Geburt nach ein fester Schwabe, aber im Lauf der Zeiten ein Hunne geworden und stand sich ganz gut dabei. Und er sprach's mit etwas windigem Ton in der Stimme, denn es fehlten ihm vier Vorderzähne und auch der Backenzähne etliche, und das war eigentlich die Ursache, daß er unter den Hunnen zu finden. In jungen Tagen nämlich, da er noch als friedlicher Fuhrmann des heimathlichen Salvatorklösterleins sein Dasein fristete, war er mit einer Ladung schillernden Neckar- weines unter guter Bedeckung und kaiserlichem Schutz nordwärts geschickt worden, auf den großen Markt zu Magdeburg.172) Dorthin kamen die Priester der heidnischen Pommern und Wenden, ihren Opferwein zu kaufen, und er machte ein gut Geschäft, da er seine Ladung an den weißbärtigen Oberpriester des dreiköpfigen Gottes Triglaff173) für den großen Tempel bei Stettin losschlug. Aber dann blieb er mit dem weißbärtigen Heiden bei der Weinprobe sitzen, und dem schmeckte der schwäbische Nectar, und er kam in die Begeisterung und hub an, ihm die Herrlichkeit seiner Heimath zu preisen, und sagte bei ihnen zwischen Spree und Oder fange eigentlich die Welt erst an, und wollte ihn bekehren zum Dienste Triglaff des Dreiköpfigen und des schwarzweißen Sonnengottes Radegast und der Radomysl, der Göttin der lieblichen Gedanken -- da ward's dem Mann von Ellwangen zu bunt: Ihr seid ja ein scheußlicher wendischer Windmüller! rief er, und warf den Zechtisch um und fuhr an ihn, gleichwie der junge Recke Siegfried, da er den langbärtigen wilden Gezwerg Alberich anlief, und ward hand- gemein mit ihm und riß ihm mit starkem Ruck seines Graubarts Hälfte aus. Jener aber rief Triglaff den Dreiköpfigen an und schlug ihm mit eisenbeschlagenem Opferstab einen Streich auf die Kinnlade, der die Zier seiner Zähne für immer zerstörte. Und ehe der zahnlose schwäbische Fuhrmann sich wieder erholte, war sein weißbärtiger Wider- sacher von dannen gefahren, und er konnte sich nimmer an ihm rächen; aber wie er zu Magdeburgs Thor hinausging, ballte er seine Faust nordwärts und sprach: Wir kommen auch wieder zusammen! In der Heimath lachten sie ihn wegen seiner Zahnlücke noch gröblich aus, da ging er im hellen Verdruß unter die Hunnen, und gedachte, wenn die einmal gen Norden ritten, mit dem dreiköpfigen Triglaff und Allem was ihm diente, eine furchtbare Rechnung abzumachen ...
Geburt nach ein feſter Schwabe, aber im Lauf der Zeiten ein Hunne geworden und ſtand ſich ganz gut dabei. Und er ſprach's mit etwas windigem Ton in der Stimme, denn es fehlten ihm vier Vorderzähne und auch der Backenzähne etliche, und das war eigentlich die Urſache, daß er unter den Hunnen zu finden. In jungen Tagen nämlich, da er noch als friedlicher Fuhrmann des heimathlichen Salvatorklöſterleins ſein Daſein friſtete, war er mit einer Ladung ſchillernden Neckar- weines unter guter Bedeckung und kaiſerlichem Schutz nordwärts geſchickt worden, auf den großen Markt zu Magdeburg.172) Dorthin kamen die Prieſter der heidniſchen Pommern und Wenden, ihren Opferwein zu kaufen, und er machte ein gut Geſchäft, da er ſeine Ladung an den weißbärtigen Oberprieſter des dreiköpfigen Gottes Triglaff173) für den großen Tempel bei Stettin losſchlug. Aber dann blieb er mit dem weißbärtigen Heiden bei der Weinprobe ſitzen, und dem ſchmeckte der ſchwäbiſche Nectar, und er kam in die Begeiſterung und hub an, ihm die Herrlichkeit ſeiner Heimath zu preiſen, und ſagte bei ihnen zwiſchen Spree und Oder fange eigentlich die Welt erſt an, und wollte ihn bekehren zum Dienſte Triglaff des Dreiköpfigen und des ſchwarzweißen Sonnengottes Radegaſt und der Radomysl, der Göttin der lieblichen Gedanken — da ward's dem Mann von Ellwangen zu bunt: Ihr ſeid ja ein ſcheußlicher wendiſcher Windmüller! rief er, und warf den Zechtiſch um und fuhr an ihn, gleichwie der junge Recke Siegfried, da er den langbärtigen wilden Gezwerg Alberich anlief, und ward hand- gemein mit ihm und riß ihm mit ſtarkem Ruck ſeines Graubarts Hälfte aus. Jener aber rief Triglaff den Dreiköpfigen an und ſchlug ihm mit eiſenbeſchlagenem Opferſtab einen Streich auf die Kinnlade, der die Zier ſeiner Zähne für immer zerſtörte. Und ehe der zahnloſe ſchwäbiſche Fuhrmann ſich wieder erholte, war ſein weißbärtiger Wider- ſacher von dannen gefahren, und er konnte ſich nimmer an ihm rächen; aber wie er zu Magdeburgs Thor hinausging, ballte er ſeine Fauſt nordwärts und ſprach: Wir kommen auch wieder zuſammen! In der Heimath lachten ſie ihn wegen ſeiner Zahnlücke noch gröblich aus, da ging er im hellen Verdruß unter die Hunnen, und gedachte, wenn die einmal gen Norden ritten, mit dem dreiköpfigen Triglaff und Allem was ihm diente, eine furchtbare Rechnung abzumachen ...
