Ekkehard wollte ihr die Hand reichen; es däuchte ihm zuweilen, als sei Praxedis sein guter Engel. Da kam langsamen Hufschlages Herr Spazzo in Burghof eingeritten. Sein Haupt senkte sich dem Sattelknopf entgegen, bleiernes Lächeln war über das müde Antlitz gegossen, halb schlief er.
Euer Gesicht hat sich namhaft verändert seit gestern, rief ihm Praxedis zu. Warum fliegen keine Funken mehr unter Falada's Huf?
Er schaute mit stieren Augen zu ihr herab. Es flimmerte vor seinem Blick.
Bringt Ihr auch ein erklecklich Schmerzensgeld mit, Herr Käm- merer? fragte Praxedis.
Schmerzensgeld? für wen? sagte Herr Spazzo stumpf.
Für den armen Cappan! Ich glaube, Ihr habt eine Hand voll Mohnkörner gegessen, daß Ihr nimmer wisset warum Ihr ausgeritten ...
Mohnkörner, sprach Herr Spazzo mit dem gleichen Ausdruck, Mohn- körner? Nein. Aber Meersburger, rothen Meersburger, ungefü- gigen hundertschlündig224) zu trinkenden rothen Meersburger! ja!
Er stieg schwerfällig vom Roß und zog sich in seine Gemächer zurück. Der Bericht über seiner Sendung Erfolg blieb unerstattet. Praxedis schaute dem Kämmerer nach, sie begriff den Grund seiner bleischweren Gemüthsstimmung nicht ganz.
Habt Ihr noch nie davon erzählen gehört, daß einem gesetzten Manne Gras, Blumen und Klee und aller Kräuter Meisterschaft, die Würze und aller Steine Kraft, der Wald und alle Vögelein -- nicht so zur Erquickung frommen als ein alter Wein? sprach Ekkehard zur Ergänzung. Aber schon der jüdische Prophetenknabe sprach zum König Darius, da die Kriegsleute und Amtmänner aus Morgenland um den Thron standen und stritten, wer der stärkste sei: der Wein ist der stärkste, der überwältigt die Männer die ihn trinken und führt ihr Gemüthe in Irrthum.
Praxedis hatte sich weggewendet und stand an den Zinnen der Mauerbrüstung.
Sehet einmal hinunter, Sonne der Wissenschaft, sprach sie zu Ekke- hard, was kommt dort für ein sauber geistlich Männlein gewandelt?
Ekkehard beugte sich über die Mauer und schaute an der senkrecht aufstrebenden Felswand hinab. Zwischen den Stauden am Burgweg
Ekkehard wollte ihr die Hand reichen; es däuchte ihm zuweilen, als ſei Praxedis ſein guter Engel. Da kam langſamen Hufſchlages Herr Spazzo in Burghof eingeritten. Sein Haupt ſenkte ſich dem Sattelknopf entgegen, bleiernes Lächeln war über das müde Antlitz gegoſſen, halb ſchlief er.
Euer Geſicht hat ſich namhaft verändert ſeit geſtern, rief ihm Praxedis zu. Warum fliegen keine Funken mehr unter Falada's Huf?
Er ſchaute mit ſtieren Augen zu ihr herab. Es flimmerte vor ſeinem Blick.
Bringt Ihr auch ein erklecklich Schmerzensgeld mit, Herr Käm- merer? fragte Praxedis.
Schmerzensgeld? für wen? ſagte Herr Spazzo ſtumpf.
Für den armen Cappan! Ich glaube, Ihr habt eine Hand voll Mohnkörner gegeſſen, daß Ihr nimmer wiſſet warum Ihr ausgeritten ...
Mohnkörner, ſprach Herr Spazzo mit dem gleichen Ausdruck, Mohn- körner? Nein. Aber Meersburger, rothen Meersburger, ungefü- gigen hundertſchlündig224) zu trinkenden rothen Meersburger! ja!
Er ſtieg ſchwerfällig vom Roß und zog ſich in ſeine Gemächer zurück. Der Bericht über ſeiner Sendung Erfolg blieb unerſtattet. Praxedis ſchaute dem Kämmerer nach, ſie begriff den Grund ſeiner bleiſchweren Gemüthsſtimmung nicht ganz.
