"Es gibt keinen Dank auf dieser Welt und von eines Kaiser Freunden ist auch der beste ein Verräther!"
Auch der Beste ein Verräther, sprach der Alte in Gedanken. Sein Blick fiel auf das nahstehende Schachbrett. Ja wohl! murmelte er leise, matt gesetzt, durch Läufer und Ueberläufer matt gesetzt ... er ballte die Faust, als wolle er aufspringen, dann seufzte er laut und fuhr mit der welken Hand nach der Stirn und stützte sein schweres Haupt auf.
Das Kopfweh! sprach er .. das verfluchte Kopfweh!
Mummolin! rief Rauching.
Mit großen Sätzen kam der schwarze Hund vom Eingang her gesprungen; wie er den Alten mit aufgestülptem Haupt gewahrte, trat er schmeichelnd heran und leckte ihm die Stirn. Es ist gut, sprach der Greis nach einer Weile und richtete sich wieder auf.
Seid Ihr krank? fragte Ekkehard theilnehmend.
Krank? sprach der Alte -- 's mag eine Krankheit sein. Mich sucht's schon so lang heim, daß mir's wie ein alter Bekannter erscheint. Habt Ihr auch schon Kopfweh gehabt? Ich rathe Euch, zieht niemals zu Felde, wenn euch Kopfweh plagt und schließt keinen Frieden, es kann ein Reich kosten, das Kopfweh ..
Soll Euch kein Arzt .. wollte Ekkehard fragen.
Der Aerzte Weisheit ist erschöpft. Sie haben's gut mit mir gemeint.
Er wies auf seine Stirn; zwei alte Narben kreuzten sich darauf. Schaut her! und wenn sie Euch das verordnen wollen, müßt's nicht anwenden! An den Füßen bin ich aufgehangen worden in jungen Tagen, dann die Einschnitte in Kopf -- ein Stück Blut und ein Stück Verstand haben sie mir genommen: nichts geholfen.
In Cremona -- Zedekias hat der hebräische Weise geheißen -- haben sie die Sterne gefragt und mich in dämmernder Mitternacht unter einen Maulbeerbaum gestellt; 's war ein langer Spruch, mit dem sie das Kopfweh in den Baum hinein verfluchten: nichts geholfen!
In deutschen Landen gepulverte Krebsaugen verordnet, gemischt mit etlichem Staub von des heiligen Marcus Grab und einen Trunk Seewein drauf:142) Auch nichts. Jetzt bin ich's gewöhnt. Das
Sag' ihm auch, was neque enim heißt.
„Es gibt keinen Dank auf dieſer Welt und von eines Kaiſer Freunden iſt auch der beſte ein Verräther!“
Auch der Beſte ein Verräther, ſprach der Alte in Gedanken. Sein Blick fiel auf das nahſtehende Schachbrett. Ja wohl! murmelte er leiſe, matt geſetzt, durch Läufer und Ueberläufer matt geſetzt ... er ballte die Fauſt, als wolle er aufſpringen, dann ſeufzte er laut und fuhr mit der welken Hand nach der Stirn und ſtützte ſein ſchweres Haupt auf.
Das Kopfweh! ſprach er .. das verfluchte Kopfweh!
Mummolin! rief Rauching.
Mit großen Sätzen kam der ſchwarze Hund vom Eingang her geſprungen; wie er den Alten mit aufgeſtülptem Haupt gewahrte, trat er ſchmeichelnd heran und leckte ihm die Stirn. Es iſt gut, ſprach der Greis nach einer Weile und richtete ſich wieder auf.
Seid Ihr krank? fragte Ekkehard theilnehmend.
Krank? ſprach der Alte — 's mag eine Krankheit ſein. Mich ſucht's ſchon ſo lang heim, daß mir's wie ein alter Bekannter erſcheint. Habt Ihr auch ſchon Kopfweh gehabt? Ich rathe Euch, zieht niemals zu Felde, wenn euch Kopfweh plagt und ſchließt keinen Frieden, es kann ein Reich koſten, das Kopfweh ..
