Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Im Klosterhof ward sein Roß gesattelt. Der blödsinnige Heribald
schlich sich draußen herum, er hatte ein groß Stück Zunder in der
Küche geholt und gedachte dasselbe brennend des Kämmerers Roß in
die Nüstern zu legen, daß es ihn räche für den flachen Hieb. Jetzt
kam Herr Spazzo heraus, er hatte die Reste seiner Würde zusammen-
gerafft. Ein Diener mit einer Fackel leuchtete.

Der Abt hatte ihm an der obern Pforte Valet gewinkt.

Herr Spazzo stieg auf seinen treuen Rappen Falada, ebenso schnell
gleitete er auf der rechten Seite wieder herab. Heribald sprang bei,
ihn aufzufangen, der Kämmerer fiel ihm in die Arme, des Mönchs
Bart streifte stechend seine Stirn.

Bist du auch da, Elbentrötsch!221) weiser König Salomo! lallte
Herr Spazzo, sei mein Freund! Er küßte ihn, da hob ihn Heribald
auf's Roß und warf seinen Zunder weg und trat darauf. Eia, gnä-
diger Herr, rief er ihm zu, kommet recht wohl nach Hause! Ihr seid
anders bei uns eingeritten wie die Hunnen, darum reitet Ihr aber
auch anders von dannen, wie sie, und sie haben sich doch auch auf's
Weintrinken verstanden.

Herr Spazzo drückte den Eisenhut auf's Haupt, fest griff er die
Zügel; es preßte ihm noch etwas das Herz, er kämpfte mit der lahm-
gewordenen Zunge. Itzt kam ein Stück verlorener Kraft wieder, er
hob sich im Sattel, die Stimme gehorchte.

Und den landesherrlichen Rechten soll durch klösterliche Anmaßung
kein Eintrag geschehen! rief er, daß es durch die stille Nacht des
Klosterhofs dröhnte.

Zu derselben Zeit berichtete Rudimann dem Abt über den Erfolg
seiner Sendung zur Herzogin.

Herr Spazzo ritt ab. Dem Diener, der mit der Fackel leuchtete,
hatte er einen güldenen Fingerring zugeworfen. Darum ging der
Fackelträger noch weit mit ihm bis zum schmalen Pfad, der über den
See führte.

Bald war er am jenseitigen Ufer. Kühl wehte die Nachtluft um
das heiße Haupt des Reiters. Er lachte vor sich hin. Die Zügel
hielt er gepreßt in der Rechten. Der Mond schien auf den Weg.
Dunkel Gewölk ballte sich fern um die Häupter der helvetischen Berge.
Jetzt ritt Herr Spazzo in den Tannwald ein. Laut und gemessen

Im Kloſterhof ward ſein Roß geſattelt. Der blödſinnige Heribald
ſchlich ſich draußen herum, er hatte ein groß Stück Zunder in der
Küche geholt und gedachte daſſelbe brennend des Kämmerers Roß in
die Nüſtern zu legen, daß es ihn räche für den flachen Hieb. Jetzt
kam Herr Spazzo heraus, er hatte die Reſte ſeiner Würde zuſammen-
gerafft. Ein Diener mit einer Fackel leuchtete.

Der Abt hatte ihm an der obern Pforte Valet gewinkt.

Herr Spazzo ſtieg auf ſeinen treuen Rappen Falada, ebenſo ſchnell
gleitete er auf der rechten Seite wieder herab. Heribald ſprang bei,
ihn aufzufangen, der Kämmerer fiel ihm in die Arme, des Mönchs
Bart ſtreifte ſtechend ſeine Stirn.

Biſt du auch da, Elbentrötſch!221) weiſer König Salomo! lallte
Herr Spazzo, ſei mein Freund! Er küßte ihn, da hob ihn Heribald
auf's Roß und warf ſeinen Zunder weg und trat darauf. Eia, gnä-
diger Herr, rief er ihm zu, kommet recht wohl nach Hauſe! Ihr ſeid
anders bei uns eingeritten wie die Hunnen, darum reitet Ihr aber
auch anders von dannen, wie ſie, und ſie haben ſich doch auch auf's
Weintrinken verſtanden.

