Die Männer vom Schlangenhof schauten einander an; allmälig wurden sie stumm, dann machte Einer im Kreise Kehrt und ging feld- einwärts, Andere folgten, zuletzt stand der Klostermaier allein: Ihr haltet's mit dem Landverderber! rief er zürnend, aber Ekkehard ant- wortete nicht, da ließ auch er den erhobenen Stein zur Erde sinken und ging brummend von dannen.
Cappan war übel zugerichtet. Auf einem Rücken, den alleman- nische Bauernfäuste durchgearbeitet, wächst Jahre lang kein Gras. Der Steinwurf hatte eine Wunde in Kopf geschlagen, die blutete stark. Ekkehard wusch ihm das Haupt mit Regenwasser und machte das Zeichen des Kreuzes drüber, das rinnende Blut zu stillen, dann verband er ihn nothdürftig. Er gedachte ans Evangelium vom barm- herzigen Samaritaner. Der wunde Mann schaute dankbar aus den gekniffenen Augen zu ihm empor. Langsam führte ihn Ekkehard zur Burg hinauf, er mußte ihm zureden bis er's wagte sich auf seinen Arm zu stützen. Auch der Fuß mit der Narbe aus der Hunnenschlacht that ihm weh; stöhnend hinkte er bergaufwärts.
Auf dem hohen Twiel gab's großen Lärm wie sie ankamen. Alle waren dem Hunnen gut. Die Herzogin kam in Hof herunter, sie nickte Ekkehard freundlich zu ob seiner Barmherzigkeit. Der Kloster- leute Frevel an ihrem Unterthan versetzte sie in zürnende Aufregung.
Das soll nicht vergessen sein, sprach sie; sei getrost, Mausfänger! sie sollen dir ein Wehrgeld zahlen für den wunden Schädel, das einer Aussteuer gleich kommt. Und für den gestörten Herzogsfrieden setzen wir ihnen die höchste Buße, zehn Pfund Silbers soll nicht genug sein. Die Klosterleute werden frech wie ihre Herren.
Am wildesten war Herr Spazzo der Kämmerer. Hab' ich darum mein Schwert von seinem Haupt zurückgezuckt, schalt er, wie er mit zerstochenem Schenkel vor mir lag, daß ihm's die Lümmel vom Schlangenhof mit Feldsteinen pflastern sollen? Und wenn er auch unser Feind war, jetzt ist er getauft und ich bin sein Pathe und hab' für seiner Seele und seines Leibes Heil Sorge zu tragen. Sei vergnügt, Pathenkind! rief er ihm zu und klirrte mit seinem Schwert auf dem Steinboden, wenn deine Schramme geflickt ist, begleit' ich dich zum ersten Spaziergang, da wollen wir mit dem Klostermaier rechnen, Hagel und Wetter, rechnen wollen wir, daß ihm die Spähne vom
Die Männer vom Schlangenhof ſchauten einander an; allmälig wurden ſie ſtumm, dann machte Einer im Kreiſe Kehrt und ging feld- einwärts, Andere folgten, zuletzt ſtand der Kloſtermaier allein: Ihr haltet's mit dem Landverderber! rief er zürnend, aber Ekkehard ant- wortete nicht, da ließ auch er den erhobenen Stein zur Erde ſinken und ging brummend von dannen.
Cappan war übel zugerichtet. Auf einem Rücken, den alleman- niſche Bauernfäuſte durchgearbeitet, wächst Jahre lang kein Gras. Der Steinwurf hatte eine Wunde in Kopf geſchlagen, die blutete ſtark. Ekkehard wuſch ihm das Haupt mit Regenwaſſer und machte das Zeichen des Kreuzes drüber, das rinnende Blut zu ſtillen, dann verband er ihn nothdürftig. Er gedachte ans Evangelium vom barm- herzigen Samaritaner. Der wunde Mann ſchaute dankbar aus den gekniffenen Augen zu ihm empor. Langſam führte ihn Ekkehard zur Burg hinauf, er mußte ihm zureden bis er's wagte ſich auf ſeinen Arm zu ſtützen. Auch der Fuß mit der Narbe aus der Hunnenſchlacht that ihm weh; ſtöhnend hinkte er bergaufwärts.