Habt Ihr noch nie davon erzählen gehört, daß einem geſetzten Manne Gras, Blumen und Klee und aller Kräuter Meiſterſchaft, die Würze und aller Steine Kraft, der Wald und alle Vögelein — nicht ſo zur Erquickung frommen als ein alter Wein? ſprach Ekkehard zur Ergänzung. Aber ſchon der jüdiſche Prophetenknabe ſprach zum König Darius, da die Kriegsleute und Amtmänner aus Morgenland um den Thron ſtanden und ſtritten, wer der ſtärkſte ſei: der Wein iſt der ſtärkſte, der überwältigt die Männer die ihn trinken und führt ihr Gemüthe in Irrthum.
Praxedis hatte ſich weggewendet und ſtand an den Zinnen der Mauerbrüſtung.
Sehet einmal hinunter, Sonne der Wiſſenſchaft, ſprach ſie zu Ekke- hard, was kommt dort für ein ſauber geiſtlich Männlein gewandelt?
Ekkehard beugte ſich über die Mauer und ſchaute an der ſenkrecht aufſtrebenden Felswand hinab. Zwiſchen den Stauden am Burgweg
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Ekkehard wollte ihr die Hand reichen; es däuchte ihm zuweilen,
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Herr Spazzo in Burghof eingeritten. Sein Haupt ſenkte ſich dem
Sattelknopf entgegen, bleiernes Lächeln war über das müde Antlitz
gegoſſen, halb ſchlief er.
Euer Geſicht hat ſich namhaft verändert ſeit geſtern, rief ihm
Praxedis zu. Warum fliegen keine Funken mehr unter Falada's Huf?
Er ſchaute mit ſtieren Augen zu ihr herab. Es flimmerte vor
ſeinem Blick.
Bringt Ihr auch ein erklecklich Schmerzensgeld mit, Herr Käm-
merer? fragte Praxedis.
Schmerzensgeld? für wen? ſagte Herr Spazzo ſtumpf.
Für den armen Cappan! Ich glaube, Ihr habt eine Hand voll
Mohnkörner gegeſſen, daß Ihr nimmer wiſſet warum Ihr ausgeritten ...
Mohnkörner, ſprach Herr Spazzo mit dem gleichen Ausdruck, Mohn-
körner? Nein. Aber Meersburger, rothen Meersburger, ungefü-
gigen hundertſchlündig
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zu trinkenden rothen Meersburger! ja!
Er ſtieg ſchwerfällig vom Roß und zog ſich in ſeine Gemächer
zurück. Der Bericht über ſeiner Sendung Erfolg blieb unerſtattet.
Praxedis ſchaute dem Kämmerer nach, ſie begriff den Grund ſeiner
bleiſchweren Gemüthsſtimmung nicht ganz.
Habt Ihr noch nie davon erzählen gehört, daß einem geſetzten
Manne Gras, Blumen und Klee und aller Kräuter Meiſterſchaft, die
Würze und aller Steine Kraft, der Wald und alle Vögelein — nicht
ſo zur Erquickung frommen als ein alter Wein? ſprach Ekkehard zur
Ergänzung. Aber ſchon der jüdiſche Prophetenknabe ſprach zum König
Darius, da die Kriegsleute und Amtmänner aus Morgenland um
den Thron ſtanden und ſtritten, wer der ſtärkſte ſei: der Wein iſt der
ſtärkſte, der überwältigt die Männer die ihn trinken und führt ihr
Gemüthe in Irrthum.
Praxedis hatte ſich weggewendet und ſtand an den Zinnen der
Mauerbrüſtung.
Sehet einmal hinunter, Sonne der Wiſſenſchaft, ſprach ſie zu Ekke-
hard, was kommt dort für ein ſauber geiſtlich Männlein gewandelt?
Ekkehard beugte ſich über die Mauer und ſchaute an der ſenkrecht
aufſtrebenden Felswand hinab. Zwiſchen den Stauden am Burgweg
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/292>, abgerufen am 04.07.2024.
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