Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.für Einen, der seine ganze Kunst auf einsamer Stube erlernt. Ekke- Da erbarmte sich die Griechin des zweifelerfüllten Künstlers. Der hatte seine Feder ergriffen und ein Stücklein Pergament. Jedesmal aber wenn er nach seinem anmuthigen Vorbild schaute, Ich danke Euch, sprach Ekkehard, und legte die Feder nieder. Praxedis trat zu ihm und beugte sich vor, in sein Blatt zu sehen. Ich brauche nur den Faltenwurf, sagte Ekkehard. Ihr habt Euer Glück versäumt, scherzte Praxedis im früheren Es wurden Schritte hörbar. Schnell riß Praxedis den Mantel Wollt Ihr wieder Griechisch lernen? sprach sie vorwurfsvoll zu Ich hab' ihm den edeln Sardonyx an meiner Herrin Mantel für Einen, der ſeine ganze Kunſt auf einſamer Stube erlernt. Ekke- Da erbarmte ſich die Griechin des zweifelerfüllten Künſtlers. Der hatte ſeine Feder ergriffen und ein Stücklein Pergament. Jedesmal aber wenn er nach ſeinem anmuthigen Vorbild ſchaute, Ich danke Euch, ſprach Ekkehard, und legte die Feder nieder. Praxedis trat zu ihm und beugte ſich vor, in ſein Blatt zu ſehen. Ich brauche nur den Faltenwurf, ſagte Ekkehard. Ihr habt Euer Glück verſäumt, ſcherzte Praxedis im früheren Es wurden Schritte hörbar. Schnell riß Praxedis den Mantel Wollt Ihr wieder Griechiſch lernen? ſprach ſie vorwurfsvoll zu Ich hab' ihm den edeln Sardonyx an meiner Herrin Mantel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0144" n="122"/> für Einen, der ſeine ganze Kunſt auf einſamer Stube erlernt. Ekke-<lb/> hard ſchaute ſeine Rathgeberin lang und abmeſſend an. Es frommt<lb/> mir nichts, ſprach er, Ihr tragt keinen Königsmantel.</p><lb/> <p>Da erbarmte ſich die Griechin des zweifelerfüllten Künſtlers.<lb/> Wartet, ſagte ſie, die Frau Herzogin iſt drunten im Garten, ich will<lb/> ihren Staatsmantel umlegen, da kann Euch geholfen werden. Sie<lb/> huſchte fort; in wenig Minuten war ſie wieder da, der ſchwere Pur-<lb/> purmantel mit goldener Verbrämung hing ihr nachläſſig um die<lb/> Schultern. In gemeſſenem Schritt ging ſie durch das Gemach, ein<lb/> eherner Leuchter ſtand auf dem Tiſch, ſie nahm ihn wie einen Scepter,<lb/> das Haupt auf die Schulter zurückgeworfen trat ſie vor den Mönch.</p><lb/> <p>Der hatte ſeine Feder ergriffen und ein Stücklein Pergament.<lb/> Wendet Euch ein wenig gegen das Licht, ſprach er, und begann emſig<lb/> ſeine Striche zu ziehen.</p><lb/> <p>Jedesmal aber wenn er nach ſeinem anmuthigen Vorbild ſchaute,<lb/> warf ihm dies einen blitzenden Blick zu. Er zeichnete langſamer.<lb/> Praxedis ſchaute nach dem Fenſter: Und da unſere Nebenbuhlerin im<lb/> Reich, ſprach ſie mit künſtlich erhobener Stimme, bereits den Burg-<lb/> hof verläßt und uns zu überfallen droht, ſo befehlen wir Euch bei<lb/> Strafe der Enthauptung, Eure Zeichnung in eines Augenblicks Friſt<lb/> zu vollenden.</p><lb/> <p>Ich danke Euch, ſprach Ekkehard, und legte die Feder nieder.</p><lb/> <p>Praxedis trat zu ihm und beugte ſich vor, in ſein Blatt zu ſehen.