Herzogin widmen wollte -- und sollten ihr darin etliche feine Huldi- gungen dargebracht werden. Es ging aber nicht so leicht.
Einmal hatte er begonnen und wollte in kurzem Zug von Er- schaffung der Welt bis auf Antritt des Herzogthums in Schwaben- land durch Frau Hadwig gelangen, aber es hatte ein paar hundert Hexameter gekostet, da war er noch nicht beim König David ange- langt und das Werk hätte wohl erst Weihnachten über drei Jahre fertig werden können. Ein anderesmal wollte er alle Frauen auf- zählen, die durch Kraft oder Liebreiz in der Völker Geschichte einge- griffen, von der Königin Semiramis an mit Erwähnung der amazo- nischen Jungfrauen, der heldenmüthigen Judith und der melodischen Sängerin Sappho, aber zu seinem Leidwesen fand er, daß bis sein Griffel zu Frau Hadwig sich durchgearbeitet hätte, er unmöglich noch etwas Neues zu deren Lob und Preis vorzubringen vermöchte. Da ging er sehr betrübt und niedergeschlagen umher.
Habt Ihr eine Spinne verschluckt, Perle aller Professoren? frug ihn Praxedis einmal, wie sie dem Verstörten begegnete.
Ihr habt gut scherzen, sprach Ekkehard traurig, -- und unter dem Siegel der Verschwiegenheit klagte er ihr seine Noth. Praxedis mußte lachen:
Bei den sechs und dreißigtausend Bänden der Bibliothek zu Con- stantinopolis! sagte sie, -- Ihr wollet ja ganze Wälder umhauen, wo es nur ein paar Blümlein zum Strauß erfordert. Macht's ein- fach, ungelehrt, lieblich -- wie es Euer geliebter Virgilius ausge- dacht hätte! -- Sie sprang davon.
Ekkehard setzte sich wieder auf seine Stube. Wie Virgil? dachte er. Aber in der ganzen Aeneide war kein Beispiel für solchen Fall vorgezeichnet. Er las etliche Gesänge. Dann saß er träumerisch da. Da kam ihm ein guter Gedanke. Ich hab's! rief er, der theure Sänger selber soll die Huldigung darbringen! Er schrieb das Ge- dicht nieder, als wenn Virgilius ihm in seiner Thurmeinsamkeit er- schienen wäre, freudig darüber, daß in deutschen Landen seine Ge- sänge fortlebten, der hohen Frau dankend, die sein pflege. In wenig Minuten war's fertig.
Das Gedicht wollte Ekkehard mit einer schönen Malerei verziert zu Pergament bringen. Er sann ein Bild aus: die Herzogin mit
Herzogin widmen wollte — und ſollten ihr darin etliche feine Huldi- gungen dargebracht werden. Es ging aber nicht ſo leicht.
Einmal hatte er begonnen und wollte in kurzem Zug von Er- ſchaffung der Welt bis auf Antritt des Herzogthums in Schwaben- land durch Frau Hadwig gelangen, aber es hatte ein paar hundert Hexameter gekoſtet, da war er noch nicht beim König David ange- langt und das Werk hätte wohl erſt Weihnachten über drei Jahre fertig werden können. Ein anderesmal wollte er alle Frauen auf- zählen, die durch Kraft oder Liebreiz in der Völker Geſchichte einge- griffen, von der Königin Semiramis an mit Erwähnung der amazo- niſchen Jungfrauen, der heldenmüthigen Judith und der melodiſchen Sängerin Sappho, aber zu ſeinem Leidweſen fand er, daß bis ſein Griffel zu Frau Hadwig ſich durchgearbeitet hätte, er unmöglich noch etwas Neues zu deren Lob und Preis vorzubringen vermöchte. Da ging er ſehr betrübt und niedergeſchlagen umher.
Habt Ihr eine Spinne verſchluckt, Perle aller Profeſſoren? frug ihn Praxedis einmal, wie ſie dem Verſtörten begegnete.