Herr Spazzo drückte den Eiſenhut auf's Haupt, feſt griff er die
Zügel; es preßte ihm noch etwas das Herz, er kämpfte mit der lahm-
gewordenen Zunge. Itzt kam ein Stück verlorener Kraft wieder, er
hob ſich im Sattel, die Stimme gehorchte.

Und den landesherrlichen Rechten ſoll durch klöſterliche Anmaßung
kein Eintrag geſchehen! rief er, daß es durch die ſtille Nacht des
Kloſterhofs dröhnte.

Zu derſelben Zeit berichtete Rudimann dem Abt über den Erfolg
ſeiner Sendung zur Herzogin.

Herr Spazzo ritt ab. Dem Diener, der mit der Fackel leuchtete,
hatte er einen güldenen Fingerring zugeworfen. Darum ging der
Fackelträger noch weit mit ihm bis zum ſchmalen Pfad, der über den
See führte.

Bald war er am jenſeitigen Ufer. Kühl wehte die Nachtluft um
das heiße Haupt des Reiters. Er lachte vor ſich hin. Die Zügel
hielt er gepreßt in der Rechten. Der Mond ſchien auf den Weg.
Dunkel Gewölk ballte ſich fern um die Häupter der helvetiſchen Berge.
Jetzt ritt Herr Spazzo in den Tannwald ein. Laut und gemeſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0286" n="264"/>
        <p>Im Klo&#x017F;terhof ward &#x017F;ein Roß ge&#x017F;attelt. Der blöd&#x017F;innige Heribald<lb/>
&#x017F;chlich &#x017F;ich draußen herum, er hatte ein groß Stück Zunder in der<lb/>
Küche geholt und gedachte da&#x017F;&#x017F;elbe brennend des Kämmerers Roß in<lb/>
die Nü&#x017F;tern zu legen, daß es ihn räche für den flachen Hieb. Jetzt<lb/>
kam Herr Spazzo heraus, er hatte die Re&#x017F;te &#x017F;einer Würde zu&#x017F;ammen-<lb/>
gerafft. Ein Diener mit einer Fackel leuchtete.</p><lb/>
        <p>Der Abt hatte ihm an der obern Pforte Valet gewinkt.</p><lb/>
        <p>Herr Spazzo &#x017F;tieg auf &#x017F;einen treuen Rappen Falada, eben&#x017F;o &#x017F;chnell<lb/>
gleitete er auf der rechten Seite wieder herab. Heribald &#x017F;prang bei,<lb/>
ihn aufzufangen, der Kämmerer fiel ihm in die Arme, des Mönchs<lb/>
Bart &#x017F;treifte &#x017F;techend &#x017F;eine Stirn.</p><lb/>
        <p>Bi&#x017F;t du auch da, Elbentröt&#x017F;ch!<note xml:id="ed221" next="#edt221" place="end" n="221)"/> wei&#x017F;er König Salomo! lallte<lb/>
Herr Spazzo, &#x017F;ei mein Freund! Er küßte ihn, da hob ihn Heribald<lb/>
auf's Roß und warf &#x017F;einen Zunder weg und trat darauf. Eia, gnä-<lb/>
diger Herr, rief er ihm zu, kommet recht wohl nach Hau&#x017F;e! Ihr &#x017F;eid<lb/>
anders bei uns eingeritten wie die Hunnen, darum reitet Ihr aber<lb/>
auch anders von dannen, wie &#x017F;ie, und &#x017F;ie haben &#x017F;ich doch auch auf's<lb/>
Weintrinken ver&#x017F;tanden.</p><lb/>
        <p>Herr Spazzo drückte den Ei&#x017F;enhut auf's Haupt, fe&#x017F;t griff er die<lb/>
Zügel; es preßte ihm noch etwas das Herz, er kämpfte mit der lahm-<lb/>
gewordenen Zunge. Itzt kam ein Stück verlorener Kraft wieder, er<lb/>
hob &#x017F;ich im Sattel, die Stimme gehorchte.</p><lb/>
        <p>Und den landesherrlichen Rechten &#x017F;oll durch klö&#x017F;terliche Anmaßung<lb/>
kein Eintrag ge&#x017F;chehen! rief er, daß es durch die &#x017F;tille Nacht des<lb/>
