Frau Hadwig drohte mit dem Finger: Ich werd' dich aus meinen Augen verbannen ob so unehrerbietiger Rede. Was hast du über Schulmeister zu lästern?
Verzeihet, sprach Praxedis, es ist nicht schlimm gemeint. Aber wenn ich so einen Mann der Bücher sehe, wie der ernstahft einher- schreitet und einen Anlauf nimmt, um aus seinen Schriften das her- auszugraben, von dem wir ungefähr auch ahnen, daß es kommen muß, und wie er mit seinen Pergamenten zusammengewachsen ist, als wär's ihm angethan worden, und seine Augen nur für die Buchstaben einen Blick haben und kaum für die Menschen, die um ihn sind: so steht mir das Lachen nahe. Wenn ich nicht weiß ob Mitleid am rechten Platze, so lach' ich. Des Mitleids wird er auch nicht bedürfen, er versteht ja mehr als ich.
Ein Lehrer muß ernst sein, sagte die Herzogin, das gehört dazu wie der Schnee zu unsern Alpen.
Ernst, ja wohl! erwiederte die Griechin, in diesem Land, wo der Schnee die Berggipfel deckt, muß Alles ernst sein. Wär' ich doch ge- lehrt wie Herr Ekkehard, um Euch zu sagen, was ich meine. Ich meine, man sollte auch im Scherz lernen können, spielend, ohne den Schweißtropfen der Anstrengung auf der Stirn -- was schön ist, muß gefallen und wahr zugleich sein. Ich meine, das Wissen ist wie Honig, Verschiedene können ihn holen, der Schmetterling summt um den Blumenkelch und findet ihn auch, doch so ein deutscher weiser Mann kommt mir vor wie ein Bär, der schwerfällig in den Bienen- stock hineingreift und die Tatzen leckt -- ich hab' an Bären keinen Gefallen.
Du bist ein leichtsinnig Mägdlein, sprach Frau Hadwig und un- lustig des Lernens. Wie gefällt dir denn Ekkehard sonst -- ich meine er sei schön?
Praxedis sah zu ihrer Gebieterin hinüber: Ich hab' noch keinen Mönch drum angeschaut, ob er schön sei.
Warum?
Ich hab's für unnöthig gehalten.
Du gibst heute sonderbare Antworten, sprach Frau Hadwig und erhob sich. Sie trat an's Fenster und blickte nordwärts. Jenseits
Frau Hadwig drohte mit dem Finger: Ich werd' dich aus meinen Augen verbannen ob ſo unehrerbietiger Rede. Was haſt du über Schulmeiſter zu läſtern?
Verzeihet, ſprach Praxedis, es iſt nicht ſchlimm gemeint. Aber wenn ich ſo einen Mann der Bücher ſehe, wie der ernſtahft einher- ſchreitet und einen Anlauf nimmt, um aus ſeinen Schriften das her- auszugraben, von dem wir ungefähr auch ahnen, daß es kommen muß, und wie er mit ſeinen Pergamenten zuſammengewachſen iſt, als wär's ihm angethan worden, und ſeine Augen nur für die Buchſtaben einen Blick haben und kaum für die Menſchen, die um ihn ſind: ſo ſteht mir das Lachen nahe. Wenn ich nicht weiß ob Mitleid am rechten Platze, ſo lach' ich. Des Mitleids wird er auch nicht bedürfen, er verſteht ja mehr als ich.
Ein Lehrer muß ernſt ſein, ſagte die Herzogin, das gehört dazu wie der Schnee zu unſern Alpen.
Ernſt, ja wohl! erwiederte die Griechin, in dieſem Land, wo der Schnee die Berggipfel deckt, muß Alles ernſt ſein. Wär' ich doch ge- lehrt wie Herr Ekkehard, um Euch zu ſagen, was ich meine. Ich meine, man ſollte auch im Scherz lernen können, ſpielend, ohne den Schweißtropfen der Anſtrengung auf der Stirn — was ſchön iſt, muß gefallen und wahr zugleich ſein. Ich meine, das Wiſſen iſt wie Honig, Verſchiedene können ihn holen, der Schmetterling ſummt um den Blumenkelch und findet ihn auch, doch ſo ein deutſcher weiſer Mann kommt mir vor wie ein Bär, der ſchwerfällig in den Bienen- ſtock hineingreift und die Tatzen leckt — ich hab' an Bären keinen Gefallen.
Du biſt ein leichtſinnig Mägdlein, ſprach Frau Hadwig und un- luſtig des Lernens. Wie gefällt dir denn Ekkehard ſonſt — ich meine er ſei ſchön?
Praxedis ſah zu ihrer Gebieterin hinüber: Ich hab' noch keinen Mönch drum angeſchaut, ob er ſchön ſei.
Warum?
Ich hab's für unnöthig gehalten.
Du gibſt heute ſonderbare Antworten, ſprach Frau Hadwig und erhob ſich. Sie trat an's Fenſter und blickte nordwärts. Jenſeits
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Frau Hadwig drohte mit dem Finger: Ich werd' dich aus meinen
Augen verbannen ob ſo unehrerbietiger Rede. Was haſt du über
Schulmeiſter zu läſtern?
Verzeihet, ſprach Praxedis, es iſt nicht ſchlimm gemeint. Aber
wenn ich ſo einen Mann der Bücher ſehe, wie der ernſtahft einher-
ſchreitet und einen Anlauf nimmt, um aus ſeinen Schriften das her-
auszugraben, von dem wir ungefähr auch ahnen, daß es kommen muß,
und wie er mit ſeinen Pergamenten zuſammengewachſen iſt, als wär's
ihm angethan worden, und ſeine Augen nur für die Buchſtaben einen
Blick haben und kaum für die Menſchen, die um ihn ſind: ſo ſteht
mir das Lachen nahe. Wenn ich nicht weiß ob Mitleid am rechten
Platze, ſo lach' ich. Des Mitleids wird er auch nicht bedürfen, er
verſteht ja mehr als ich.
Ein Lehrer muß ernſt ſein, ſagte die Herzogin, das gehört dazu
wie der Schnee zu unſern Alpen.
Ernſt, ja wohl! erwiederte die Griechin, in dieſem Land, wo der
Schnee die Berggipfel deckt, muß Alles ernſt ſein. Wär' ich doch ge-
lehrt wie Herr Ekkehard, um Euch zu ſagen, was ich meine. Ich
meine, man ſollte auch im Scherz lernen können, ſpielend, ohne den
Schweißtropfen der Anſtrengung auf der Stirn — was ſchön iſt,
muß gefallen und wahr zugleich ſein. Ich meine, das Wiſſen iſt wie
Honig, Verſchiedene können ihn holen, der Schmetterling ſummt um
den Blumenkelch und findet ihn auch, doch ſo ein deutſcher weiſer
Mann kommt mir vor wie ein Bär, der ſchwerfällig in den Bienen-
ſtock hineingreift und die Tatzen leckt — ich hab' an Bären keinen Gefallen.
Du biſt ein leichtſinnig Mägdlein, ſprach Frau Hadwig und un-
luſtig des Lernens. Wie gefällt dir denn Ekkehard ſonſt — ich meine
er ſei ſchön?
Praxedis ſah zu ihrer Gebieterin hinüber: Ich hab' noch keinen
Mönch drum angeſchaut, ob er ſchön ſei.
Warum?
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/133>, abgerufen am 25.11.2024.
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