Der Fischer schüttelte das Haupt. Das muß weit weg sein, sprach er. Wohin jetzt?
Wo die Hunnen sind, sagte Hadumoth und erzählte ihm treuherzig, warum sie ausgezogen und wen sie suche.
Da schüttelte der Fischer sein Haupt noch stärker denn zuvor. Beim Leben meiner Mutter! sprach er, das ist ein böser Gang! Aber Ha- dumoth faltete die Hände und sagte: Fischer, du mußt mir den Weg zeigen, wo sie sind.
Da ward der Bärtige weich. Wenn's sein muß, brummte er, gar fern sind sie nicht. Komm mit!
Er packte sein Fischgeräth zusammen und ging mit der Hirtin dem Laufe des Waldbachs entlang. Wenn Baum und Busch zu dicht die Ufer sperrten oder Felsblöcke aufgethürmt lagen, hub er das Mägdlein auf den Arm und schritt durch's schäumende Wasser. Dann ließen sie die Thalschlucht zur Rechten. Sie standen auf einem der Vorberge, die sich zum Rhein hinuntersenken. Schau hin, Kind, sprach er und deutete über den Rhein hinüber, wo ein flach abgeschnittener Gebirgs- zug sich streckte: dort geht's in's Frickthal hinein, zum Bötzberg hin. Dort steht ihr Lager geschlagen. Gestern ist das Laufenburger Castell ausgeflammt worden ... Aber weiter sollen uns die Mordbrenner nimmer traben, fuhr er grimmig fort.
Sie gingen noch eine Weile, da hielt Hadumoth's Geleitsmann an einem felsigen Vorsprung. Warte! sprach er zu ihr. Er schleppte etliche Stämme dürres Tannenholz zusammen und schichtete sie auf, Reisig und Kienspähne reichlich dazwischen, doch ließ er's unangezün- det. Das Gleiche that er an anderen Plätzen. Hadumoth sah ihm zu; sie wußte nicht, warum er's that.
Dann stiegen sie zu den Ufern des Rheins hinunter.
Ist's dein Ernst mit den Hunnen? frug er noch einmal. Ja! sprach Hadumoth. Da löste er einen im Gebüsch verborgenen Kahn und fuhr sie über. Am andern Ufer war's waldig; er ging ein Stück einwärts und schaute sorgfältig um. Auch dort lag ein Holzstoß ge- schichtet und Kienfackeln dabei, von grünen Zweigen verdeckt. Er nickte zufrieden und kam zu Hadumoth: Weiter geh' ich nicht mit, dort ist Frickthal und Hunnenlager. Mach', daß sie deinen Buben heraus-
Der Fiſcher ſchüttelte das Haupt. Das muß weit weg ſein, ſprach er. Wohin jetzt?
Wo die Hunnen ſind, ſagte Hadumoth und erzählte ihm treuherzig, warum ſie ausgezogen und wen ſie ſuche.
Da ſchüttelte der Fiſcher ſein Haupt noch ſtärker denn zuvor. Beim Leben meiner Mutter! ſprach er, das iſt ein böſer Gang! Aber Ha- dumoth faltete die Hände und ſagte: Fiſcher, du mußt mir den Weg zeigen, wo ſie ſind.
Da ward der Bärtige weich. Wenn's ſein muß, brummte er, gar fern ſind ſie nicht. Komm mit!
Er packte ſein Fiſchgeräth zuſammen und ging mit der Hirtin dem Laufe des Waldbachs entlang. Wenn Baum und Buſch zu dicht die Ufer ſperrten oder Felsblöcke aufgethürmt lagen, hub er das Mägdlein auf den Arm und ſchritt durch's ſchäumende Waſſer. Dann ließen ſie die Thalſchlucht zur Rechten. Sie ſtanden auf einem der Vorberge, die ſich zum Rhein hinunterſenken. Schau hin, Kind, ſprach er und deutete über den Rhein hinüber, wo ein flach abgeſchnittener Gebirgs- zug ſich ſtreckte: dort geht's in's Frickthal hinein, zum Bötzberg hin. Dort ſteht ihr Lager geſchlagen. Geſtern iſt das Laufenburger Caſtell ausgeflammt worden ... Aber weiter ſollen uns die Mordbrenner nimmer traben, fuhr er grimmig fort.
