den kam und brachte ein einzeln Haupt; grimmig schaute es drein, mit zerspellter Stirn. Es wird auch zu den Heiden gehören und mag seinen Rumpf suchen! rief er und schleuderte es zu den Leichen.
Wie das ganze Feld abgesucht und kein hunnischer Mann mehr zu finden war, scharrten sie die Grube zu; es war ein Begräbniß ohne Sang und Klang -- nur etliche Flüche tönten als Nachruf hinab und Raben und Raubvögel krächzten heißer drein; die in den Felsspalten des hohen Krähen nisteten, waren herübergeflogen, und die im Tannwald horsteten, auch Moengal's Habicht war dabei, sie wollten Einsprache erheben, daß die Beerdigung sie verkürze. Dumpf dröhnten die Erdschollen und Kieselgesteine in das weite Grab. Dann kam der Diacon von Singen mit dem Kessel geweihten Wassers, den Geviertraum schritt er auf und nieder und besprengte ihn zur Ban- nung der Dämonen und Niederhaltung der fremden Todten in der fremden Erde.
Ein verwittert Felsstück war vor Zeiten vom hohentwieler Berg abgelöst zu Thal gestürzt, das wälzten sie aufs Hunnengrab, dann wandten sie sich schauernd von der Stätte und richteten das zweite Grab. Das sollte die gebliebenen Söhne des Landes empfangen. Für die Erschlagenen geistlichen Standes war die Klosterkirche auf Reichenau zum Ruheplatz bestimmt.
Zur selben Stunde, in der gestrigen Tages der Kampf begonnen, stieg ein düsterer Zug vom hohen Twiel hernieder. Es waren die Männer so die Schlacht geschlagen. In derselben Ordnung rückten sie an, aber ihr Schritt war langsam und ihre Banner trauerfarben. Auf den Zinnen der Burg war die schwarze Fahne aufgezogen. Auch die Herzogin ritt mit hernieder, streng und ernst kleidete sie der dunkle Mantel. Die todten Mönche trugen sie auf Bahren herzu und stell- ten sie zu Seiten des großen Grabes ab, auf daß auch sie Theil nähmen an der letzten Ehre der Kampfgenossen. Wie die Litanei verklungen, trat der Abt Wazmann an's offene Grab, er rief den sechs und neunzig die blaß und still drin geschichtet lagen, den letzten Gruß und Dank der Ueberlebenden hinab: Ihr Gedächtniß sei ge- segnet und ihr Gebein grüne an seinem Ort! Ihr Name bleibe in Ewigkeit und die Ehre der heiligen Männer komme auf ihre Kinder! so sprach er mit den Worten des Predigers, dann that er den ersten
den kam und brachte ein einzeln Haupt; grimmig ſchaute es drein, mit zerſpellter Stirn. Es wird auch zu den Heiden gehören und mag ſeinen Rumpf ſuchen! rief er und ſchleuderte es zu den Leichen.
Wie das ganze Feld abgeſucht und kein hunniſcher Mann mehr zu finden war, ſcharrten ſie die Grube zu; es war ein Begräbniß ohne Sang und Klang — nur etliche Flüche tönten als Nachruf hinab und Raben und Raubvögel krächzten heißer drein; die in den Felsſpalten des hohen Krähen niſteten, waren herübergeflogen, und die im Tannwald horſteten, auch Moengal's Habicht war dabei, ſie wollten Einſprache erheben, daß die Beerdigung ſie verkürze. Dumpf dröhnten die Erdſchollen und Kieſelgeſteine in das weite Grab. Dann kam der Diacon von Singen mit dem Keſſel geweihten Waſſers, den Geviertraum ſchritt er auf und nieder und beſprengte ihn zur Ban- nung der Dämonen und Niederhaltung der fremden Todten in der fremden Erde.
Ein verwittert Felsſtück war vor Zeiten vom hohentwieler Berg abgelöst zu Thal geſtürzt, das wälzten ſie aufs Hunnengrab, dann wandten ſie ſich ſchauernd von der Stätte und richteten das zweite Grab. Das ſollte die gebliebenen Söhne des Landes empfangen. Für die Erſchlagenen geiſtlichen Standes war die Kloſterkirche auf Reichenau zum Ruheplatz beſtimmt.
