Klaſſiker und freie<lb/>
Künſte zu vergeſſen, hatte ſich die Gnade erbeten, der Herzogin Schleppe<lb/>
zu tragen und ihr zu Ehren ein Paar abenteuerliche Schnabelſchuhe,<lb/>
an beiden Seiten mit Ohren verſehen, angelegt,<notexml:id="ed236"next="#edt236"place="end"n="236)"/> und machte ſich<lb/>
verſchiedene Gedanken über das Glück, einer ſolchen Gebieterin als<lb/>
frommer Edelknabe zu dienen.</p><lb/><p>Praxedis und Herr Spazzo traten mit ein. Die Herzogin ſchaute<lb/>ſich flüchtig um: Iſt Meiſter Ekkehard, zu deſſen Belehrung wir den<lb/>
Abend geordnet, unſichtbar?</p><lb/></div></body></text></TEI>
[284/0306]
Stangen eingeſchlagen, von blauer Bohnenblüthe umrankt, dahin trug
Praxedis das Getüch an ſeinen andern Enden; in Kurzem hing die
ſchattige Decke über den luftigen Raum, die grauweiße Leinwand
ſchimmerte anmuthig zum Gelbgrün der Blätter und Ranken, es war
eine luſtige Gartenfriſche.
Der Vesperwein möchte ſich anmuthig hier trinken laſſen, ſagte
Herr Spazzo halb betrübt über das, was bevorſtand. Praxedis aber
ordnete Tiſch und Sitze; der Herzogin Polſterſtuhl mit dem durch-
brochenen Schnitzwerk lehnte ſich an den Stamm des Ahorns, niedrige
Schemel für die Andern, ihre Laute holte ſie herunter und legte ſie
auf den Tiſch, Burkard aber mußte einen großen Blumenſtrauß bin-
den, der ward vor den Herzogsſitz geſtellt. Dann band die Griechin
einen rothen Seidenfaden um den Baumſtamm, zog ihn bis zur
Bohnenhecke hinüber und von dort zur Mauer, ſo daß nur ein ſchmaler
Durchgang freiblieb. So! ſprach ſie vergnügt, jetzt iſt unſer Plauder-
ſaal umgrenzt und umfriedet wie König Laurins Roſengarten,
²³⁵⁾
die
Mauern ſind wohlfeil herzuſtellen.
Die Herzogin freute ſich ihres Einfalls, und ſchmückte ſich mit
einer gewiſſen Abſicht. Es war noch früh am Abend, da ſtieg ſie
zur Laube hinab. Blendend rauſchte die ſtolze Erſcheinung einher, ſie
hatte ein weites Gewand umgethan, Saum und Aermel mit ſchim-
merndem Gold durchſtickt, ein ſtahlgrauer mantelartiger Ueberwurf
wallte bis zum Boden herab, von edelſteinbeſetzten Agraffen gehalten;
über's Haupt trug ſie ein ſchleierartig Gewebe, licht und durchſichtig,
von güldenem Stirnband anſchmiegend zuſammengefaltet. Sie griff
eine Roſe aus Burkard's Strauß und heftete ſie zwiſchen Band und
Schleier.
Der Kloſterſchüler, der ſchon nahe daran war, Klaſſiker und freie
Künſte zu vergeſſen, hatte ſich die Gnade erbeten, der Herzogin Schleppe
zu tragen und ihr zu Ehren ein Paar abenteuerliche Schnabelſchuhe,
an beiden Seiten mit Ohren verſehen, angelegt,
²³⁶⁾
und machte ſich
verſchiedene Gedanken über das Glück, einer ſolchen Gebieterin als
frommer Edelknabe zu dienen.
Praxedis und Herr Spazzo traten mit ein. Die Herzogin ſchaute
ſich flüchtig um: Iſt Meiſter Ekkehard, zu deſſen Belehrung wir den
Abend geordnet, unſichtbar?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/306>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.