Sie gingen noch eine Weile, da hielt Hadumoth's Geleitsmann an einem felſigen Vorſprung. Warte! ſprach er zu ihr. Er ſchleppte etliche Stämme dürres Tannenholz zuſammen und ſchichtete ſie auf, Reiſig und Kienſpähne reichlich dazwiſchen, doch ließ er's unangezün- det. Das Gleiche that er an anderen Plätzen. Hadumoth ſah ihm zu; ſie wußte nicht, warum er's that.
Dann ſtiegen ſie zu den Ufern des Rheins hinunter.
Iſt's dein Ernſt mit den Hunnen? frug er noch einmal. Ja! ſprach Hadumoth. Da löste er einen im Gebüſch verborgenen Kahn und fuhr ſie über. Am andern Ufer war's waldig; er ging ein Stück einwärts und ſchaute ſorgfältig um. Auch dort lag ein Holzſtoß ge- ſchichtet und Kienfackeln dabei, von grünen Zweigen verdeckt. Er nickte zufrieden und kam zu Hadumoth: Weiter geh' ich nicht mit, dort iſt Frickthal und Hunnenlager. Mach', daß ſie deinen Buben heraus-
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Der Fiſcher ſchüttelte das Haupt. Das muß weit weg ſein, ſprach
er. Wohin jetzt?
Wo die Hunnen ſind, ſagte Hadumoth und erzählte ihm treuherzig,
warum ſie ausgezogen und wen ſie ſuche.
Da ſchüttelte der Fiſcher ſein Haupt noch ſtärker denn zuvor. Beim
Leben meiner Mutter! ſprach er, das iſt ein böſer Gang! Aber Ha-
dumoth faltete die Hände und ſagte: Fiſcher, du mußt mir den Weg
zeigen, wo ſie ſind.
Da ward der Bärtige weich. Wenn's ſein muß, brummte er, gar
fern ſind ſie nicht. Komm mit!
Er packte ſein Fiſchgeräth zuſammen und ging mit der Hirtin dem
Laufe des Waldbachs entlang. Wenn Baum und Buſch zu dicht die
Ufer ſperrten oder Felsblöcke aufgethürmt lagen, hub er das Mägdlein
auf den Arm und ſchritt durch's ſchäumende Waſſer. Dann ließen ſie
die Thalſchlucht zur Rechten. Sie ſtanden auf einem der Vorberge,
die ſich zum Rhein hinunterſenken. Schau hin, Kind, ſprach er und
deutete über den Rhein hinüber, wo ein flach abgeſchnittener Gebirgs-
zug ſich ſtreckte: dort geht's in's Frickthal hinein, zum Bötzberg hin.
Dort ſteht ihr Lager geſchlagen. Geſtern iſt das Laufenburger Caſtell
ausgeflammt worden ... Aber weiter ſollen uns die Mordbrenner
nimmer traben, fuhr er grimmig fort.
Sie gingen noch eine Weile, da hielt Hadumoth's Geleitsmann an
einem felſigen Vorſprung. Warte! ſprach er zu ihr. Er ſchleppte
etliche Stämme dürres Tannenholz zuſammen und ſchichtete ſie auf,
Reiſig und Kienſpähne reichlich dazwiſchen, doch ließ er's unangezün-
det. Das Gleiche that er an anderen Plätzen. Hadumoth ſah ihm
zu; ſie wußte nicht, warum er's that.
Dann ſtiegen ſie zu den Ufern des Rheins hinunter.
Iſt's dein Ernſt mit den Hunnen? frug er noch einmal. Ja! ſprach
Hadumoth. Da löste er einen im Gebüſch verborgenen Kahn und
fuhr ſie über. Am andern Ufer war's waldig; er ging ein Stück
einwärts und ſchaute ſorgfältig um. Auch dort lag ein Holzſtoß ge-
ſchichtet und Kienfackeln dabei, von grünen Zweigen verdeckt. Er nickte
zufrieden und kam zu Hadumoth: Weiter geh' ich nicht mit, dort iſt
Frickthal und Hunnenlager. Mach', daß ſie deinen Buben heraus-
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/228>, abgerufen am 12.12.2024.
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