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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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werthen, nur etliche altvernarbte Wunden. Da wären sie schier wie-
der zu seinen Gunsten gestimmt worden; die Menschen waren dazumal,
wie ein Geschichtschreiber sagt, in ihren Leidenschaften nach Art der
Wilden, auffahrend und jäh veränderlich. Aber des Knechts Blick
fiel von ohngefähr auf's Erdreich, da kroch ein großer Hornschröter
des Weges; violschwarz glänzten die Flügeldecken und die röthlichen
Hörner standen ihm stolz, wie ein Geweih. Er hatte sich des Cappan
Mißhandlung angeschaut und wollte jetzt feldeinwärts, denn er fand
kein Wohlgefallen dran.

Der Knecht aber fuhr erschrocken zurück.

Der Donnergugi! rief er.

Der Donnerkäfer! rief de[s] Klostermaier deßgleichen. Jetzt war
Cappan verloren. Daß er mit dem Käfer das Wetter gemacht, litt
keinen Zweifel mehr, Hornschröter zieht Blitz und Hagel nieder.

Mach Reu und Leid, Heidenhund! sprach der Maier, und griff
nach seinem Messer. Es fiel ihm Etwas ein: Auf dem Grab seiner
Brüder soll er's büßen, sprach er weiter. Er hat das Wetter be-
schworen, die Hunnenschlacht zu rächen, Art läßt nicht von Art.

Der Knecht hatte indeß den Hornschröter zwischen zwei platten
Feldkieseln zermalmt, und grub die Steine in Boden.216) Jetzt schlepp-
ten sie den Cappan vorwärts über's Blachfeld, und schleppten ihn zum
hunnischen Grabhügel und schnürten ihm mit Weidenruthen Hand und
Fuß zusammen; dann sprang der Knecht zum Schlangenhof hinüber
und rief seine Mitknechte. Wild und mordlustig kamen sie heran,
etliche davon hatten auf Cappan's Hochzeit getanzt, das stand nicht
im Weg, daß sie jetzt zu seiner Steinigung auszogen.

Cappan fing an nachzudenken. Was ihm zur Last gelegt ward,
begriff er nicht, wohl aber, daß Gefahr da. Darum that er einen
Schrei, der klang gell und durchdringend durch die Luft, wie der
Schrei eines wunden Rosses in der Todesstunde; davon ward Ekkehard
aus seinen Träumen unter dem Fliederbaum aufgejagt, er kannte die
Stimme seines Täuflings und schaute hinunter. Ein zweitesmal klang
Cappan's Schrei auf, da vergaß Ekkehard sein hohes Lied und eilte
die Berghalde hinab.

Er kam zu rechter Zeit. Sie hatten den Cappan an das Fels-
stück gelehnt, das den Hügel deckte und standen im Halbkreis dabei.

werthen, nur etliche altvernarbte Wunden. Da wären ſie ſchier wie-
der zu ſeinen Gunſten geſtimmt worden; die Menſchen waren dazumal,
wie ein Geſchichtſchreiber ſagt, in ihren Leidenſchaften nach Art der
Wilden, auffahrend und jäh veränderlich. Aber des Knechts Blick
fiel von ohngefähr auf's Erdreich, da kroch ein großer Hornſchröter
des Weges; violſchwarz glänzten die Flügeldecken und die röthlichen
Hörner ſtanden ihm ſtolz, wie ein Geweih. Er hatte ſich des Cappan
Mißhandlung angeſchaut und wollte jetzt feldeinwärts, denn er fand
kein Wohlgefallen dran.

Der Knecht aber fuhr erſchrocken zurück.

Der Donnergugi! rief er.

Der Donnerkäfer! rief de[s] Kloſtermaier deßgleichen. Jetzt war
Cappan verloren. Daß er mit dem Käfer das Wetter gemacht, litt
keinen Zweifel mehr, Hornſchröter zieht Blitz und Hagel nieder.

Mach Reu und Leid, Heidenhund! ſprach der Maier, und griff
nach ſeinem Meſſer. Es fiel ihm Etwas ein: Auf dem Grab ſeiner
Brüder ſoll er's büßen, ſprach er weiter. Er hat das Wetter be-
ſchworen, die Hunnenſchlacht zu rächen, Art läßt nicht von Art.

