zu. Astronomie und Metrik, Aristoteles in der Ursprache und rothe Frauenlippen schwebten in tanzendem Durcheinander durch das fünf- zehnjährige Gemüth.
Gibt's keine besseren Leute zu küssen im hohentwieler Burgfrieden, Jungfräulein? fragte Herr Spazzo.
Wenn man je eine Sehnsucht hätte, war Praxedis' Antwort, so sind die besseren Leute ausgeritten und fahren in Nacht und Nebel herum und kommen erst am hellen Tag in einem Aussehen wieder heim, daß man meinen könnt', sie hätten Irrlichter einfangen wollen.
Da hatte Herr Spazzo seinen Theil. Er hatte aber ein Gelübde gethan, von seinem nächtlichen Ritt sammt Kukuksruf und vince luna kein Wörtlein zu verplaudern. Wozu soll ich Euch helfen? fragte er demüthig.
Eine Laube herrichten! sprach Praxedis. In abendlicher Som- merkühle will die Herzogin hier Hof halten -- es sollen Geschichten erzählt werden, alte Geschichten, Herr Kämmerer, je wunderbarer desto besser! Unsere Herrin hat das Lateinische satt bekommen, sie will was Anderes, Ungeschriebenes, Einheimisches ... Ihr müßt auch Euer Scherflein beitragen.
Gott sei meiner Seele gnädig! sprach Herr Spazzo, wenn unter einer Frauen Herrschaftführung nicht Alles wunderbar herging, so möcht' man sich noch verwundern. Gibt's keine fahrenden Singer und Saitenspieler mehr, die um einen Helm voll Weines und eine Hirschkeule die Kehle heiser singen von derlei Mähren? Da steigen wir hoch im Werth! Landflüchtige, Possenreißer, Barden und derlei müßige Gesellschaft soll man mit Ruthen aushauen, und wenn sie drum klagen, sei ihnen der Schatten eines Mannes an der Wand234) verabreicht als Entgelt. Ich dank' für die Ehre.
Ihr werdet thun, was befohlen wird, als getreuer Dienstmann, der noch Rechenschaft schuldig ist über gewisse Geschäftsführungen beim klösterlichen Weinkrug, sprach Praxedis. Es ist doch lustiger als La- tein buchstabiren. Habt Ihr keine Lust, den gelehrten Herrn Ekke- hard auszustechen?
Der Wink leuchtete dem Kämmerer ziemlich ein. Gebt mir den Tuchzipfel, sprach er, daß wir das Zeltdach spannen. Er stieg zum Ahorn auf und festigte die Enden im Geäst. Gegenüber waren hohe
zu. Aſtronomie und Metrik, Ariſtoteles in der Urſprache und rothe Frauenlippen ſchwebten in tanzendem Durcheinander durch das fünf- zehnjährige Gemüth.
Gibt's keine beſſeren Leute zu küſſen im hohentwieler Burgfrieden, Jungfräulein? fragte Herr Spazzo.
Wenn man je eine Sehnſucht hätte, war Praxedis' Antwort, ſo ſind die beſſeren Leute ausgeritten und fahren in Nacht und Nebel herum und kommen erſt am hellen Tag in einem Ausſehen wieder heim, daß man meinen könnt', ſie hätten Irrlichter einfangen wollen.
Da hatte Herr Spazzo ſeinen Theil. Er hatte aber ein Gelübde gethan, von ſeinem nächtlichen Ritt ſammt Kukuksruf und vince luna kein Wörtlein zu verplaudern. Wozu ſoll ich Euch helfen? fragte er demüthig.
Eine Laube herrichten! ſprach Praxedis. In abendlicher Som- merkühle will die Herzogin hier Hof halten — es ſollen Geſchichten erzählt werden, alte Geſchichten, Herr Kämmerer, je wunderbarer deſto beſſer! Unſere Herrin hat das Lateiniſche ſatt bekommen, ſie will was Anderes, Ungeſchriebenes, Einheimiſches ... Ihr müßt auch Euer Scherflein beitragen.
