hatte der Kellermeister bei sich überlegt, -- und wenn die Sipplinger Auslese, die ich Preis gebe, ihre Schuldigkeit thut, wird manch ein hunnischer Mann ein bös Weiterreiten haben.
Schon hatten die Werkleute die Quadersteine gerichtet zu Ver- mauerung der inneren Kellerthür, -- noch einmal ging Rudimann hinein; aus einem verwitterten Faß zapfte er sein Krüglein und leerte es wehmüthig; dann faltete er die Hände wie zum Gebet: Behüt' dich Gott, rother Meersburger!! sprach er. Eine Thräne stund in seinen Augen ...
Rühriges Treiben ging allenthalben durch's Kloster. In der Rüst- kammer wurden die Waffen vertheilt, es waren viel Häupter und wenig Helme, der Vorrath reichte nicht. Auch war viel Lederwerk zerfressen, und mußte erst geflickt werden.
In der Schutzkammer ließ der Abt die Kostbarkeiten und Heil- thümer verpacken: viel schwere Truhen wurden gefüllt, das güldne Kreuz mit dem heiligen Blut, die weiße Marmorurne, aus der einst die Hochzeitgäste in Cana den Wein schöpften, Reliquiensärge, Abts- stab, Monstranz -- Alles ward sorglich eingethan und auf die Schiffe verbracht. Sie schleppten auch den schweren, durchsichtig grünen Sma- ragd bei, achtundzwanzig Pfund wog er. Den mögt ihr zurücklassen, sprach der Abt.
Das Gastgeschenk des großen Kaiser Karl? des Münsters seltenstes Kleinod, wie keines mehr in den Tiefen der Gebirge verborgen ruht? fragte der dienende Bruder.
Ich weiß einen Glaser in Venetia, der kann einen neuen machen, wenn diesen die Hunnen fortschleppen,160) erwiederte leichthin der Abt.
Sie stellten das Juwel in Schrank zurück.
Noch war's nicht Abend worden, da stund Alles zum Abzug be- reit. Der Abt hieß die Brüder im Hofe zusammentreten, sämmtliche erschienen bis auf Einen. Wo ist Heribald? frug er.
Heribald war ein frommer Bruder, dessen Wesen schon Manchem den Ernst auf der Stirn in Heiterkeit verwandelte.161) In jungen Tagen hatte ihn die Amme einmal auf's Steinpflaster fallen lassen, davon war ihm ein gelinder Blödsinn zurückgeblieben, eine "Kopf- sinnirung", aber er war guten Herzens und hatte an Gottes schöner Welt seine Freude so gut wie ein Geistesgewaltiger.
hatte der Kellermeiſter bei ſich überlegt, — und wenn die Sipplinger Ausleſe, die ich Preis gebe, ihre Schuldigkeit thut, wird manch ein hunniſcher Mann ein bös Weiterreiten haben.
Schon hatten die Werkleute die Quaderſteine gerichtet zu Ver- mauerung der inneren Kellerthür, — noch einmal ging Rudimann hinein; aus einem verwitterten Faß zapfte er ſein Krüglein und leerte es wehmüthig; dann faltete er die Hände wie zum Gebet: Behüt' dich Gott, rother Meersburger!! ſprach er. Eine Thräne ſtund in ſeinen Augen ...
Rühriges Treiben ging allenthalben durch's Kloſter. In der Rüſt- kammer wurden die Waffen vertheilt, es waren viel Häupter und wenig Helme, der Vorrath reichte nicht. Auch war viel Lederwerk zerfreſſen, und mußte erſt geflickt werden.
In der Schutzkammer ließ der Abt die Koſtbarkeiten und Heil- thümer verpacken: viel ſchwere Truhen wurden gefüllt, das güldne Kreuz mit dem heiligen Blut, die weiße Marmorurne, aus der einſt die Hochzeitgäſte in Cana den Wein ſchöpften, Reliquienſärge, Abts- ſtab, Monſtranz — Alles ward ſorglich eingethan und auf die Schiffe verbracht. Sie ſchleppten auch den ſchweren, durchſichtig grünen Sma- ragd bei, achtundzwanzig Pfund wog er. Den mögt ihr zurücklaſſen, ſprach der Abt.
Das Gaſtgeſchenk des großen Kaiſer Karl? des Münſters ſeltenſtes Kleinod, wie keines mehr in den Tiefen der Gebirge verborgen ruht? fragte der dienende Bruder.
Ich weiß einen Glaſer in Venetia, der kann einen neuen machen, wenn dieſen die Hunnen fortſchleppen,160) erwiederte leichthin der Abt.
Sie ſtellten das Juwel in Schrank zurück.
Noch war's nicht Abend worden, da ſtund Alles zum Abzug be- reit. Der Abt hieß die Brüder im Hofe zuſammentreten, ſämmtliche erſchienen bis auf Einen. Wo iſt Heribald? frug er.
Heribald war ein frommer Bruder, deſſen Weſen ſchon Manchem den Ernſt auf der Stirn in Heiterkeit verwandelte.161) In jungen Tagen hatte ihn die Amme einmal auf's Steinpflaſter fallen laſſen, davon war ihm ein gelinder Blödſinn zurückgeblieben, eine „Kopf- ſinnirung“, aber er war guten Herzens und hatte an Gottes ſchöner Welt ſeine Freude ſo gut wie ein Geiſtesgewaltiger.
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hatte der Kellermeiſter bei ſich überlegt, — und wenn die Sipplinger
Ausleſe, die ich Preis gebe, ihre Schuldigkeit thut, wird manch ein
hunniſcher Mann ein bös Weiterreiten haben.
Schon hatten die Werkleute die Quaderſteine gerichtet zu Ver-
mauerung der inneren Kellerthür, — noch einmal ging Rudimann
hinein; aus einem verwitterten Faß zapfte er ſein Krüglein und leerte
es wehmüthig; dann faltete er die Hände wie zum Gebet: Behüt'
dich Gott, rother Meersburger!! ſprach er. Eine Thräne ſtund in
ſeinen Augen ...
Rühriges Treiben ging allenthalben durch's Kloſter. In der Rüſt-
kammer wurden die Waffen vertheilt, es waren viel Häupter und wenig
Helme, der Vorrath reichte nicht. Auch war viel Lederwerk zerfreſſen,
und mußte erſt geflickt werden.
In der Schutzkammer ließ der Abt die Koſtbarkeiten und Heil-
thümer verpacken: viel ſchwere Truhen wurden gefüllt, das güldne
Kreuz mit dem heiligen Blut, die weiße Marmorurne, aus der einſt
die Hochzeitgäſte in Cana den Wein ſchöpften, Reliquienſärge, Abts-
ſtab, Monſtranz — Alles ward ſorglich eingethan und auf die Schiffe
verbracht. Sie ſchleppten auch den ſchweren, durchſichtig grünen Sma-
ragd bei, achtundzwanzig Pfund wog er. Den mögt ihr zurücklaſſen,
ſprach der Abt.
Das Gaſtgeſchenk des großen Kaiſer Karl? des Münſters ſeltenſtes
Kleinod, wie keines mehr in den Tiefen der Gebirge verborgen ruht?
fragte der dienende Bruder.
Ich weiß einen Glaſer in Venetia, der kann einen neuen machen,
wenn dieſen die Hunnen fortſchleppen,
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erwiederte leichthin der Abt.
Sie ſtellten das Juwel in Schrank zurück.
Noch war's nicht Abend worden, da ſtund Alles zum Abzug be-
reit. Der Abt hieß die Brüder im Hofe zuſammentreten, ſämmtliche
erſchienen bis auf Einen. Wo iſt Heribald? frug er.
Heribald war ein frommer Bruder, deſſen Weſen ſchon Manchem
den Ernſt auf der Stirn in Heiterkeit verwandelte.
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In jungen
Tagen hatte ihn die Amme einmal auf's Steinpflaſter fallen laſſen,
davon war ihm ein gelinder Blödſinn zurückgeblieben, eine „Kopf-
ſinnirung“, aber er war guten Herzens und hatte an Gottes ſchöner
Welt ſeine Freude ſo gut wie ein Geiſtesgewaltiger.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/172>, abgerufen am 25.11.2024.
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