Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte selber vor drei Jahren dort Schildwache gestanden am Thor des
heiligen Geminianus und kannte das Zischen der hunnischen Pfeile:
wenn die Ahnung neuen Kampfes durch die Luft zieht, fallen Einem
die alten Lieder wieder ein. --



Zwölftes Kapitel.
Der Hunnen Heranzug.


Der Alte hat Recht, sprach Frau Hadwig, als ihr Ekkehard Be-
richt von seiner Sendung Erfolg erstattete. Wenn der Feind droht,
rüsten; wenn er angreift, auf's Haupt schlagen, das ist so einfach,
daß man eigentlich Keinen drum zu fragen braucht. Ich glaube das
viele Bedenken und Erwägen hat der böse Feind als Unkraut auf die
deutsche Erde gestreut. Wer schwankt ist dem Fallen nah, und wer's
zu fein machen will, der gräbt sich selbst sein Grab: Wir rüsten!

Die bewegte und bald gefährliche Lage schuf der Herzogin eine
freudige Stimmung: so ist die Forelle wohlgemuth im rauschenden
Gießbach, der über Fels und Trümmer schäumt, im stillen Wasser
verkommt sie. Und Beispiel fester Entschlossenheit Oben ist nie ver-
geblich. Da trafen sie ihre Vorbereitung zum Empfang des Feindes.
Vom Thurm des hohen Twiel wehte die Kriegsfahne154) weit in's
Land hinaus; durch Wald und Feld, bis an die fernsten in den
Thalgründen versteckten Meierhöfe klang das Heerhorn, die Mannen
aufzubieten; nur Armuth befreite von Kriegspflicht. Wer mehr als
zwei Mansen Land sein eigen nannte, ward befehligt, beim ersten
Ruf in Wehr und Waffen sich zu stellen. Der Hohentwiel sollte der
Sammelplatz sein, ihn hatte die Natur dazu gefestet. Boten durch-
flogen das Hegau. Das Land hub an sich zu rühren; hinten im
Tannwald standen die Köhler beisammen, den schweren Schürhacken

hatte ſelber vor drei Jahren dort Schildwache geſtanden am Thor des
heiligen Geminianus und kannte das Ziſchen der hunniſchen Pfeile:
wenn die Ahnung neuen Kampfes durch die Luft zieht, fallen Einem
die alten Lieder wieder ein. —



Zwölftes Kapitel.
Der Hunnen Heranzug.


Der Alte hat Recht, ſprach Frau Hadwig, als ihr Ekkehard Be-
richt von ſeiner Sendung Erfolg erſtattete. Wenn der Feind droht,
rüſten; wenn er angreift, auf's Haupt ſchlagen, das iſt ſo einfach,
daß man eigentlich Keinen drum zu fragen braucht. Ich glaube das
viele Bedenken und Erwägen hat der böſe Feind als Unkraut auf die
deutſche Erde geſtreut. Wer ſchwankt iſt dem Fallen nah, und wer's
zu fein machen will, der gräbt ſich ſelbſt ſein Grab: Wir rüſten!

