Erdwurf hinunter, die Herzogin nach ihm, dann die Anderen, der Reihe nach. Drauf feierliche Stille. Vom Grab der Brüder hinweg wollten die, so gestern vereint gestritten, aus einander gehen; manch hartes Antlitz ward gerührt, Kuß und Handschlag gewechselt, dann zogen zuerst die von der reichen Au nach ihrem Kloster. Die Bahren ihrer Todten wurden mit ihnen getragen, Brüder mit brennenden Kerzen schritten psalmsingend zur Seite, auch des Alten aus der Hei- denhöhle kampfmüden Leichnam führten sie mit sich, gesenkten Hauptes ging das Streitroß des ungekannten Kriegsmannes, mit schwarzem Tuch umhangen, im Zug -- es war ein düstrer Anblick, wie das Todtengeleite mälig in's Waldesdunkel einbog.
Dann nahmen die vom Heerbann Abschied von der Herzogin. Der dürre Fridinger, den Arm in der Binde, führte eine Schaar landab- wärts, nur der von Randegg mit etlichen Leuten sollte als Besatzung des hohen Twiel zurückbleiben.
Bewegt schaute Frau Hadwig den Abziehenden nach. Dann ritt sie langsam über's Schlachtfeld. Sie war gestern auf dem Thurm der Burg gestanden und gespannten Auges dem Toben des Kampfes gefolgt. Itzt mußte ihr Herr Spazzo noch Vieles erklären. Dem kam's auf etliche Uebertreibungen nicht an, aber sie war's zufrieden. Mit Ekkehard sprach sie nicht.
.. Wie auch sie heimgeritten, war's wieder still und öde auf dem Plan, als wär' Nichts geschehen. Nur hufzerstampftes Gras, feucht röthliche Erde und die zwei großen Gräber gaben Zeugniß von der Ernte, die der Tod hier gehalten. Hat nicht lange gedauert, so ist das Blut aufgetrocknet und das Gras neu gewachsen, über die Hügel der Todten hat sich Moos gesponnen und Gestrüpp, Vögel und Wind haben Samenkorn hingetragen und Busch und Bäume sind üppig aufgesprießt -- wo Todte liegen gedeiht der Pflanzen Wuchs. -- Aber unverwischt lebt die Kunde von der Hunnenschlacht in den nach- geborenen Geschlechtern,189) den "Heidenbuck" heißt der Mann im Hegau den Hügel, den der Felsblock als Grabplatte deckt und in der Nacht vom Charfreitag geht Keiner dort durch's Thal. Da gehört Erde und Luft den Todten; sie steigen aus dem alten Grab, hier schwärmen die kleinen Rosse wieder, dort rücken im Keil die Streiter zu Fuß an und der Harnisch blitzt unter verwittertem Mönchsgewand,
Erdwurf hinunter, die Herzogin nach ihm, dann die Anderen, der Reihe nach. Drauf feierliche Stille. Vom Grab der Brüder hinweg wollten die, ſo geſtern vereint geſtritten, aus einander gehen; manch hartes Antlitz ward gerührt, Kuß und Handſchlag gewechſelt, dann zogen zuerſt die von der reichen Au nach ihrem Kloſter. Die Bahren ihrer Todten wurden mit ihnen getragen, Brüder mit brennenden Kerzen ſchritten pſalmſingend zur Seite, auch des Alten aus der Hei- denhöhle kampfmüden Leichnam führten ſie mit ſich, geſenkten Hauptes ging das Streitroß des ungekannten Kriegsmannes, mit ſchwarzem Tuch umhangen, im Zug — es war ein düſtrer Anblick, wie das Todtengeleite mälig in's Waldesdunkel einbog.
Dann nahmen die vom Heerbann Abſchied von der Herzogin. Der dürre Fridinger, den Arm in der Binde, führte eine Schaar landab- wärts, nur der von Randegg mit etlichen Leuten ſollte als Beſatzung des hohen Twiel zurückbleiben.