Auf dem hohen Twiel gab's großen Lärm wie ſie ankamen. Alle waren dem Hunnen gut. Die Herzogin kam in Hof herunter, ſie nickte Ekkehard freundlich zu ob ſeiner Barmherzigkeit. Der Kloſter- leute Frevel an ihrem Unterthan verſetzte ſie in zürnende Aufregung.
Das ſoll nicht vergeſſen ſein, ſprach ſie; ſei getroſt, Mausfänger! ſie ſollen dir ein Wehrgeld zahlen für den wunden Schädel, das einer Ausſteuer gleich kommt. Und für den geſtörten Herzogsfrieden ſetzen wir ihnen die höchſte Buße, zehn Pfund Silbers ſoll nicht genug ſein. Die Kloſterleute werden frech wie ihre Herren.
Am wildeſten war Herr Spazzo der Kämmerer. Hab' ich darum mein Schwert von ſeinem Haupt zurückgezuckt, ſchalt er, wie er mit zerſtochenem Schenkel vor mir lag, daß ihm's die Lümmel vom Schlangenhof mit Feldſteinen pflaſtern ſollen? Und wenn er auch unſer Feind war, jetzt iſt er getauft und ich bin ſein Pathe und hab' für ſeiner Seele und ſeines Leibes Heil Sorge zu tragen. Sei vergnügt, Pathenkind! rief er ihm zu und klirrte mit ſeinem Schwert auf dem Steinboden, wenn deine Schramme geflickt iſt, begleit' ich dich zum erſten Spaziergang, da wollen wir mit dem Kloſtermaier rechnen, Hagel und Wetter, rechnen wollen wir, daß ihm die Spähne vom
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0277"n="255"/><p>Die Männer vom Schlangenhof ſchauten einander an; allmälig<lb/>
wurden ſie ſtumm, dann machte Einer im Kreiſe Kehrt und ging feld-<lb/>
einwärts, Andere folgten, zuletzt ſtand der Kloſtermaier allein: Ihr<lb/>
haltet's mit dem Landverderber! rief er zürnend, aber Ekkehard ant-<lb/>
wortete nicht, da ließ auch er den erhobenen Stein zur Erde ſinken<lb/>
und ging brummend von dannen.</p><lb/><p>Cappan war übel zugerichtet. Auf einem Rücken, den alleman-<lb/>
niſche Bauernfäuſte durchgearbeitet, wächst Jahre lang kein Gras.<lb/>
Der Steinwurf hatte eine Wunde in Kopf geſchlagen, die blutete<lb/>ſtark. Ekkehard wuſch ihm das Haupt mit Regenwaſſer und machte<lb/>
das Zeichen des Kreuzes drüber, das rinnende Blut zu ſtillen, dann<lb/>
verband er ihn nothdürftig. Er gedachte ans Evangelium vom barm-<lb/>
herzigen Samaritaner. Der wunde Mann ſchaute dankbar aus den<lb/>
gekniffenen Augen zu ihm empor. Langſam führte ihn Ekkehard zur<lb/>
Burg hinauf, er mußte ihm zureden bis er's wagte ſich auf ſeinen<lb/>
Arm zu ſtützen. Auch der Fuß mit der Narbe aus der Hunnenſchlacht<lb/>
that ihm weh; ſtöhnend hinkte er bergaufwärts.</p><lb/><p>Auf dem hohen Twiel gab's großen Lärm wie ſie ankamen. Alle<lb/>
waren dem Hunnen gut. Die Herzogin kam in Hof herunter, ſie<lb/>
nickte Ekkehard freundlich zu ob ſeiner Barmherzigkeit. Der Kloſter-<lb/>
leute Frevel an ihrem Unterthan verſetzte ſie in zürnende Aufregung.</p><lb/><p>Das ſoll nicht vergeſſen ſein, ſprach ſie; ſei getroſt, Mausfänger!<lb/>ſie ſollen dir ein Wehrgeld zahlen für den wunden Schädel, das einer<lb/>
Ausſteuer gleich kommt. Und für den geſtörten Herzogsfrieden ſetzen<lb/>
wir ihnen die höchſte Buße, zehn Pfund Silbers ſoll nicht genug ſein.<lb/>
Die Kloſterleute werden frech wie ihre Herren.</p><lb/><p>Am wildeſten war Herr Spazzo der Kämmerer. Hab' ich darum<lb/>