Klo&#x017F;terhofs dröhnte.</p><lb/>
        <p>Zu der&#x017F;elben Zeit berichtete Rudimann dem Abt über den Erfolg<lb/>
&#x017F;einer Sendung zur Herzogin.</p><lb/>
        <p>Herr Spazzo ritt ab. Dem Diener, der mit der Fackel leuchtete,<lb/>
hatte er einen güldenen Fingerring zugeworfen. Darum ging der<lb/>
Fackelträger noch weit mit ihm bis zum &#x017F;chmalen Pfad, der über den<lb/>
See führte.</p><lb/>
        <p>Bald war er am jen&#x017F;eitigen Ufer. Kühl wehte die Nachtluft um<lb/>
das heiße Haupt des Reiters. Er lachte vor &#x017F;ich hin. Die Zügel<lb/>
hielt er gepreßt in der Rechten. Der Mond &#x017F;chien auf den Weg.<lb/>
Dunkel Gewölk ballte &#x017F;ich fern um die Häupter der helveti&#x017F;chen Berge.<lb/>
Jetzt ritt Herr Spazzo in den Tannwald ein. Laut und geme&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0286] Im Kloſterhof ward ſein Roß geſattelt. Der blödſinnige Heribald ſchlich ſich draußen herum, er hatte ein groß Stück Zunder in der Küche geholt und gedachte daſſelbe brennend des Kämmerers Roß in die Nüſtern zu legen, daß es ihn räche für den flachen Hieb. Jetzt kam Herr Spazzo heraus, er hatte die Reſte ſeiner Würde zuſammen- gerafft. Ein Diener mit einer Fackel leuchtete. Der Abt hatte ihm an der obern Pforte Valet gewinkt. Herr Spazzo ſtieg auf ſeinen treuen Rappen Falada, ebenſo ſchnell gleitete er auf der rechten Seite wieder herab. Heribald ſprang bei, ihn aufzufangen, der Kämmerer fiel ihm in die Arme, des Mönchs Bart ſtreifte ſtechend ſeine Stirn. Biſt du auch da, Elbentrötſch! ²²¹⁾ weiſer König Salomo! lallte Herr Spazzo, ſei mein Freund! Er küßte ihn, da hob ihn Heribald auf's Roß und warf ſeinen Zunder weg und trat darauf. Eia, gnä- diger Herr, rief er ihm zu, kommet recht wohl nach Hauſe! Ihr ſeid anders bei uns eingeritten wie die Hunnen, darum reitet Ihr aber auch anders von dannen, wie ſie, und ſie haben ſich doch auch auf's Weintrinken verſtanden. Herr Spazzo drückte den Eiſenhut auf's Haupt, feſt griff er die Zügel; es preßte ihm noch etwas das Herz, er kämpfte mit der lahm- gewordenen Zunge. Itzt kam ein Stück verlorener Kraft wieder, er hob ſich im Sattel, die Stimme gehorchte. Und den landesherrlichen Rechten ſoll durch klöſterliche Anmaßung kein Eintrag geſchehen! rief er, daß es durch die ſtille Nacht des Kloſterhofs dröhnte. Zu derſelben Zeit berichtete Rudimann dem Abt über den Erfolg ſeiner Sendung zur Herzogin. Herr Spazzo ritt ab. Dem Diener, der mit der Fackel leuchtete, hatte er einen güldenen Fingerring zugeworfen. Darum ging der Fackelträger noch weit mit ihm bis zum ſchmalen Pfad, der über den See führte. Bald war er am jenſeitigen Ufer. Kühl wehte die Nachtluft um das heiße Haupt des Reiters. Er lachte vor ſich hin. Die Zügel hielt er gepreßt in der Rechten. Der Mond ſchien auf den Weg. Dunkel Gewölk ballte ſich fern um die Häupter der helvetiſchen Berge. Jetzt ritt Herr Spazzo in den Tannwald ein. Laut und gemeſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/286
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/286>, abgerufen am 24.11.2024.