Fremden Wanderern und Pilgersmännern soll am Thor des Gottes- hauses ein christlicher Bescheid ertheilt werden,169) murmelte er, -- ich werde sie erwarten.
Ein neuer Einfall flog itzt durch sein Gemüth; er fuhr mit der Hand über die Stirn: Bin ich nicht in der Klosterschule über den Geschichten des Alterthums gesessen und hab' gehört, wie die römischen Senatoren der senonischen Gallier Einbruch erwartet? Den Mantel umgeschlagen, den Elfenbeinscepter in der Faust saßen die Greise in ihren Stühlen, unbewegten Auges wie eherne Götzenbilder: der latei- nische Lehrer soll uns nicht umsonst vorgepredigt haben, das sei ein würdiger Empfang gewesen! Heribald kann's auch!
.. Gelinder Blödsinn ist dann und wann eine neidenswerthe Mitgift für's Leben: was Andere schwarz schauen, scheint ihm blau oder grün, zickzackig ist sein Pfad, aber von den Schlangen, die im Gras lauern, merkt er nichts und über den Abgrund, in den der weise Mann regelrichtig hineinstürzt, stolpert er hinüber sonder Ahnung der Gefahr ..
Ein curulischer Stuhl war zur Zeit im Kloster nicht vorhanden. Heribald schob einen mächtigen Eichstamm an die Pforte die in Hof führte. Zu was Zweck und Nutzen haben wir die weltliche Ge- schichte gelernt, so wir keinen guten Rath draus schöpfen? murmelte er, setzte sich gelassen auf seinen Block und wartete der Dinge die da kommen sollten.
Drüben am nahen Seeufer hielt ein Trupp Reiter; die Zügel in Arm geschlungen, den Pfeil auf der Bogensehne waren sie spähend herangesprengt, der hunnischen Heerschaar Vortrab. Wie kein Hinter- halt aus dem weidenumbuschten Ufer vorbrach, hielten sie die Rosse eine Weile an zum Verschnaufen; der Pfeil ward in Köcher gelegt, der krumme Säbel mit den Zähnen gefaßt, die Sporen eingepreßt -- so ging's in den See. Hurtig arbeiteten sich die Rosse durch die blauen Wogen, -- itzt war der Vorderste am Land und sprang vom Gaul und schüttelte sich dreimal wie ein Pudel, der vom kühlen Bad zurück kommt; mit schneidigem Hurrahruf zogen sie in der schweigenden Reichenau ein.
Wie in Stein gehauen saß Heribald und schaute unverzagt den seltsamen Gestalten entgegen. Nachdenken über vollendete menschliche
Fremden Wanderern und Pilgersmännern ſoll am Thor des Gottes- hauſes ein chriſtlicher Beſcheid ertheilt werden,169) murmelte er, — ich werde ſie erwarten.
Ein neuer Einfall flog itzt durch ſein Gemüth; er fuhr mit der Hand über die Stirn: Bin ich nicht in der Kloſterſchule über den Geſchichten des Alterthums geſeſſen und hab' gehört, wie die römiſchen Senatoren der ſenoniſchen Gallier Einbruch erwartet? Den Mantel umgeſchlagen, den Elfenbeinſcepter in der Fauſt ſaßen die Greiſe in ihren Stühlen, unbewegten Auges wie eherne Götzenbilder: der latei- niſche Lehrer ſoll uns nicht umſonſt vorgepredigt haben, das ſei ein würdiger Empfang geweſen! Heribald kann's auch!
.. Gelinder Blödſinn iſt dann und wann eine neidenswerthe Mitgift für's Leben: was Andere ſchwarz ſchauen, ſcheint ihm blau oder grün, zickzackig iſt ſein Pfad, aber von den Schlangen, die im Gras lauern, merkt er nichts und über den Abgrund, in den der weiſe Mann regelrichtig hineinſtürzt, ſtolpert er hinüber ſonder Ahnung der Gefahr ..
Ein curuliſcher Stuhl war zur Zeit im Kloſter nicht vorhanden. Heribald ſchob einen mächtigen Eichſtamm an die Pforte die in Hof führte. Zu was Zweck und Nutzen haben wir die weltliche Ge- ſchichte gelernt, ſo wir keinen guten Rath draus ſchöpfen? murmelte er, ſetzte ſich gelaſſen auf ſeinen Block und wartete der Dinge die da kommen ſollten.
Drüben am nahen Seeufer hielt ein Trupp Reiter; die Zügel in Arm geſchlungen, den Pfeil auf der Bogenſehne waren ſie ſpähend herangeſprengt, der hunniſchen Heerſchaar Vortrab. Wie kein Hinter- halt aus dem weidenumbuſchten Ufer vorbrach, hielten ſie die Roſſe eine Weile an zum Verſchnaufen; der Pfeil ward in Köcher gelegt, der krumme Säbel mit den Zähnen gefaßt, die Sporen eingepreßt — ſo ging's in den See. Hurtig arbeiteten ſich die Roſſe durch die blauen Wogen, — itzt war der Vorderſte am Land und ſprang vom Gaul und ſchüttelte ſich dreimal wie ein Pudel, der vom kühlen Bad zurück kommt; mit ſchneidigem Hurrahruf zogen ſie in der ſchweigenden Reichenau ein.
Wie in Stein gehauen ſaß Heribald und ſchaute unverzagt den ſeltſamen Geſtalten entgegen. Nachdenken über vollendete menſchliche
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Fremden Wanderern und Pilgersmännern ſoll am Thor des Gottes-
hauſes ein chriſtlicher Beſcheid ertheilt werden,
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murmelte er, —
ich werde ſie erwarten.
Ein neuer Einfall flog itzt durch ſein Gemüth; er fuhr mit der
Hand über die Stirn: Bin ich nicht in der Kloſterſchule über den
Geſchichten des Alterthums geſeſſen und hab' gehört, wie die römiſchen
Senatoren der ſenoniſchen Gallier Einbruch erwartet? Den Mantel
umgeſchlagen, den Elfenbeinſcepter in der Fauſt ſaßen die Greiſe in
ihren Stühlen, unbewegten Auges wie eherne Götzenbilder: der latei-
niſche Lehrer ſoll uns nicht umſonſt vorgepredigt haben, das ſei ein
würdiger Empfang geweſen! Heribald kann's auch!
.. Gelinder Blödſinn iſt dann und wann eine neidenswerthe
Mitgift für's Leben: was Andere ſchwarz ſchauen, ſcheint ihm blau
oder grün, zickzackig iſt ſein Pfad, aber von den Schlangen, die im
Gras lauern, merkt er nichts und über den Abgrund, in den der
weiſe Mann regelrichtig hineinſtürzt, ſtolpert er hinüber ſonder Ahnung
der Gefahr ..
Ein curuliſcher Stuhl war zur Zeit im Kloſter nicht vorhanden.
Heribald ſchob einen mächtigen Eichſtamm an die Pforte die in
Hof führte. Zu was Zweck und Nutzen haben wir die weltliche Ge-
ſchichte gelernt, ſo wir keinen guten Rath draus ſchöpfen? murmelte
er, ſetzte ſich gelaſſen auf ſeinen Block und wartete der Dinge die da
kommen ſollten.
Drüben am nahen Seeufer hielt ein Trupp Reiter; die Zügel in
Arm geſchlungen, den Pfeil auf der Bogenſehne waren ſie ſpähend
herangeſprengt, der hunniſchen Heerſchaar Vortrab. Wie kein Hinter-
halt aus dem weidenumbuſchten Ufer vorbrach, hielten ſie die Roſſe
eine Weile an zum Verſchnaufen; der Pfeil ward in Köcher gelegt,
der krumme Säbel mit den Zähnen gefaßt, die Sporen eingepreßt —
ſo ging's in den See. Hurtig arbeiteten ſich die Roſſe durch die
blauen Wogen, — itzt war der Vorderſte am Land und ſprang vom
Gaul und ſchüttelte ſich dreimal wie ein Pudel, der vom kühlen Bad
zurück kommt; mit ſchneidigem Hurrahruf zogen ſie in der ſchweigenden
Reichenau ein.
Wie in Stein gehauen ſaß Heribald und ſchaute unverzagt den
ſeltſamen Geſtalten entgegen. Nachdenken über vollendete menſchliche
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/187>, abgerufen am 25.11.2024.
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