Gott ſei meiner Seele gnädig! ſprach Herr Spazzo, wenn unter einer Frauen Herrſchaftführung nicht Alles wunderbar herging, ſo möcht' man ſich noch verwundern. Gibt's keine fahrenden Singer und Saitenſpieler mehr, die um einen Helm voll Weines und eine Hirſchkeule die Kehle heiſer ſingen von derlei Mähren? Da ſteigen wir hoch im Werth! Landflüchtige, Poſſenreißer, Barden und derlei müßige Geſellſchaft ſoll man mit Ruthen aushauen, und wenn ſie drum klagen, ſei ihnen der Schatten eines Mannes an der Wand234) verabreicht als Entgelt. Ich dank' für die Ehre.
Ihr werdet thun, was befohlen wird, als getreuer Dienſtmann, der noch Rechenſchaft ſchuldig iſt über gewiſſe Geſchäftsführungen beim klöſterlichen Weinkrug, ſprach Praxedis. Es iſt doch luſtiger als La- tein buchſtabiren. Habt Ihr keine Luſt, den gelehrten Herrn Ekke- hard auszuſtechen?
Der Wink leuchtete dem Kämmerer ziemlich ein. Gebt mir den Tuchzipfel, ſprach er, daß wir das Zeltdach ſpannen. Er ſtieg zum Ahorn auf und feſtigte die Enden im Geäſt. Gegenüber waren hohe
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zu. Aſtronomie und Metrik, Ariſtoteles in der Urſprache und rothe
Frauenlippen ſchwebten in tanzendem Durcheinander durch das fünf-
zehnjährige Gemüth.
Gibt's keine beſſeren Leute zu küſſen im hohentwieler Burgfrieden,
Jungfräulein? fragte Herr Spazzo.
Wenn man je eine Sehnſucht hätte, war Praxedis' Antwort, ſo
ſind die beſſeren Leute ausgeritten und fahren in Nacht und Nebel
herum und kommen erſt am hellen Tag in einem Ausſehen wieder
heim, daß man meinen könnt', ſie hätten Irrlichter einfangen wollen.
Da hatte Herr Spazzo ſeinen Theil. Er hatte aber ein Gelübde
gethan, von ſeinem nächtlichen Ritt ſammt Kukuksruf und vince
luna kein Wörtlein zu verplaudern. Wozu ſoll ich Euch helfen?
fragte er demüthig.
Eine Laube herrichten! ſprach Praxedis. In abendlicher Som-
merkühle will die Herzogin hier Hof halten — es ſollen Geſchichten
erzählt werden, alte Geſchichten, Herr Kämmerer, je wunderbarer deſto
beſſer! Unſere Herrin hat das Lateiniſche ſatt bekommen, ſie will
was Anderes, Ungeſchriebenes, Einheimiſches ... Ihr müßt auch
Euer Scherflein beitragen.
Gott ſei meiner Seele gnädig! ſprach Herr Spazzo, wenn unter
einer Frauen Herrſchaftführung nicht Alles wunderbar herging, ſo
möcht' man ſich noch verwundern. Gibt's keine fahrenden Singer
und Saitenſpieler mehr, die um einen Helm voll Weines und eine
Hirſchkeule die Kehle heiſer ſingen von derlei Mähren? Da ſteigen
wir hoch im Werth! Landflüchtige, Poſſenreißer, Barden und derlei
müßige Geſellſchaft ſoll man mit Ruthen aushauen, und wenn ſie
drum klagen, ſei ihnen der Schatten eines Mannes an der Wand
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verabreicht als Entgelt. Ich dank' für die Ehre.
Ihr werdet thun, was befohlen wird, als getreuer Dienſtmann,
der noch Rechenſchaft ſchuldig iſt über gewiſſe Geſchäftsführungen beim
klöſterlichen Weinkrug, ſprach Praxedis. Es iſt doch luſtiger als La-
tein buchſtabiren. Habt Ihr keine Luſt, den gelehrten Herrn Ekke-
hard auszuſtechen?
Der Wink leuchtete dem Kämmerer ziemlich ein. Gebt mir den
Tuchzipfel, ſprach er, daß wir das Zeltdach ſpannen. Er ſtieg zum
Ahorn auf und feſtigte die Enden im Geäſt. Gegenüber waren hohe
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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