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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Angesichts der starren Felswände und des schwarzen Hundes war
diese Förmlichkeit befremdend. Ekkehard stand harrend, es dauerte eine
gute Weile, schier als wenn Vorbereitungen zum Empfang getroffen
würden. Dann erschien Rauching wieder: Wollet eintreten. Sie
gingen den dunkeln Gang entlang, dann weitete sich der Höhlenraum,
ein Gemach war von Menschenhänden in den Fels gehauen, hoch,
stattlich, in spitzbogiger Wölbung; ein rohes Gesimse zog sich um die
Wände, die Fensteröffnungen weit und luftig; wie von einer Rahme
umfaßt glänzte ein Stück blauer See und gegenüberliegendes Wald-
gebirge herein, eine flimmernde Schichte Sonnenlicht drang durch sie in
des Gemaches Dunkel. Spuren von Steinbänken waren da und dort
sichtbar, nah beim Fenster stund ein hoher steinerner Lehnstuhl, ähn-
lich dem eines Bischofs in alten Kirchen, eine Gestalt saß drin. Es
war ein fremdartig Menschenbild, mächtigen Umfangs, schwer saß das
schwere Haupt zwischen den Schultern, Runzeln durchfurchten Stirn
und Wangen, spärlich weißes Haupthaar lockte sich um den Scheitel,
schier zahnlos der Mund: der Mann mußte steinalt sein. Ein Man-
tel von unkenntlicher Farbe hing um des Greisen Schulter, die Rück-
seite, die des Stuhles Lehne verdeckte, mochte stark Fadenschein tragen,
in Saum und Faltenwurf saßen Spuren vergangener Flickung.
Seine Füße waren mit rauhem Stiefelwerk bekleidet, ein alter Hut
mit verstäubtem Fuchspelz verbrämt lag zur Seite. Eine Nische der
Felsvertiefung trug ein Schachzabelbrett mit elfenbeingeschnittenen
Figuren, es war eine Parthie zu Ende gespielt worden, noch stand
der König matt gesetzt durch einen Thurm und zwei Läufer ...

Wer kommt zu den Vergessenen? fragte der Greis mit dünner
Stimme. Da neigte sich Ekkehard vor ihm und nannte seinen Namen
und wer ihn gesandt.

Ihr habt ein böses Losungswort mit Euch gebracht. Erzählen die
Leute draußen noch vom Luitward von Vercelli?

Dessen Seele Gott verdammen möge, fiel Rauching ergänzend ein.

Ich habe nichts von ihm gehört, sprach Ekkehard.

Sag's ihm, Rauching, wer der Luitward war, 's wär' Schade, wenn
sein Gedächtniß ausstürbe bei den Menschen.

Der größte Schurke, den je ein Sonnenstrahl beschienen, war
Rauching's Antwort.

Angeſichts der ſtarren Felswände und des ſchwarzen Hundes war
dieſe Förmlichkeit befremdend. Ekkehard ſtand harrend, es dauerte eine
gute Weile, ſchier als wenn Vorbereitungen zum Empfang getroffen
würden. Dann erſchien Rauching wieder: Wollet eintreten. Sie
gingen den dunkeln Gang entlang, dann weitete ſich der Höhlenraum,
ein Gemach war von Menſchenhänden in den Fels gehauen, hoch,
ſtattlich, in ſpitzbogiger Wölbung; ein rohes Geſimſe zog ſich um die
Wände, die Fenſteröffnungen weit und luftig; wie von einer Rahme
umfaßt glänzte ein Stück blauer See und gegenüberliegendes Wald-
gebirge herein, eine flimmernde Schichte Sonnenlicht drang durch ſie in
des Gemaches Dunkel. Spuren von Steinbänken waren da und dort
ſichtbar, nah beim Fenſter ſtund ein hoher ſteinerner Lehnſtuhl, ähn-
lich dem eines Biſchofs in alten Kirchen, eine Geſtalt ſaß drin. Es
war ein fremdartig Menſchenbild, mächtigen Umfangs, ſchwer ſaß das
ſchwere Haupt zwiſchen den Schultern, Runzeln durchfurchten Stirn
und Wangen, ſpärlich weißes Haupthaar lockte ſich um den Scheitel,
ſchier zahnlos der Mund: der Mann mußte ſteinalt ſein. Ein Man-
tel von unkenntlicher Farbe hing um des Greiſen Schulter, die Rück-
ſeite, die des Stuhles Lehne verdeckte, mochte ſtark Fadenſchein tragen,
in Saum und Faltenwurf ſaßen Spuren vergangener Flickung.
Seine Füße waren mit rauhem Stiefelwerk bekleidet, ein alter Hut
mit verſtäubtem Fuchspelz verbrämt lag zur Seite. Eine Niſche der
Felsvertiefung trug ein Schachzabelbrett mit elfenbeingeſchnittenen
Figuren, es war eine Parthie zu Ende geſpielt worden, noch ſtand
der König matt geſetzt durch einen Thurm und zwei Läufer ...