Bewegt ſchaute Frau Hadwig den Abziehenden nach. Dann ritt ſie langſam über's Schlachtfeld. Sie war geſtern auf dem Thurm der Burg geſtanden und geſpannten Auges dem Toben des Kampfes gefolgt. Itzt mußte ihr Herr Spazzo noch Vieles erklären. Dem kam's auf etliche Uebertreibungen nicht an, aber ſie war's zufrieden. Mit Ekkehard ſprach ſie nicht.
.. Wie auch ſie heimgeritten, war's wieder ſtill und öde auf dem Plan, als wär' Nichts geſchehen. Nur hufzerſtampftes Gras, feucht röthliche Erde und die zwei großen Gräber gaben Zeugniß von der Ernte, die der Tod hier gehalten. Hat nicht lange gedauert, ſo iſt das Blut aufgetrocknet und das Gras neu gewachſen, über die Hügel der Todten hat ſich Moos geſponnen und Geſtrüpp, Vögel und Wind haben Samenkorn hingetragen und Buſch und Bäume ſind üppig aufgeſprießt — wo Todte liegen gedeiht der Pflanzen Wuchs. — Aber unverwiſcht lebt die Kunde von der Hunnenſchlacht in den nach- geborenen Geſchlechtern,189) den „Heidenbuck“ heißt der Mann im Hegau den Hügel, den der Felsblock als Grabplatte deckt und in der Nacht vom Charfreitag geht Keiner dort durch's Thal. Da gehört Erde und Luft den Todten; ſie ſteigen aus dem alten Grab, hier ſchwärmen die kleinen Roſſe wieder, dort rücken im Keil die Streiter zu Fuß an und der Harniſch blitzt unter verwittertem Mönchsgewand,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0219"n="197"/>
Erdwurf hinunter, die Herzogin nach ihm, dann die Anderen, der<lb/>
Reihe nach. Drauf feierliche Stille. Vom Grab der Brüder hinweg<lb/>
wollten die, ſo geſtern vereint geſtritten, aus einander gehen; manch<lb/>
hartes Antlitz ward gerührt, Kuß und Handſchlag gewechſelt, dann<lb/>
zogen zuerſt die von der reichen Au nach ihrem Kloſter. Die Bahren<lb/>
ihrer Todten wurden mit ihnen getragen, Brüder mit brennenden<lb/>
Kerzen ſchritten pſalmſingend zur Seite, auch des Alten aus der Hei-<lb/>
denhöhle kampfmüden Leichnam führten ſie mit ſich, geſenkten Hauptes<lb/>
ging das Streitroß des ungekannten Kriegsmannes, mit ſchwarzem<lb/>
Tuch umhangen, im Zug — es war ein düſtrer Anblick, wie das<lb/>
Todtengeleite mälig in's Waldesdunkel einbog.</p><lb/><p>Dann nahmen die vom Heerbann Abſchied von der Herzogin. Der<lb/>
dürre Fridinger, den Arm in der Binde, führte eine Schaar landab-<lb/>
wärts, nur der von Randegg mit etlichen Leuten ſollte als Beſatzung<lb/>
des hohen Twiel zurückbleiben.</p><lb/><p>Bewegt ſchaute Frau Hadwig den Abziehenden nach. Dann ritt<lb/>ſie langſam über's Schlachtfeld. Sie war geſtern auf dem Thurm<lb/>
der Burg geſtanden und geſpannten Auges dem Toben des Kampfes<lb/>
gefolgt. Itzt mußte ihr Herr Spazzo noch Vieles erklären. Dem<lb/>
kam's auf etliche Uebertreibungen nicht an, aber ſie war's zufrieden.<lb/>
Mit Ekkehard ſprach ſie nicht.</p><lb/><p>.. Wie auch ſie heimgeritten, war's wieder ſtill und öde auf dem<lb/>
Plan, als wär' Nichts geſchehen. Nur hufzerſtampftes Gras, feucht<lb/>
röthliche Erde und die zwei großen Gräber gaben Zeugniß von der<lb/>
Ernte, die der Tod hier gehalten. Hat nicht lange gedauert, ſo iſt<lb/>
das Blut aufgetrocknet und das Gras neu gewachſen, über die Hügel<lb/>
