aussah wie ein feurig Gespenst: Die Welt geht unter! rief er, das tausendjährige Reich bricht an, Herr, sei meiner armen Seele gnädig!
Verloren, Alles verloren! sprach die Waldfrau vor sich hin und fuhr mit der Hand über die Stirn. Dann band sie das Saumroß los, um es auch noch vor ihren Wagen zu schirren. Im Dunkel stand Audifax, er biß die Zähne zusammen, um nicht jubelnd hin- auszujauchzen in das Geheul des nächtlichen Ueberfalls; zitternder Widerschein des Feuers spielte um sein Antlitz; es kochte in ihm. Eine Weile schaute er starr in's Rennen und Wogen und Kämpfen der dunkeln Männer -- jetzt weiß ich's! sprach er leise zu Hadumoth; er hatte einen Feldstein aufgerafft, katzenschnell sprang er an der Waldfrau hinauf und schlug sie nieder, das Saumroß riß er weg und hob mit Mannesstärke die knieende Hadumoth hinauf: Halt dich fest am Sattelknopf! -- er sprang auf's Roß und griff die Zügel, das fühlte die ungewohnten Reiter, scheu von Brand und Glanz sprengte es davon in die Nacht ... Audifax wankte nicht, sein Herz pochte in lautem Schlag, er schloß die Augen vor dem qualmenden Rauch -- über Erschlagene gings und durch's Gewühl streitender Männer ... itzt tobte der Schlachtlärm entfernter, das Roß schlug langsameren Schritt an, dem Rheine entgegen trug es die Kinder -- sie waren gerettet.
Und sie ritten die lange bange Nacht durch, und schauten nicht um. Audifax hielt schweigsam die Zügel, es war ihm oft als wär' Alles ein Traum gewesen; er legte die Linke auf Hadumoth's Haupt und klopfte an die Truhe im Hängkorb, es gab einen Klang von Metall, da erst wußte er wieder, daß er nicht geträumt. Und das Roß war brav und trug seine Last willig, über Feld und Heide ging der Weg und durch finstere Wälder, immer dem strömenden Rhein entgegen.
Wie sie lang und weit geritten waren, da kam ein kühler Luft- zug, daß sie zusammenschauerten: das war des Morgens Vorbote.193) Hadumoth schlug die Augen auf. Wo sind wir? fragte sie. Ich weiß es nicht, sagte Audifax.
Jetzt hörten sie ein Rauschen und Tosen wie fernen Donner, aber es war nicht von einem Gewitter; der Himmel hellte sich, die Stern- lein verblaßten und schwanden. Der Donner ward lauter und näher,
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ausſah wie ein feurig Geſpenſt: Die Welt geht unter! rief er, das tauſendjährige Reich bricht an, Herr, ſei meiner armen Seele gnädig!
Verloren, Alles verloren! ſprach die Waldfrau vor ſich hin und fuhr mit der Hand über die Stirn. Dann band ſie das Saumroß los, um es auch noch vor ihren Wagen zu ſchirren. Im Dunkel ſtand Audifax, er biß die Zähne zuſammen, um nicht jubelnd hin- auszujauchzen in das Geheul des nächtlichen Ueberfalls; zitternder Widerſchein des Feuers ſpielte um ſein Antlitz; es kochte in ihm. Eine Weile ſchaute er ſtarr in's Rennen und Wogen und Kämpfen der dunkeln Männer — jetzt weiß ich's! ſprach er leiſe zu Hadumoth; er hatte einen Feldſtein aufgerafft, katzenſchnell ſprang er an der Waldfrau hinauf und ſchlug ſie nieder, das Saumroß riß er weg und hob mit Mannesſtärke die knieende Hadumoth hinauf: Halt dich feſt am Sattelknopf! — er ſprang auf's Roß und griff die Zügel, das fühlte die ungewohnten Reiter, ſcheu von Brand und Glanz ſprengte es davon in die Nacht ... Audifax wankte nicht, ſein Herz pochte in lautem Schlag, er ſchloß die Augen vor dem qualmenden Rauch — über Erſchlagene gings und durch's Gewühl ſtreitender Männer ... itzt tobte der Schlachtlärm entfernter, das Roß ſchlug langſameren Schritt an, dem Rheine entgegen trug es die Kinder — ſie waren gerettet.