Wer kommt zu den Vergeſſenen? fragte der Greis mit dünner
Stimme. Da neigte ſich Ekkehard vor ihm und nannte ſeinen Namen
und wer ihn geſandt.

Ihr habt ein böſes Loſungswort mit Euch gebracht. Erzählen die
Leute draußen noch vom Luitward von Vercelli?

Deſſen Seele Gott verdammen möge, fiel Rauching ergänzend ein.

Ich habe nichts von ihm gehört, ſprach Ekkehard.

Sag's ihm, Rauching, wer der Luitward war, 's wär' Schade, wenn
ſein Gedächtniß ausſtürbe bei den Menſchen.

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[137/0159] Angeſichts der ſtarren Felswände und des ſchwarzen Hundes war dieſe Förmlichkeit befremdend. Ekkehard ſtand harrend, es dauerte eine gute Weile, ſchier als wenn Vorbereitungen zum Empfang getroffen würden. Dann erſchien Rauching wieder: Wollet eintreten. Sie gingen den dunkeln Gang entlang, dann weitete ſich der Höhlenraum, ein Gemach war von Menſchenhänden in den Fels gehauen, hoch, ſtattlich, in ſpitzbogiger Wölbung; ein rohes Geſimſe zog ſich um die Wände, die Fenſteröffnungen weit und luftig; wie von einer Rahme umfaßt glänzte ein Stück blauer See und gegenüberliegendes Wald- gebirge herein, eine flimmernde Schichte Sonnenlicht drang durch ſie in des Gemaches Dunkel. Spuren von Steinbänken waren da und dort ſichtbar, nah beim Fenſter ſtund ein hoher ſteinerner Lehnſtuhl, ähn- lich dem eines Biſchofs in alten Kirchen, eine Geſtalt ſaß drin. Es war ein fremdartig Menſchenbild, mächtigen Umfangs, ſchwer ſaß das ſchwere Haupt zwiſchen den Schultern, Runzeln durchfurchten Stirn und Wangen, ſpärlich weißes Haupthaar lockte ſich um den Scheitel, ſchier zahnlos der Mund: der Mann mußte ſteinalt ſein. Ein Man- tel von unkenntlicher Farbe hing um des Greiſen Schulter, die Rück- ſeite, die des Stuhles Lehne verdeckte, mochte ſtark Fadenſchein tragen, in Saum und Faltenwurf ſaßen Spuren vergangener Flickung. Seine Füße waren mit rauhem Stiefelwerk bekleidet, ein alter Hut mit verſtäubtem Fuchspelz verbrämt lag zur Seite. Eine Niſche der Felsvertiefung trug ein Schachzabelbrett mit elfenbeingeſchnittenen Figuren, es war eine Parthie zu Ende geſpielt worden, noch ſtand der König matt geſetzt durch einen Thurm und zwei Läufer ... Wer kommt zu den Vergeſſenen? fragte der Greis mit dünner Stimme. Da neigte ſich Ekkehard vor ihm und nannte ſeinen Namen und wer ihn geſandt. Ihr habt ein böſes Loſungswort mit Euch gebracht. Erzählen die Leute draußen noch vom Luitward von Vercelli? Deſſen Seele Gott verdammen möge, fiel Rauching ergänzend ein. Ich habe nichts von ihm gehört, ſprach Ekkehard. Sag's ihm, Rauching, wer der Luitward war, 's wär' Schade, wenn ſein Gedächtniß ausſtürbe bei den Menſchen. Der größte Schurke, den je ein Sonnenſtrahl beſchienen, war Rauching's Antwort.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/159>, abgerufen am 22.11.2024.