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[171/0193]
Geburt nach ein feſter Schwabe, aber im Lauf der Zeiten ein Hunne
geworden und ſtand ſich ganz gut dabei. Und er ſprach's mit etwas
windigem Ton in der Stimme, denn es fehlten ihm vier Vorderzähne
und auch der Backenzähne etliche, und das war eigentlich die Urſache,
daß er unter den Hunnen zu finden. In jungen Tagen nämlich, da
er noch als friedlicher Fuhrmann des heimathlichen Salvatorklöſterleins
ſein Daſein friſtete, war er mit einer Ladung ſchillernden Neckar-
weines unter guter Bedeckung und kaiſerlichem Schutz nordwärts geſchickt
worden, auf den großen Markt zu Magdeburg.
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Dorthin kamen die
Prieſter der heidniſchen Pommern und Wenden, ihren Opferwein zu
kaufen, und er machte ein gut Geſchäft, da er ſeine Ladung an den
weißbärtigen Oberprieſter des dreiköpfigen Gottes Triglaff
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für den
großen Tempel bei Stettin losſchlug. Aber dann blieb er mit dem
weißbärtigen Heiden bei der Weinprobe ſitzen, und dem ſchmeckte der
ſchwäbiſche Nectar, und er kam in die Begeiſterung und hub an, ihm
die Herrlichkeit ſeiner Heimath zu preiſen, und ſagte bei ihnen zwiſchen
Spree und Oder fange eigentlich die Welt erſt an, und wollte ihn
bekehren zum Dienſte Triglaff des Dreiköpfigen und des ſchwarzweißen
Sonnengottes Radegaſt und der Radomysl, der Göttin der lieblichen
Gedanken — da ward's dem Mann von Ellwangen zu bunt: Ihr
ſeid ja ein ſcheußlicher wendiſcher Windmüller! rief er, und warf den
Zechtiſch um und fuhr an ihn, gleichwie der junge Recke Siegfried, da
er den langbärtigen wilden Gezwerg Alberich anlief, und ward hand-
gemein mit ihm und riß ihm mit ſtarkem Ruck ſeines Graubarts
Hälfte aus. Jener aber rief Triglaff den Dreiköpfigen an und ſchlug
ihm mit eiſenbeſchlagenem Opferſtab einen Streich auf die Kinnlade,
der die Zier ſeiner Zähne für immer zerſtörte. Und ehe der zahnloſe
ſchwäbiſche Fuhrmann ſich wieder erholte, war ſein weißbärtiger Wider-
ſacher von dannen gefahren, und er konnte ſich nimmer an ihm rächen;
aber wie er zu Magdeburgs Thor hinausging, ballte er ſeine Fauſt
nordwärts und ſprach: Wir kommen auch wieder zuſammen! In der
Heimath lachten ſie ihn wegen ſeiner Zahnlücke noch gröblich aus, da
ging er im hellen Verdruß unter die Hunnen, und gedachte, wenn die
einmal gen Norden ritten, mit dem dreiköpfigen Triglaff und Allem
was ihm diente, eine furchtbare Rechnung abzumachen ...
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/193>, abgerufen am 24.11.2024.
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