Der Knecht hatte indeß den Hornſchröter zwiſchen zwei platten
Feldkieſeln zermalmt, und grub die Steine in Boden.216) Jetzt ſchlepp-
ten ſie den Cappan vorwärts über's Blachfeld, und ſchleppten ihn zum
hunniſchen Grabhügel und ſchnürten ihm mit Weidenruthen Hand und
Fuß zuſammen; dann ſprang der Knecht zum Schlangenhof hinüber
und rief ſeine Mitknechte. Wild und mordluſtig kamen ſie heran,
etliche davon hatten auf Cappan's Hochzeit getanzt, das ſtand nicht
im Weg, daß ſie jetzt zu ſeiner Steinigung auszogen.

Cappan fing an nachzudenken. Was ihm zur Laſt gelegt ward,
begriff er nicht, wohl aber, daß Gefahr da. Darum that er einen
Schrei, der klang gell und durchdringend durch die Luft, wie der
Schrei eines wunden Roſſes in der Todesſtunde; davon ward Ekkehard
aus ſeinen Träumen unter dem Fliederbaum aufgejagt, er kannte die
Stimme ſeines Täuflings und ſchaute hinunter. Ein zweitesmal klang
Cappan's Schrei auf, da vergaß Ekkehard ſein hohes Lied und eilte
die Berghalde hinab.

Er kam zu rechter Zeit. Sie hatten den Cappan an das Fels-
ſtück gelehnt, das den Hügel deckte und ſtanden im Halbkreis dabei.

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[253/0275] werthen, nur etliche altvernarbte Wunden. Da wären ſie ſchier wie- der zu ſeinen Gunſten geſtimmt worden; die Menſchen waren dazumal, wie ein Geſchichtſchreiber ſagt, in ihren Leidenſchaften nach Art der Wilden, auffahrend und jäh veränderlich. Aber des Knechts Blick fiel von ohngefähr auf's Erdreich, da kroch ein großer Hornſchröter des Weges; violſchwarz glänzten die Flügeldecken und die röthlichen Hörner ſtanden ihm ſtolz, wie ein Geweih. Er hatte ſich des Cappan Mißhandlung angeſchaut und wollte jetzt feldeinwärts, denn er fand kein Wohlgefallen dran. Der Knecht aber fuhr erſchrocken zurück. Der Donnergugi! rief er. Der Donnerkäfer! rief des Kloſtermaier deßgleichen. Jetzt war Cappan verloren. Daß er mit dem Käfer das Wetter gemacht, litt keinen Zweifel mehr, Hornſchröter zieht Blitz und Hagel nieder. Mach Reu und Leid, Heidenhund! ſprach der Maier, und griff nach ſeinem Meſſer. Es fiel ihm Etwas ein: Auf dem Grab ſeiner Brüder ſoll er's büßen, ſprach er weiter. Er hat das Wetter be- ſchworen, die Hunnenſchlacht zu rächen, Art läßt nicht von Art. Der Knecht hatte indeß den Hornſchröter zwiſchen zwei platten Feldkieſeln zermalmt, und grub die Steine in Boden. ²¹⁶⁾ Jetzt ſchlepp- ten ſie den Cappan vorwärts über's Blachfeld, und ſchleppten ihn zum hunniſchen Grabhügel und ſchnürten ihm mit Weidenruthen Hand und Fuß zuſammen; dann ſprang der Knecht zum Schlangenhof hinüber und rief ſeine Mitknechte. Wild und mordluſtig kamen ſie heran, etliche davon hatten auf Cappan's Hochzeit getanzt, das ſtand nicht im Weg, daß ſie jetzt zu ſeiner Steinigung auszogen. Cappan fing an nachzudenken. Was ihm zur Laſt gelegt ward, begriff er nicht, wohl aber, daß Gefahr da. Darum that er einen Schrei, der klang gell und durchdringend durch die Luft, wie der Schrei eines wunden Roſſes in der Todesſtunde; davon ward Ekkehard aus ſeinen Träumen unter dem Fliederbaum aufgejagt, er kannte die Stimme ſeines Täuflings und ſchaute hinunter. Ein zweitesmal klang Cappan's Schrei auf, da vergaß Ekkehard ſein hohes Lied und eilte die Berghalde hinab. Er kam zu rechter Zeit. Sie hatten den Cappan an das Fels- ſtück gelehnt, das den Hügel deckte und ſtanden im Halbkreis dabei.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/275>, abgerufen am 29.11.2024.