mein Schwert von ſeinem Haupt zurückgezuckt, ſchalt er, wie er mit<lb/>
zerſtochenem Schenkel vor mir lag, daß ihm's die Lümmel vom<lb/>
Schlangenhof mit Feldſteinen pflaſtern ſollen? Und wenn er auch<lb/>
unſer Feind war, jetzt iſt er getauft und ich bin ſein Pathe und hab'<lb/>
für ſeiner Seele und ſeines Leibes Heil Sorge zu tragen. Sei vergnügt,<lb/>
Pathenkind! rief er ihm zu und klirrte mit ſeinem Schwert auf dem<lb/>
Steinboden, wenn deine Schramme geflickt iſt, begleit' ich dich zum<lb/>
erſten Spaziergang, da wollen wir mit dem Kloſtermaier rechnen,<lb/>
Hagel und Wetter, rechnen wollen wir, daß ihm die Spähne vom<lb/></p></div></body></text></TEI>
[255/0277]
Die Männer vom Schlangenhof ſchauten einander an; allmälig
wurden ſie ſtumm, dann machte Einer im Kreiſe Kehrt und ging feld-
einwärts, Andere folgten, zuletzt ſtand der Kloſtermaier allein: Ihr
haltet's mit dem Landverderber! rief er zürnend, aber Ekkehard ant-
wortete nicht, da ließ auch er den erhobenen Stein zur Erde ſinken
und ging brummend von dannen.
Cappan war übel zugerichtet. Auf einem Rücken, den alleman-
niſche Bauernfäuſte durchgearbeitet, wächst Jahre lang kein Gras.
Der Steinwurf hatte eine Wunde in Kopf geſchlagen, die blutete
ſtark. Ekkehard wuſch ihm das Haupt mit Regenwaſſer und machte
das Zeichen des Kreuzes drüber, das rinnende Blut zu ſtillen, dann
verband er ihn nothdürftig. Er gedachte ans Evangelium vom barm-
herzigen Samaritaner. Der wunde Mann ſchaute dankbar aus den
gekniffenen Augen zu ihm empor. Langſam führte ihn Ekkehard zur
Burg hinauf, er mußte ihm zureden bis er's wagte ſich auf ſeinen
Arm zu ſtützen. Auch der Fuß mit der Narbe aus der Hunnenſchlacht
that ihm weh; ſtöhnend hinkte er bergaufwärts.
Auf dem hohen Twiel gab's großen Lärm wie ſie ankamen. Alle
waren dem Hunnen gut. Die Herzogin kam in Hof herunter, ſie
nickte Ekkehard freundlich zu ob ſeiner Barmherzigkeit. Der Kloſter-
leute Frevel an ihrem Unterthan verſetzte ſie in zürnende Aufregung.
Das ſoll nicht vergeſſen ſein, ſprach ſie; ſei getroſt, Mausfänger!
ſie ſollen dir ein Wehrgeld zahlen für den wunden Schädel, das einer
Ausſteuer gleich kommt. Und für den geſtörten Herzogsfrieden ſetzen
wir ihnen die höchſte Buße, zehn Pfund Silbers ſoll nicht genug ſein.
Die Kloſterleute werden frech wie ihre Herren.
Am wildeſten war Herr Spazzo der Kämmerer. Hab' ich darum
mein Schwert von ſeinem Haupt zurückgezuckt, ſchalt er, wie er mit
zerſtochenem Schenkel vor mir lag, daß ihm's die Lümmel vom
Schlangenhof mit Feldſteinen pflaſtern ſollen? Und wenn er auch
unſer Feind war, jetzt iſt er getauft und ich bin ſein Pathe und hab'
für ſeiner Seele und ſeines Leibes Heil Sorge zu tragen. Sei vergnügt,
Pathenkind! rief er ihm zu und klirrte mit ſeinem Schwert auf dem
Steinboden, wenn deine Schramme geflickt iſt, begleit' ich dich zum
erſten Spaziergang, da wollen wir mit dem Kloſtermaier rechnen,
Hagel und Wetter, rechnen wollen wir, daß ihm die Spähne vom
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/277>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.