<lb/> Schändlicher Verrath, ſprach ſie, das Bild hat ja keinen Kopf.</p><lb/> <p>Ich brauche nur den Faltenwurf, ſagte Ekkehard.</p><lb/> <p>Ihr habt Euer Glück verſäumt, ſcherzte Praxedis im früheren<lb/> Ton; das Antlitz treu abgebildet und wer weiß ob wir in fürſtlicher<lb/> Gnade Euch nicht zum Patriarchen von Conſtantinopel ernannt hätten.</p><lb/> <p>Es wurden Schritte hörbar. Schnell riß Praxedis den Mantel<lb/> von den Schultern, daß er auf den Arm niederſank. Schon ſtand<lb/> die Herzogin vor den Beiden.</p><lb/> <p>Wollt Ihr wieder Griechiſch lernen? ſprach ſie vorwurfsvoll zu<lb/> Ekkehard.</p><lb/> <p>Ich hab' ihm den edeln Sardonyx an meiner Herrin Mantel<lb/> Agraffe gezeigt; es iſt ſo ein feingeſchnittener Kopf, ſagte Praxedis,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [122/0144]
für Einen, der ſeine ganze Kunſt auf einſamer Stube erlernt. Ekke-
hard ſchaute ſeine Rathgeberin lang und abmeſſend an. Es frommt
mir nichts, ſprach er, Ihr tragt keinen Königsmantel.
Da erbarmte ſich die Griechin des zweifelerfüllten Künſtlers.
Wartet, ſagte ſie, die Frau Herzogin iſt drunten im Garten, ich will
ihren Staatsmantel umlegen, da kann Euch geholfen werden. Sie
huſchte fort; in wenig Minuten war ſie wieder da, der ſchwere Pur-
purmantel mit goldener Verbrämung hing ihr nachläſſig um die
Schultern. In gemeſſenem Schritt ging ſie durch das Gemach, ein
eherner Leuchter ſtand auf dem Tiſch, ſie nahm ihn wie einen Scepter,
das Haupt auf die Schulter zurückgeworfen trat ſie vor den Mönch.
Der hatte ſeine Feder ergriffen und ein Stücklein Pergament.
Wendet Euch ein wenig gegen das Licht, ſprach er, und begann emſig
ſeine Striche zu ziehen.
Jedesmal aber wenn er nach ſeinem anmuthigen Vorbild ſchaute,
warf ihm dies einen blitzenden Blick zu. Er zeichnete langſamer.
Praxedis ſchaute nach dem Fenſter: Und da unſere Nebenbuhlerin im
Reich, ſprach ſie mit künſtlich erhobener Stimme, bereits den Burg-
hof verläßt und uns zu überfallen droht, ſo befehlen wir Euch bei
Strafe der Enthauptung, Eure Zeichnung in eines Augenblicks Friſt
zu vollenden.
Ich danke Euch, ſprach Ekkehard, und legte die Feder nieder.
Praxedis trat zu ihm und beugte ſich vor, in ſein Blatt zu ſehen.
Schändlicher Verrath, ſprach ſie, das Bild hat ja keinen Kopf.
Ich brauche nur den Faltenwurf, ſagte Ekkehard.
Ihr habt Euer Glück verſäumt, ſcherzte Praxedis im früheren
Ton; das Antlitz treu abgebildet und wer weiß ob wir in fürſtlicher
Gnade Euch nicht zum Patriarchen von Conſtantinopel ernannt hätten.
Es wurden Schritte hörbar. Schnell riß Praxedis den Mantel
von den Schultern, daß er auf den Arm niederſank. Schon ſtand
die Herzogin vor den Beiden.
Wollt Ihr wieder Griechiſch lernen? ſprach ſie vorwurfsvoll zu
Ekkehard.
Ich hab' ihm den edeln Sardonyx an meiner Herrin Mantel
Agraffe gezeigt; es iſt ſo ein feingeſchnittener Kopf, ſagte Praxedis,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |