Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Männer vom Schlangenhof schauten einander an; allmälig
wurden sie stumm, dann machte Einer im Kreise Kehrt und ging feld-
einwärts, Andere folgten, zuletzt stand der Klostermaier allein: Ihr
haltet's mit dem Landverderber! rief er zürnend, aber Ekkehard ant-
wortete nicht, da ließ auch er den erhobenen Stein zur Erde sinken
und ging brummend von dannen.

Cappan war übel zugerichtet. Auf einem Rücken, den alleman-
nische Bauernfäuste durchgearbeitet, wächst Jahre lang kein Gras.
Der Steinwurf hatte eine Wunde in Kopf geschlagen, die blutete
stark. Ekkehard wusch ihm das Haupt mit Regenwasser und machte
das Zeichen des Kreuzes drüber, das rinnende Blut zu stillen, dann
verband er ihn nothdürftig. Er gedachte ans Evangelium vom barm-
herzigen Samaritaner. Der wunde Mann schaute dankbar aus den
gekniffenen Augen zu ihm empor. Langsam führte ihn Ekkehard zur
Burg hinauf, er mußte ihm zureden bis er's wagte sich auf seinen
Arm zu stützen. Auch der Fuß mit der Narbe aus der Hunnenschlacht
that ihm weh; stöhnend hinkte er bergaufwärts.

Auf dem hohen Twiel gab's großen Lärm wie sie ankamen. Alle
waren dem Hunnen gut. Die Herzogin kam in Hof herunter, sie
nickte Ekkehard freundlich zu ob seiner Barmherzigkeit. Der Kloster-
leute Frevel an ihrem Unterthan versetzte sie in zürnende Aufregung.

Das soll nicht vergessen sein, sprach sie; sei getrost, Mausfänger!
sie sollen dir ein Wehrgeld zahlen für den wunden Schädel, das einer
Aussteuer gleich kommt. Und für den gestörten Herzogsfrieden setzen
wir ihnen die höchste Buße, zehn Pfund Silbers soll nicht genug sein.
Die Klosterleute werden frech wie ihre Herren.

Am wildesten war Herr Spazzo der Kämmerer. Hab' ich darum
mein Schwert von seinem Haupt zurückgezuckt, schalt er, wie er mit
zerstochenem Schenkel vor mir lag, daß ihm's die Lümmel vom
Schlangenhof mit Feldsteinen pflastern sollen? Und wenn er auch
unser Feind war, jetzt ist er getauft und ich bin sein Pathe und hab'
für seiner Seele und seines Leibes Heil Sorge zu tragen. Sei vergnügt,
Pathenkind! rief er ihm zu und klirrte mit seinem Schwert auf dem
Steinboden, wenn deine Schramme geflickt ist, begleit' ich dich zum
ersten Spaziergang, da wollen wir mit dem Klostermaier rechnen,
Hagel und Wetter, rechnen wollen wir, daß ihm die Spähne vom

Die Männer vom Schlangenhof ſchauten einander an; allmälig
wurden ſie ſtumm, dann machte Einer im Kreiſe Kehrt und ging feld-
einwärts, Andere folgten, zuletzt ſtand der Kloſtermaier allein: Ihr
haltet's mit dem Landverderber! rief er zürnend, aber Ekkehard ant-
wortete nicht, da ließ auch er den erhobenen Stein zur Erde ſinken
und ging brummend von dannen.

Cappan war übel zugerichtet. Auf einem Rücken, den alleman-
niſche Bauernfäuſte durchgearbeitet, wächst Jahre lang kein Gras.
Der Steinwurf hatte eine Wunde in Kopf geſchlagen, die blutete
ſtark. Ekkehard wuſch ihm das Haupt mit Regenwaſſer und machte
das Zeichen des Kreuzes drüber, das rinnende Blut zu ſtillen, dann
verband er ihn nothdürftig. Er gedachte ans Evangelium vom barm-
herzigen Samaritaner. Der wunde Mann ſchaute dankbar aus den
gekniffenen Augen zu ihm empor. Langſam führte ihn Ekkehard zur
Burg hinauf, er mußte ihm zureden bis er's wagte ſich auf ſeinen
Arm zu ſtützen. Auch der Fuß mit der Narbe aus der Hunnenſchlacht
that ihm weh; ſtöhnend hinkte er bergaufwärts.

Auf dem hohen Twiel gab's großen Lärm wie ſie ankamen. Alle
waren dem Hunnen gut. Die Herzogin kam in Hof herunter, ſie
nickte Ekkehard freundlich zu ob ſeiner Barmherzigkeit. Der Kloſter-
leute Frevel an ihrem Unterthan verſetzte ſie in zürnende Aufregung.

Das ſoll nicht vergeſſen ſein, ſprach ſie; ſei getroſt, Mausfänger!
ſie ſollen dir ein Wehrgeld zahlen für den wunden Schädel, das einer
Ausſteuer gleich kommt. Und für den geſtörten Herzogsfrieden ſetzen
wir ihnen die höchſte Buße, zehn Pfund Silbers ſoll nicht genug ſein.
Die Kloſterleute werden frech wie ihre Herren.

Am wildeſten war Herr Spazzo der Kämmerer. Hab' ich darum
mein Schwert von ſeinem Haupt zurückgezuckt, ſchalt er, wie er mit
zerſtochenem Schenkel vor mir lag, daß ihm's die Lümmel vom
Schlangenhof mit Feldſteinen pflaſtern ſollen? Und wenn er auch
unſer Feind war, jetzt iſt er getauft und ich bin ſein Pathe und hab'
für ſeiner Seele und ſeines Leibes Heil Sorge zu tragen. Sei vergnügt,
Pathenkind! rief er ihm zu und klirrte mit ſeinem Schwert auf dem
Steinboden, wenn deine Schramme geflickt iſt, begleit' ich dich zum
erſten Spaziergang, da wollen wir mit dem Kloſtermaier rechnen,
Hagel und Wetter, rechnen wollen wir, daß ihm die Spähne vom