Zur ſelben Stunde, in der geſtrigen Tages der Kampf begonnen, ſtieg ein düſterer Zug vom hohen Twiel hernieder. Es waren die Männer ſo die Schlacht geſchlagen. In derſelben Ordnung rückten ſie an, aber ihr Schritt war langſam und ihre Banner trauerfarben. Auf den Zinnen der Burg war die ſchwarze Fahne aufgezogen. Auch die Herzogin ritt mit hernieder, ſtreng und ernſt kleidete ſie der dunkle Mantel. Die todten Mönche trugen ſie auf Bahren herzu und ſtell- ten ſie zu Seiten des großen Grabes ab, auf daß auch ſie Theil nähmen an der letzten Ehre der Kampfgenoſſen. Wie die Litanei verklungen, trat der Abt Wazmann an's offene Grab, er rief den ſechs und neunzig die blaß und ſtill drin geſchichtet lagen, den letzten Gruß und Dank der Ueberlebenden hinab: Ihr Gedächtniß ſei ge- ſegnet und ihr Gebein grüne an ſeinem Ort! Ihr Name bleibe in Ewigkeit und die Ehre der heiligen Männer komme auf ihre Kinder! ſo ſprach er mit den Worten des Predigers, dann that er den erſten
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den kam und brachte ein einzeln Haupt; grimmig ſchaute es drein,
mit zerſpellter Stirn. Es wird auch zu den Heiden gehören und
mag ſeinen Rumpf ſuchen! rief er und ſchleuderte es zu den Leichen.
Wie das ganze Feld abgeſucht und kein hunniſcher Mann mehr
zu finden war, ſcharrten ſie die Grube zu; es war ein Begräbniß
ohne Sang und Klang — nur etliche Flüche tönten als Nachruf
hinab und Raben und Raubvögel krächzten heißer drein; die in den
Felsſpalten des hohen Krähen niſteten, waren herübergeflogen, und
die im Tannwald horſteten, auch Moengal's Habicht war dabei, ſie
wollten Einſprache erheben, daß die Beerdigung ſie verkürze. Dumpf
dröhnten die Erdſchollen und Kieſelgeſteine in das weite Grab. Dann
kam der Diacon von Singen mit dem Keſſel geweihten Waſſers, den
Geviertraum ſchritt er auf und nieder und beſprengte ihn zur Ban-
nung der Dämonen und Niederhaltung der fremden Todten in der
fremden Erde.
Ein verwittert Felsſtück war vor Zeiten vom hohentwieler Berg
abgelöst zu Thal geſtürzt, das wälzten ſie aufs Hunnengrab, dann
wandten ſie ſich ſchauernd von der Stätte und richteten das zweite
Grab. Das ſollte die gebliebenen Söhne des Landes empfangen.
Für die Erſchlagenen geiſtlichen Standes war die Kloſterkirche auf
Reichenau zum Ruheplatz beſtimmt.
Zur ſelben Stunde, in der geſtrigen Tages der Kampf begonnen,
ſtieg ein düſterer Zug vom hohen Twiel hernieder. Es waren die
Männer ſo die Schlacht geſchlagen. In derſelben Ordnung rückten
ſie an, aber ihr Schritt war langſam und ihre Banner trauerfarben.
Auf den Zinnen der Burg war die ſchwarze Fahne aufgezogen. Auch
die Herzogin ritt mit hernieder, ſtreng und ernſt kleidete ſie der dunkle
Mantel. Die todten Mönche trugen ſie auf Bahren herzu und ſtell-
ten ſie zu Seiten des großen Grabes ab, auf daß auch ſie Theil
nähmen an der letzten Ehre der Kampfgenoſſen. Wie die Litanei
verklungen, trat der Abt Wazmann an's offene Grab, er rief den
ſechs und neunzig die blaß und ſtill drin geſchichtet lagen, den letzten
Gruß und Dank der Ueberlebenden hinab: Ihr Gedächtniß ſei ge-
ſegnet und ihr Gebein grüne an ſeinem Ort! Ihr Name bleibe in
Ewigkeit und die Ehre der heiligen Männer komme auf ihre Kinder!
ſo ſprach er mit den Worten des Predigers, dann that er den erſten
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/218>, abgerufen am 04.12.2024.
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