brauset es und der Wald leuchtet, Schlangen winden sich an den Stämmen empor, da jagt's über die Berge wie ein Zug verzweifelter Geister, die nach der alten Heimath schauen ...
Ekkehard bekreuzte sich.
Ich sag's wie ich's weiß, sprach die Alte. Ich will den Heiland nicht beleidigen; aber er ist als ein Fremder in's Land gekommen, Ihr dienet ihm in fremder Sprache, die verstehen wir nicht. Wenn er auf unserem Grund und Boden erwachsen wäre, dann könnten wir zu ihm reden und wären seine treuesten Diener, und es stünd' besser um's alemannische Wesen.
Weib! rief Ekkehard zürnend, wir werden Euch verbrennen lassen ...
Wenn's in Euren Büchern steht, war die Antwort, daß das Holz des Waldes aufwächst, um alte Frauen zu verbrennen: ich hab' genug gelebt. Der Blitz hat neulich Einkehr bei der Waldfrau genommen -- fuhr sie fort und deutete auf einen schwärzlichen Streif an der Wand -- der Blitz hat die Waldfrau verschont.
Sie kauerte am Heerd nieder und blieb starr und unbeweglich sitzen. Die glühenden Kohlen warfen ein scharfes Streiflicht auf die runzligen Züge.
Es ist gut! sprach Ekkehard. Er verließ die Stube. Audifax war froh, als er wieder blauen Himmel über sich sah. Dort sind sie gesessen! sprach er und deutete den Berg hinauf. Ich werd's ansehen, sprach Ekkehard. Du gehst zum hohen Twiel zurück und bestellst zwei Knechte her mit Hacke und Beil, und Otfried, den Diacon von Singen, er soll eine Stola mitbringen und sein Meßbuch.
Audifax sprang davon. Ekkehard stieg auf den hohen Krähen.
In der Burg zu Hohentwiel war indeß die Herzogin an der Mittagstafel gesessen. Sie hatte oft unstet herumgeschaut, als wenn ihr Etwas fehle. Die Mahlzeit war kurz. Wie Frau Hadwig mit Praxedis allein war, hub sie an:
Wie gefällt dir unser neuer Lehrer, Praxedis?
Die Griechin lächelte.
Rede! sprach die Herzogin gebietend.
Ich hab' in Constantinopolis schon manchen Schulmeister gesehen, sprach Praxedis wegwerfend.
brauſet es und der Wald leuchtet, Schlangen winden ſich an den Stämmen empor, da jagt's über die Berge wie ein Zug verzweifelter Geiſter, die nach der alten Heimath ſchauen ...
Ekkehard bekreuzte ſich.
Ich ſag's wie ich's weiß, ſprach die Alte. Ich will den Heiland nicht beleidigen; aber er iſt als ein Fremder in's Land gekommen, Ihr dienet ihm in fremder Sprache, die verſtehen wir nicht. Wenn er auf unſerem Grund und Boden erwachſen wäre, dann könnten wir zu ihm reden und wären ſeine treueſten Diener, und es ſtünd' beſſer um's alemanniſche Weſen.
Weib! rief Ekkehard zürnend, wir werden Euch verbrennen laſſen ...
Wenn's in Euren Büchern ſteht, war die Antwort, daß das Holz des Waldes aufwächſt, um alte Frauen zu verbrennen: ich hab' genug gelebt. Der Blitz hat neulich Einkehr bei der Waldfrau genommen — fuhr ſie fort und deutete auf einen ſchwärzlichen Streif an der Wand — der Blitz hat die Waldfrau verſchont.
Sie kauerte am Heerd nieder und blieb ſtarr und unbeweglich ſitzen. Die glühenden Kohlen warfen ein ſcharfes Streiflicht auf die runzligen Züge.
Es iſt gut! ſprach Ekkehard. Er verließ die Stube. Audifax war froh, als er wieder blauen Himmel über ſich ſah. Dort ſind ſie geſeſſen! ſprach er und deutete den Berg hinauf. Ich werd's anſehen, ſprach Ekkehard. Du gehſt zum hohen Twiel zurück und beſtellſt zwei Knechte her mit Hacke und Beil, und Otfried, den Diacon von Singen, er ſoll eine Stola mitbringen und ſein Meßbuch.
Audifax ſprang davon. Ekkehard ſtieg auf den hohen Krähen.
In der Burg zu Hohentwiel war indeß die Herzogin an der Mittagstafel geſeſſen. Sie hatte oft unſtet herumgeſchaut, als wenn ihr Etwas fehle. Die Mahlzeit war kurz. Wie Frau Hadwig mit Praxedis allein war, hub ſie an:
Wie gefällt dir unſer neuer Lehrer, Praxedis?
Die Griechin lächelte.
Rede! ſprach die Herzogin gebietend.
Ich hab' in Conſtantinopolis ſchon manchen Schulmeiſter geſehen, ſprach Praxedis wegwerfend.
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brauſet es und der Wald leuchtet, Schlangen winden ſich an den
Stämmen empor, da jagt's über die Berge wie ein Zug verzweifelter
Geiſter, die nach der alten Heimath ſchauen ...
Ekkehard bekreuzte ſich.
Ich ſag's wie ich's weiß, ſprach die Alte. Ich will den Heiland
nicht beleidigen; aber er iſt als ein Fremder in's Land gekommen,
Ihr dienet ihm in fremder Sprache, die verſtehen wir nicht. Wenn
er auf unſerem Grund und Boden erwachſen wäre, dann könnten wir
zu ihm reden und wären ſeine treueſten Diener, und es ſtünd' beſſer
um's alemanniſche Weſen.
Weib! rief Ekkehard zürnend, wir werden Euch verbrennen
laſſen ...
Wenn's in Euren Büchern ſteht, war die Antwort, daß das Holz
des Waldes aufwächſt, um alte Frauen zu verbrennen: ich hab' genug
gelebt. Der Blitz hat neulich Einkehr bei der Waldfrau genommen —
fuhr ſie fort und deutete auf einen ſchwärzlichen Streif an der Wand —
der Blitz hat die Waldfrau verſchont.
Sie kauerte am Heerd nieder und blieb ſtarr und unbeweglich
ſitzen. Die glühenden Kohlen warfen ein ſcharfes Streiflicht auf die
runzligen Züge.
Es iſt gut! ſprach Ekkehard. Er verließ die Stube. Audifax
war froh, als er wieder blauen Himmel über ſich ſah. Dort ſind ſie
geſeſſen! ſprach er und deutete den Berg hinauf. Ich werd's anſehen,
ſprach Ekkehard. Du gehſt zum hohen Twiel zurück und beſtellſt zwei
Knechte her mit Hacke und Beil, und Otfried, den Diacon von Singen,
er ſoll eine Stola mitbringen und ſein Meßbuch.
Audifax ſprang davon. Ekkehard ſtieg auf den hohen Krähen.
In der Burg zu Hohentwiel war indeß die Herzogin an der
Mittagstafel geſeſſen. Sie hatte oft unſtet herumgeſchaut, als wenn
ihr Etwas fehle. Die Mahlzeit war kurz. Wie Frau Hadwig mit
Praxedis allein war, hub ſie an:
Wie gefällt dir unſer neuer Lehrer, Praxedis?
Die Griechin lächelte.
Rede! ſprach die Herzogin gebietend.
Ich hab' in Conſtantinopolis ſchon manchen Schulmeiſter geſehen,
ſprach Praxedis wegwerfend.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/132>, abgerufen am 24.07.2024.
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