Und ſie ritten die lange bange Nacht durch, und ſchauten nicht um. Audifax hielt ſchweigſam die Zügel, es war ihm oft als wär' Alles ein Traum geweſen; er legte die Linke auf Hadumoth's Haupt und klopfte an die Truhe im Hängkorb, es gab einen Klang von Metall, da erſt wußte er wieder, daß er nicht geträumt. Und das Roß war brav und trug ſeine Laſt willig, über Feld und Heide ging der Weg und durch finſtere Wälder, immer dem ſtrömenden Rhein entgegen.
Wie ſie lang und weit geritten waren, da kam ein kühler Luft- zug, daß ſie zuſammenſchauerten: das war des Morgens Vorbote.193) Hadumoth ſchlug die Augen auf. Wo ſind wir? fragte ſie. Ich weiß es nicht, ſagte Audifax.
Jetzt hörten ſie ein Rauſchen und Toſen wie fernen Donner, aber es war nicht von einem Gewitter; der Himmel hellte ſich, die Stern- lein verblaßten und ſchwanden. Der Donner ward lauter und näher,
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ausſah wie ein feurig Geſpenſt: Die Welt geht unter! rief er, das
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Verloren, Alles verloren! ſprach die Waldfrau vor ſich hin und
fuhr mit der Hand über die Stirn. Dann band ſie das Saumroß
los, um es auch noch vor ihren Wagen zu ſchirren. Im Dunkel
ſtand Audifax, er biß die Zähne zuſammen, um nicht jubelnd hin-
auszujauchzen in das Geheul des nächtlichen Ueberfalls; zitternder
Widerſchein des Feuers ſpielte um ſein Antlitz; es kochte in ihm.
Eine Weile ſchaute er ſtarr in's Rennen und Wogen und Kämpfen
der dunkeln Männer — jetzt weiß ich's! ſprach er leiſe zu Hadumoth;
er hatte einen Feldſtein aufgerafft, katzenſchnell ſprang er an der
Waldfrau hinauf und ſchlug ſie nieder, das Saumroß riß er weg
und hob mit Mannesſtärke die knieende Hadumoth hinauf: Halt dich
feſt am Sattelknopf! — er ſprang auf's Roß und griff die Zügel,
das fühlte die ungewohnten Reiter, ſcheu von Brand und Glanz
ſprengte es davon in die Nacht ... Audifax wankte nicht, ſein Herz
pochte in lautem Schlag, er ſchloß die Augen vor dem qualmenden
Rauch — über Erſchlagene gings und durch's Gewühl ſtreitender
Männer ... itzt tobte der Schlachtlärm entfernter, das Roß ſchlug
langſameren Schritt an, dem Rheine entgegen trug es die Kinder —
ſie waren gerettet.
Und ſie ritten die lange bange Nacht durch, und ſchauten nicht
um. Audifax hielt ſchweigſam die Zügel, es war ihm oft als wär'
Alles ein Traum geweſen; er legte die Linke auf Hadumoth's Haupt
und klopfte an die Truhe im Hängkorb, es gab einen Klang von
Metall, da erſt wußte er wieder, daß er nicht geträumt. Und das
Roß war brav und trug ſeine Laſt willig, über Feld und Heide ging
der Weg und durch finſtere Wälder, immer dem ſtrömenden Rhein
entgegen.
Wie ſie lang und weit geritten waren, da kam ein kühler Luft-
zug, daß ſie zuſammenſchauerten: das war des Morgens Vorbote.
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Hadumoth ſchlug die Augen auf. Wo ſind wir? fragte ſie. Ich
weiß es nicht, ſagte Audifax.
Jetzt hörten ſie ein Rauſchen und Toſen wie fernen Donner, aber
es war nicht von einem Gewitter; der Himmel hellte ſich, die Stern-
lein verblaßten und ſchwanden. Der Donner ward lauter und näher,
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/233>, abgerufen am 12.12.2024.
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