der Todten hat ſich Moos geſponnen und Geſtrüpp, Vögel und Wind<lb/>
haben Samenkorn hingetragen und Buſch und Bäume ſind üppig<lb/>
aufgeſprießt — wo Todte liegen gedeiht der Pflanzen Wuchs. —<lb/>
Aber unverwiſcht lebt die Kunde von der Hunnenſchlacht in den nach-<lb/>
geborenen Geſchlechtern,<notexml:id="ed189"next="#edt189"place="end"n="189)"/> den „Heidenbuck“ heißt der Mann im<lb/>
Hegau den Hügel, den der Felsblock als Grabplatte deckt und in der<lb/>
Nacht vom Charfreitag geht Keiner dort durch's Thal. Da gehört<lb/>
Erde und Luft den Todten; ſie ſteigen aus dem alten Grab, hier<lb/>ſchwärmen die kleinen Roſſe wieder, dort rücken im Keil die Streiter<lb/>
zu Fuß an und der Harniſch blitzt unter verwittertem Mönchsgewand,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[197/0219]
Erdwurf hinunter, die Herzogin nach ihm, dann die Anderen, der
Reihe nach. Drauf feierliche Stille. Vom Grab der Brüder hinweg
wollten die, ſo geſtern vereint geſtritten, aus einander gehen; manch
hartes Antlitz ward gerührt, Kuß und Handſchlag gewechſelt, dann
zogen zuerſt die von der reichen Au nach ihrem Kloſter. Die Bahren
ihrer Todten wurden mit ihnen getragen, Brüder mit brennenden
Kerzen ſchritten pſalmſingend zur Seite, auch des Alten aus der Hei-
denhöhle kampfmüden Leichnam führten ſie mit ſich, geſenkten Hauptes
ging das Streitroß des ungekannten Kriegsmannes, mit ſchwarzem
Tuch umhangen, im Zug — es war ein düſtrer Anblick, wie das
Todtengeleite mälig in's Waldesdunkel einbog.
Dann nahmen die vom Heerbann Abſchied von der Herzogin. Der
dürre Fridinger, den Arm in der Binde, führte eine Schaar landab-
wärts, nur der von Randegg mit etlichen Leuten ſollte als Beſatzung
des hohen Twiel zurückbleiben.
Bewegt ſchaute Frau Hadwig den Abziehenden nach. Dann ritt
ſie langſam über's Schlachtfeld. Sie war geſtern auf dem Thurm
der Burg geſtanden und geſpannten Auges dem Toben des Kampfes
gefolgt. Itzt mußte ihr Herr Spazzo noch Vieles erklären. Dem
kam's auf etliche Uebertreibungen nicht an, aber ſie war's zufrieden.
Mit Ekkehard ſprach ſie nicht.
.. Wie auch ſie heimgeritten, war's wieder ſtill und öde auf dem
Plan, als wär' Nichts geſchehen. Nur hufzerſtampftes Gras, feucht
röthliche Erde und die zwei großen Gräber gaben Zeugniß von der
Ernte, die der Tod hier gehalten. Hat nicht lange gedauert, ſo iſt
das Blut aufgetrocknet und das Gras neu gewachſen, über die Hügel
der Todten hat ſich Moos geſponnen und Geſtrüpp, Vögel und Wind
haben Samenkorn hingetragen und Buſch und Bäume ſind üppig
aufgeſprießt — wo Todte liegen gedeiht der Pflanzen Wuchs. —
Aber unverwiſcht lebt die Kunde von der Hunnenſchlacht in den nach-
geborenen Geſchlechtern,
¹⁸⁹⁾
den „Heidenbuck“ heißt der Mann im
Hegau den Hügel, den der Felsblock als Grabplatte deckt und in der
Nacht vom Charfreitag geht Keiner dort durch's Thal. Da gehört
Erde und Luft den Todten; ſie ſteigen aus dem alten Grab, hier
ſchwärmen die kleinen Roſſe wieder, dort rücken im Keil die Streiter
zu Fuß an und der Harniſch blitzt unter verwittertem Mönchsgewand,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/219>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.