stellte ihn aufrecht an die Felswand; es war, als sei eines Menschen Haupt dran angedeutet und eine Bischofsmitra. Und Rauching griff einen gewaltigen knorrigen Stock und gab dem Alten einen zu Handen und begann auf das Steinbild einzudreschen und sprach einen Spruch dazu, langsam und ernst wie eine Litanei: Luitward von Vercelli! Reichsverräther, Ehebrecher, neque enim! Nonnenräuber, Macht- erschleicher, neque enim!.. Dicht fielen die Streiche, da legte sich ein Lächeln um des Alten welke Züge, er erhob sich und schlug mit matten Armen ebenfalls drauf:
Es steht geschrieben, ein Bischof muß tadellos sein, sprach er in Rauching's Ton, -- das für den Nordmänner-Frieden! das für der Kaiserin Richardis Verführung, neque enim! Das für den Reichstag zu Tribur, das für Arnulf's Kaiserwahl! neque enim!!
Die Höhle wiederhallte vom dumpfen Klang; fest stand das Stein- bild im Hagel der Schläge, dem Alten ward's leicht und leichter, er hieb sich warm am alten Haß, der ihm seit Jahren ein dürftig Le- ben fristete.
Ekkehard verstand den Hergang nicht ganz. Es ward ihm un- heimlich. Er empfahl sich und ging.
Habt wohl schöne Kurzweil gefunden beim alten Narren droben, sprach der Maier von Sernatingen zu ihm, da er sein Roß gesattelt vorführte: vermeint er immer noch, er hab' eine Krone verspielt und ein Reich? Ha ha!152)
Ekkehard ritt von dannen. Im Buchwald sproßte das junge Grün des nahenden Frühlings. Ein jugendlicher Mönch aus der Reichenau ging desselben Weges. Keck, wie Waffenklirren, tönte sein Sang durch die Waldeinsamkeit:
"O tapfre junge Landeskraft, nun halt' dich brav! Mit Wächterruf und Feldgeschrei verscheuch' den Schlaf, Und mach' die Rund zu jeder Stund um Thor und Thurm! Der Feind ist klug und schleicht mit Trug heran zum Sturm. Von Wall und Zinnen schalle laut dein Halt werda! Das Echo wiederhalle:eia vigila!!"153)
Es war das Lied, das die Nachtwachen zu Mutina in Welschland sangen, da der Hunnen Heer vor der Bischofsstadt lag. Der Mönch
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 10
ſtellte ihn aufrecht an die Felswand; es war, als ſei eines Menſchen Haupt dran angedeutet und eine Biſchofsmitra. Und Rauching griff einen gewaltigen knorrigen Stock und gab dem Alten einen zu Handen und begann auf das Steinbild einzudreſchen und ſprach einen Spruch dazu, langſam und ernſt wie eine Litanei: Luitward von Vercelli! Reichsverräther, Ehebrecher, neque enim! Nonnenräuber, Macht- erſchleicher, neque enim!.. Dicht fielen die Streiche, da legte ſich ein Lächeln um des Alten welke Züge, er erhob ſich und ſchlug mit matten Armen ebenfalls drauf:
Es ſteht geſchrieben, ein Biſchof muß tadellos ſein, ſprach er in Rauching's Ton, — das für den Nordmänner-Frieden! das für der Kaiſerin Richardis Verführung, neque enim! Das für den Reichstag zu Tribur, das für Arnulf's Kaiſerwahl! neque enim!!
Die Höhle wiederhallte vom dumpfen Klang; feſt ſtand das Stein- bild im Hagel der Schläge, dem Alten ward's leicht und leichter, er hieb ſich warm am alten Haß, der ihm ſeit Jahren ein dürftig Le- ben friſtete.
Ekkehard verſtand den Hergang nicht ganz. Es ward ihm un- heimlich. Er empfahl ſich und ging.
Habt wohl ſchöne Kurzweil gefunden beim alten Narren droben, ſprach der Maier von Sernatingen zu ihm, da er ſein Roß geſattelt vorführte: vermeint er immer noch, er hab' eine Krone verſpielt und ein Reich? Ha ha!152)
Ekkehard ritt von dannen. Im Buchwald ſproßte das junge Grün des nahenden Frühlings. Ein jugendlicher Mönch aus der Reichenau ging deſſelben Weges. Keck, wie Waffenklirren, tönte ſein Sang durch die Waldeinſamkeit:
„O tapfre junge Landeskraft, nun halt' dich brav! Mit Wächterruf und Feldgeſchrei verſcheuch' den Schlaf, Und mach' die Rund zu jeder Stund um Thor und Thurm! Der Feind iſt klug und ſchleicht mit Trug heran zum Sturm. Von Wall und Zinnen ſchalle laut dein Halt werda! Das Echo wiederhalle:eia vigila!!“153)
Es war das Lied, das die Nachtwachen zu Mutina in Welſchland ſangen, da der Hunnen Heer vor der Biſchofsſtadt lag. Der Mönch
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 10
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ſtellte ihn aufrecht an die Felswand; es war, als ſei eines Menſchen
Haupt dran angedeutet und eine Biſchofsmitra. Und Rauching griff
einen gewaltigen knorrigen Stock und gab dem Alten einen zu Handen
und begann auf das Steinbild einzudreſchen und ſprach einen Spruch
dazu, langſam und ernſt wie eine Litanei: Luitward von Vercelli!
Reichsverräther, Ehebrecher, neque enim! Nonnenräuber, Macht-
erſchleicher, neque enim!.. Dicht fielen die Streiche, da legte ſich
ein Lächeln um des Alten welke Züge, er erhob ſich und ſchlug mit
matten Armen ebenfalls drauf:
Es ſteht geſchrieben, ein Biſchof muß tadellos ſein, ſprach er in
Rauching's Ton, — das für den Nordmänner-Frieden! das für der
Kaiſerin Richardis Verführung, neque enim! Das für den Reichstag
zu Tribur, das für Arnulf's Kaiſerwahl! neque enim!!
Die Höhle wiederhallte vom dumpfen Klang; feſt ſtand das Stein-
bild im Hagel der Schläge, dem Alten ward's leicht und leichter, er
hieb ſich warm am alten Haß, der ihm ſeit Jahren ein dürftig Le-
ben friſtete.
Ekkehard verſtand den Hergang nicht ganz. Es ward ihm un-
heimlich. Er empfahl ſich und ging.
Habt wohl ſchöne Kurzweil gefunden beim alten Narren droben,
ſprach der Maier von Sernatingen zu ihm, da er ſein Roß geſattelt
vorführte: vermeint er immer noch, er hab' eine Krone verſpielt und
ein Reich? Ha ha!
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Ekkehard ritt von dannen. Im Buchwald ſproßte das junge Grün
des nahenden Frühlings. Ein jugendlicher Mönch aus der Reichenau
ging deſſelben Weges. Keck, wie Waffenklirren, tönte ſein Sang durch
die Waldeinſamkeit:
„O tapfre junge Landeskraft, nun halt' dich brav!
Mit Wächterruf und Feldgeſchrei verſcheuch' den Schlaf,
Und mach' die Rund zu jeder Stund um Thor und Thurm!
Der Feind iſt klug und ſchleicht mit Trug heran zum Sturm.
Von Wall und Zinnen ſchalle laut dein Halt werda!
Das Echo wiederhalle:eia vigila!!“
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Es war das Lied, das die Nachtwachen zu Mutina in Welſchland
ſangen, da der Hunnen Heer vor der Biſchofsſtadt lag. Der Mönch
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 10
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/167>, abgerufen am 24.07.2024.
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