Ihr habt gut ſcherzen, ſprach Ekkehard traurig, — und unter dem Siegel der Verſchwiegenheit klagte er ihr ſeine Noth. Praxedis mußte lachen:
Bei den ſechs und dreißigtauſend Bänden der Bibliothek zu Con- ſtantinopolis! ſagte ſie, — Ihr wollet ja ganze Wälder umhauen, wo es nur ein paar Blümlein zum Strauß erfordert. Macht's ein- fach, ungelehrt, lieblich — wie es Euer geliebter Virgilius ausge- dacht hätte! — Sie ſprang davon.
Ekkehard ſetzte ſich wieder auf ſeine Stube. Wie Virgil? dachte er. Aber in der ganzen Aeneide war kein Beiſpiel für ſolchen Fall vorgezeichnet. Er las etliche Geſänge. Dann ſaß er träumeriſch da. Da kam ihm ein guter Gedanke. Ich hab's! rief er, der theure Sänger ſelber ſoll die Huldigung darbringen! Er ſchrieb das Ge- dicht nieder, als wenn Virgilius ihm in ſeiner Thurmeinſamkeit er- ſchienen wäre, freudig darüber, daß in deutſchen Landen ſeine Ge- ſänge fortlebten, der hohen Frau dankend, die ſein pflege. In wenig Minuten war's fertig.
Das Gedicht wollte Ekkehard mit einer ſchönen Malerei verziert zu Pergament bringen. Er ſann ein Bild aus: die Herzogin mit
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Herzogin widmen wollte — und ſollten ihr darin etliche feine Huldi-
gungen dargebracht werden. Es ging aber nicht ſo leicht.
Einmal hatte er begonnen und wollte in kurzem Zug von Er-
ſchaffung der Welt bis auf Antritt des Herzogthums in Schwaben-
land durch Frau Hadwig gelangen, aber es hatte ein paar hundert
Hexameter gekoſtet, da war er noch nicht beim König David ange-
langt und das Werk hätte wohl erſt Weihnachten über drei Jahre
fertig werden können. Ein anderesmal wollte er alle Frauen auf-
zählen, die durch Kraft oder Liebreiz in der Völker Geſchichte einge-
griffen, von der Königin Semiramis an mit Erwähnung der amazo-
niſchen Jungfrauen, der heldenmüthigen Judith und der melodiſchen
Sängerin Sappho, aber zu ſeinem Leidweſen fand er, daß bis ſein
Griffel zu Frau Hadwig ſich durchgearbeitet hätte, er unmöglich noch
etwas Neues zu deren Lob und Preis vorzubringen vermöchte. Da
ging er ſehr betrübt und niedergeſchlagen umher.
Habt Ihr eine Spinne verſchluckt, Perle aller Profeſſoren? frug
ihn Praxedis einmal, wie ſie dem Verſtörten begegnete.
Ihr habt gut ſcherzen, ſprach Ekkehard traurig, — und unter dem
Siegel der Verſchwiegenheit klagte er ihr ſeine Noth. Praxedis
mußte lachen:
Bei den ſechs und dreißigtauſend Bänden der Bibliothek zu Con-
ſtantinopolis! ſagte ſie, — Ihr wollet ja ganze Wälder umhauen,
wo es nur ein paar Blümlein zum Strauß erfordert. Macht's ein-
fach, ungelehrt, lieblich — wie es Euer geliebter Virgilius ausge-
dacht hätte! — Sie ſprang davon.
Ekkehard ſetzte ſich wieder auf ſeine Stube. Wie Virgil? dachte
er. Aber in der ganzen Aeneide war kein Beiſpiel für ſolchen Fall
vorgezeichnet. Er las etliche Geſänge. Dann ſaß er träumeriſch da.
Da kam ihm ein guter Gedanke. Ich hab's! rief er, der theure
Sänger ſelber ſoll die Huldigung darbringen! Er ſchrieb das Ge-
dicht nieder, als wenn Virgilius ihm in ſeiner Thurmeinſamkeit er-
ſchienen wäre, freudig darüber, daß in deutſchen Landen ſeine Ge-
ſänge fortlebten, der hohen Frau dankend, die ſein pflege. In wenig
Minuten war's fertig.
Das Gedicht wollte Ekkehard mit einer ſchönen Malerei verziert
zu Pergament bringen. Er ſann ein Bild aus: die Herzogin mit
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/142>, abgerufen am 25.11.2024.
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