Die bewegte und bald gefährliche Lage ſchuf der Herzogin eine
freudige Stimmung: ſo iſt die Forelle wohlgemuth im rauſchenden
Gießbach, der über Fels und Trümmer ſchäumt, im ſtillen Waſſer
verkommt ſie. Und Beiſpiel feſter Entſchloſſenheit Oben iſt nie ver-
geblich. Da trafen ſie ihre Vorbereitung zum Empfang des Feindes.
Vom Thurm des hohen Twiel wehte die Kriegsfahne154) weit in's
Land hinaus; durch Wald und Feld, bis an die fernſten in den
Thalgründen verſteckten Meierhöfe klang das Heerhorn, die Mannen
aufzubieten; nur Armuth befreite von Kriegspflicht. Wer mehr als
zwei Manſen Land ſein eigen nannte, ward befehligt, beim erſten
Ruf in Wehr und Waffen ſich zu ſtellen. Der Hohentwiel ſollte der
Sammelplatz ſein, ihn hatte die Natur dazu gefeſtet. Boten durch-
flogen das Hegau. Das Land hub an ſich zu rühren; hinten im
Tannwald ſtanden die Köhler beiſammen, den ſchweren Schürhacken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0168" n="146"/>
hatte &#x017F;elber vor drei Jahren dort Schildwache ge&#x017F;tanden am Thor des<lb/>
heiligen Geminianus und kannte das Zi&#x017F;chen der hunni&#x017F;chen Pfeile:<lb/>
wenn die Ahnung neuen Kampfes durch die Luft zieht, fallen Einem<lb/>
die alten Lieder wieder ein. &#x2014;</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Zwölftes Kapitel</hi>.<lb/>
Der Hunnen Heranzug.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Der Alte hat Recht, &#x017F;prach Frau Hadwig, als ihr Ekkehard Be-<lb/>
richt von &#x017F;einer Sendung Erfolg er&#x017F;tattete. Wenn der Feind droht,<lb/>&#x017F;ten; wenn er angreift, auf's Haupt &#x017F;chlagen, das i&#x017F;t &#x017F;o einfach,<lb/>
daß man eigentlich Keinen drum zu fragen braucht. Ich glaube das<lb/>
viele Bedenken und Erwägen hat der bö&#x017F;e Feind als Unkraut auf die<lb/>
deut&#x017F;che Erde ge&#x017F;treut. Wer &#x017F;chwankt i&#x017F;t dem Fallen nah, und wer's<lb/>
zu fein machen will, der gräbt &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein Grab: Wir rü&#x017F;ten!</p><lb/>
        <p>Die bewegte und bald gefährliche Lage &#x017F;chuf der Herzogin eine<lb/>
freudige Stimmung: &#x017F;o i&#x017F;t die Forelle wohlgemuth im rau&#x017F;chenden<lb/>
Gießbach, der über Fels und Trümmer &#x017F;chäumt, im &#x017F;tillen Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
verkommt &#x017F;ie. Und Bei&#x017F;piel fe&#x017F;ter Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit Oben i&#x017F;t nie ver-<lb/>
geblich. Da trafen &#x017F;ie ihre Vorbereitung zum Empfang des Feindes.<lb/>
Vom Thurm des hohen Twiel wehte die Kriegsfahne<note xml:id="ed154" next="#edt154" place="end" n="154)"/> weit in's<lb/>
Land hinaus; durch Wald und Feld, bis an die fern&#x017F;ten in den<lb/>
Thalgründen ver&#x017F;teckten Meierhöfe klang das Heerhorn, die Mannen<lb/>
aufzubieten; nur Armuth befreite von Kriegspflicht. Wer mehr als<lb/>
zwei Man&#x017F;en Land &#x017F;ein eigen nannte, ward befehligt, beim er&#x017F;ten<lb/>
Ruf in Wehr und Waffen &#x017F;ich zu &#x017F;tellen. Der Hohentwiel &#x017F;ollte der<lb/>
Sammelplatz &#x017F;ein, ihn hatte die Natur dazu gefe&#x017F;tet. Boten durch-<lb/>
flogen das Hegau. Das Land hub an &#x017F;ich zu rühren; hinten im<lb/>
Tannwald &#x017F;tanden die Köhler bei&#x017F;ammen, den &#x017F;chweren Schürhacken<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0168] hatte ſelber vor drei Jahren dort Schildwache geſtanden am Thor des heiligen Geminianus und kannte das Ziſchen der hunniſchen Pfeile: wenn die Ahnung neuen Kampfes durch die Luft zieht, fallen Einem die alten Lieder wieder ein. — Zwölftes Kapitel. Der Hunnen Heranzug. Der Alte hat Recht, ſprach Frau Hadwig, als ihr Ekkehard Be- richt von ſeiner Sendung Erfolg erſtattete. Wenn der Feind droht, rüſten; wenn er angreift, auf's Haupt ſchlagen, das iſt ſo einfach, daß man eigentlich Keinen drum zu fragen braucht. Ich glaube das viele Bedenken und Erwägen hat der böſe Feind als Unkraut auf die deutſche Erde geſtreut. Wer ſchwankt iſt dem Fallen nah, und wer's zu fein machen will, der gräbt ſich ſelbſt ſein Grab: Wir rüſten! Die bewegte und bald gefährliche Lage ſchuf der Herzogin eine freudige Stimmung: ſo iſt die Forelle wohlgemuth im rauſchenden Gießbach, der über Fels und Trümmer ſchäumt, im ſtillen Waſſer verkommt ſie. Und Beiſpiel feſter Entſchloſſenheit Oben iſt nie ver- geblich. Da trafen ſie ihre Vorbereitung zum Empfang des Feindes. Vom Thurm des hohen Twiel wehte die Kriegsfahne ¹⁵⁴⁾ weit in's Land hinaus; durch Wald und Feld, bis an die fernſten in den Thalgründen verſteckten Meierhöfe klang das Heerhorn, die Mannen aufzubieten; nur Armuth befreite von Kriegspflicht. Wer mehr als zwei Manſen Land ſein eigen nannte, ward befehligt, beim erſten Ruf in Wehr und Waffen ſich zu ſtellen. Der Hohentwiel ſollte der Sammelplatz ſein, ihn hatte die Natur dazu gefeſtet. Boten durch- flogen das Hegau. Das Land hub an ſich zu rühren; hinten im Tannwald ſtanden die Köhler beiſammen, den ſchweren Schürhacken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/168
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/168>, abgerufen am 28.11.2024.