Soll Euch kein Arzt .. wollte Ekkehard fragen.
Der Aerzte Weisheit iſt erſchöpft. Sie haben's gut mit mir gemeint.
Er wies auf ſeine Stirn; zwei alte Narben kreuzten ſich darauf. Schaut her! und wenn ſie Euch das verordnen wollen, müßt's nicht anwenden! An den Füßen bin ich aufgehangen worden in jungen Tagen, dann die Einſchnitte in Kopf — ein Stück Blut und ein Stück Verſtand haben ſie mir genommen: nichts geholfen.
In Cremona — Zedekias hat der hebräiſche Weiſe geheißen — haben ſie die Sterne gefragt und mich in dämmernder Mitternacht unter einen Maulbeerbaum geſtellt; 's war ein langer Spruch, mit dem ſie das Kopfweh in den Baum hinein verfluchten: nichts geholfen!
In deutſchen Landen gepulverte Krebsaugen verordnet, gemiſcht mit etlichem Staub von des heiligen Marcus Grab und einen Trunk Seewein drauf:142) Auch nichts. Jetzt bin ich's gewöhnt. Das
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Sag' ihm auch, was neque enim heißt.
„Es gibt keinen Dank auf dieſer Welt und von eines Kaiſer
Freunden iſt auch der beſte ein Verräther!“
Auch der Beſte ein Verräther, ſprach der Alte in Gedanken. Sein
Blick fiel auf das nahſtehende Schachbrett. Ja wohl! murmelte er
leiſe, matt geſetzt, durch Läufer und Ueberläufer matt geſetzt ...
er ballte die Fauſt, als wolle er aufſpringen, dann ſeufzte er laut
und fuhr mit der welken Hand nach der Stirn und ſtützte ſein ſchweres
Haupt auf.
Das Kopfweh! ſprach er .. das verfluchte Kopfweh!
Mummolin! rief Rauching.
Mit großen Sätzen kam der ſchwarze Hund vom Eingang her
geſprungen; wie er den Alten mit aufgeſtülptem Haupt gewahrte, trat
er ſchmeichelnd heran und leckte ihm die Stirn. Es iſt gut, ſprach
der Greis nach einer Weile und richtete ſich wieder auf.
Seid Ihr krank? fragte Ekkehard theilnehmend.
Krank? ſprach der Alte — 's mag eine Krankheit ſein. Mich
ſucht's ſchon ſo lang heim, daß mir's wie ein alter Bekannter erſcheint.
Habt Ihr auch ſchon Kopfweh gehabt? Ich rathe Euch, zieht niemals
zu Felde, wenn euch Kopfweh plagt und ſchließt keinen Frieden, es
kann ein Reich koſten, das Kopfweh ..
Soll Euch kein Arzt .. wollte Ekkehard fragen.
Der Aerzte Weisheit iſt erſchöpft. Sie haben's gut mit mir
gemeint.
Er wies auf ſeine Stirn; zwei alte Narben kreuzten ſich darauf.
Schaut her! und wenn ſie Euch das verordnen wollen, müßt's nicht
anwenden! An den Füßen bin ich aufgehangen worden in jungen
Tagen, dann die Einſchnitte in Kopf — ein Stück Blut und ein
Stück Verſtand haben ſie mir genommen: nichts geholfen.
In Cremona — Zedekias hat der hebräiſche Weiſe geheißen —
haben ſie die Sterne gefragt und mich in dämmernder Mitternacht
unter einen Maulbeerbaum geſtellt; 's war ein langer Spruch, mit dem
ſie das Kopfweh in den Baum hinein verfluchten: nichts geholfen!
In deutſchen Landen gepulverte Krebsaugen verordnet, gemiſcht
mit etlichem Staub von des heiligen Marcus Grab und einen Trunk
Seewein drauf:
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Auch nichts. Jetzt bin ich's gewöhnt. Das
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/160>, abgerufen am 24.07.2024.
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