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0277" n="255"/>
        <p>Die Männer vom Schlangenhof &#x017F;chauten einander an; allmälig<lb/>
wurden &#x017F;ie &#x017F;tumm, dann machte Einer im Krei&#x017F;e Kehrt und ging feld-<lb/>
einwärts, Andere folgten, zuletzt &#x017F;tand der Klo&#x017F;termaier allein: Ihr<lb/>
haltet's mit dem Landverderber! rief er zürnend, aber Ekkehard ant-<lb/>
wortete nicht, da ließ auch er den erhobenen Stein zur Erde &#x017F;inken<lb/>
und ging brummend von dannen.</p><lb/>
        <p>Cappan war übel zugerichtet. Auf einem Rücken, den alleman-<lb/>
ni&#x017F;che Bauernfäu&#x017F;te durchgearbeitet, wächst Jahre lang kein Gras.<lb/>
Der Steinwurf hatte eine Wunde in Kopf ge&#x017F;chlagen, die blutete<lb/>
&#x017F;tark. Ekkehard wu&#x017F;ch ihm das Haupt mit Regenwa&#x017F;&#x017F;er und machte<lb/>
das Zeichen des Kreuzes drüber, das rinnende Blut zu &#x017F;tillen, dann<lb/>
verband er ihn nothdürftig. Er gedachte ans Evangelium vom barm-<lb/>
herzigen Samaritaner. Der wunde Mann &#x017F;chaute dankbar aus den<lb/>
gekniffenen Augen zu ihm empor. Lang&#x017F;am führte ihn Ekkehard zur<lb/>
Burg hinauf, er mußte ihm zureden bis er's wagte &#x017F;ich auf &#x017F;einen<lb/>
Arm zu &#x017F;tützen. Auch der Fuß mit der Narbe aus der Hunnen&#x017F;chlacht<lb/>
that ihm weh; &#x017F;töhnend hinkte er bergaufwärts.</p><lb/>
        <p>Auf dem hohen Twiel gab's großen Lärm wie &#x017F;ie ankamen. Alle<lb/>
waren dem Hunnen gut. Die Herzogin kam in Hof herunter, &#x017F;ie<lb/>
nickte Ekkehard freundlich zu ob &#x017F;einer Barmherzigkeit. Der Klo&#x017F;ter-<lb/>
leute Frevel an ihrem Unterthan ver&#x017F;etzte &#x017F;ie in zürnende Aufregung.</p><lb/>
        <p>Das &#x017F;oll nicht verge&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein, &#x017F;prach &#x017F;ie; &#x017F;ei getro&#x017F;t, Mausfänger!<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ollen dir ein Wehrgeld zahlen für den wunden Schädel, das einer<lb/>
Aus&#x017F;teuer gleich kommt. Und für den ge&#x017F;törten Herzogsfrieden &#x017F;etzen<lb/>
wir ihnen die höch&#x017F;te Buße, zehn Pfund Silbers &#x017F;oll nicht genug &#x017F;ein.<lb/>
Die Klo&#x017F;terleute werden frech wie ihre Herren.</p><lb/>
        <p>Am wilde&#x017F;ten war Herr Spazzo der Kämmerer. Hab' ich darum<lb/>
mein Schwert von &#x017F;einem Haupt zurückgezuckt, &#x017F;chalt er, wie er mit<lb/>
zer&#x017F;tochenem Schenkel vor mir lag, daß ihm's die Lümmel vom<lb/>
Schlangenhof mit Feld&#x017F;teinen pfla&#x017F;tern &#x017F;ollen? Und wenn er auch<lb/>
un&#x017F;er Feind war, jetzt i&#x017F;t er getauft und ich bin &#x017F;ein Pathe und hab'<lb/>
für &#x017F;einer Seele und &#x017F;eines Leibes Heil Sorge zu tragen. Sei vergnügt,<lb/>
Pathenkind! rief er ihm zu und klirrte mit &#x017F;einem Schwert auf dem<lb/>
Steinboden, wenn deine Schramme geflickt i&#x017F;t, begleit' ich dich zum<lb/>
er&#x017F;ten Spaziergang, da wollen wir mit dem Klo&#x017F;termaier rechnen,<lb/>
Hagel und Wetter, rechnen wollen wir, daß ihm die Spähne vom<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0277] Die Männer vom Schlangenhof ſchauten einander an; allmälig wurden ſie ſtumm, dann machte Einer im Kreiſe Kehrt und ging feld- einwärts, Andere folgten, zuletzt ſtand der Kloſtermaier allein: Ihr haltet's mit dem Landverderber! rief er zürnend, aber Ekkehard ant- wortete nicht, da ließ auch er den erhobenen Stein zur Erde ſinken und ging brummend von dannen. Cappan war übel zugerichtet. Auf einem Rücken, den alleman- niſche Bauernfäuſte durchgearbeitet, wächst Jahre lang kein Gras. Der Steinwurf hatte eine Wunde in Kopf geſchlagen, die blutete ſtark. Ekkehard wuſch ihm das Haupt mit Regenwaſſer und machte das Zeichen des Kreuzes drüber, das rinnende Blut zu ſtillen, dann verband er ihn nothdürftig. Er gedachte ans Evangelium vom barm- herzigen Samaritaner. Der wunde Mann ſchaute dankbar aus den gekniffenen Augen zu ihm empor. Langſam führte ihn Ekkehard zur Burg hinauf, er mußte ihm zureden bis er's wagte ſich auf ſeinen Arm zu ſtützen. Auch der Fuß mit der Narbe aus der Hunnenſchlacht that ihm weh; ſtöhnend hinkte er bergaufwärts. Auf dem hohen Twiel gab's großen Lärm wie ſie ankamen. Alle waren dem Hunnen gut. Die Herzogin kam in Hof herunter, ſie nickte Ekkehard freundlich zu ob ſeiner Barmherzigkeit. Der Kloſter- leute Frevel an ihrem Unterthan verſetzte ſie in zürnende Aufregung. Das ſoll nicht vergeſſen ſein, ſprach ſie; ſei getroſt, Mausfänger! ſie ſollen dir ein Wehrgeld zahlen für den wunden Schädel, das einer Ausſteuer gleich kommt. Und für den geſtörten Herzogsfrieden ſetzen wir ihnen die höchſte Buße, zehn Pfund Silbers ſoll nicht genug ſein. Die Kloſterleute werden frech wie ihre Herren. Am wildeſten war Herr Spazzo der Kämmerer. Hab' ich darum mein Schwert von ſeinem Haupt zurückgezuckt, ſchalt er, wie er mit zerſtochenem Schenkel vor mir lag, daß ihm's die Lümmel vom Schlangenhof mit Feldſteinen pflaſtern ſollen? Und wenn er auch unſer Feind war, jetzt iſt er getauft und ich bin ſein Pathe und hab' für ſeiner Seele und ſeines Leibes Heil Sorge zu tragen. Sei vergnügt, Pathenkind! rief er ihm zu und klirrte mit ſeinem Schwert auf dem Steinboden, wenn deine Schramme geflickt iſt, begleit' ich dich zum erſten Spaziergang, da wollen wir mit dem Kloſtermaier rechnen, Hagel und Wetter, rechnen wollen wir, daß ihm die Spähne vom

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/277
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/277>, abgerufen am 28.11.2024.