Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.auf diesen seinen einzigen Blutsverwandten übergehen solle, er aber Das war schon lange, lange her, aber der Waldfrau war es als Der Abend kommt und die Herbstluft weht, Reifkälte spinnt um die Tannen, O Kreuz und Buch und Mönchsgebet -- Wir müssen Alle von dannen. Die Heimath wird dämmernd und dunkel und alt, Trüb rinnen die heiligen Quellen: Du götterumschwebter, du grünender Wald, Schon blitzt die Axt dich zu fällen! Und wir ziehen stumm, ein geschlagen Heer Erloschen sind unsere Sterne -- O Island, du eisiger Fels im Meer, Steig auf aus mächtiger Ferne. Steig auf und empfah unser reisig Geschlecht -- Auf geschnäbelten Schiffen kommen Die alten Götter, das alte Recht, Die alten Nordmänner geschwommen. Wo der Feuerberg loht, Glutasche fällt, Sturmwogen die Ufer umschäumen: Auf dir, du trotziges Ende der Welt, Die Winternacht woll'n wir verträumen! auf dieſen ſeinen einzigen Blutsverwandten übergehen ſolle, er aber Das war ſchon lange, lange her, aber der Waldfrau war es als Der Abend kommt und die Herbſtluft weht, Reifkälte ſpinnt um die Tannen, O Kreuz und Buch und Mönchsgebet — Wir müſſen Alle von dannen. Die Heimath wird dämmernd und dunkel und alt, Trüb rinnen die heiligen Quellen: Du götterumſchwebter, du grünender Wald, Schon blitzt die Axt dich zu fällen! Und wir ziehen ſtumm, ein geſchlagen Heer Erloſchen ſind unſere Sterne — O Island, du eiſiger Fels im Meer, Steig auf aus mächtiger Ferne. Steig auf und empfah unſer reiſig Geſchlecht — Auf geſchnäbelten Schiffen kommen Die alten Götter, das alte Recht, Die alten Nordmänner geſchwommen. Wo der Feuerberg loht, Glutaſche fällt, Sturmwogen die Ufer umſchäumen: Auf dir, du trotziges Ende der Welt, Die Winternacht woll'n wir verträumen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0128" n="106"/> auf dieſen ſeinen einzigen Blutsverwandten übergehen ſolle, er aber<lb/> griff einen Stab und ſprang im leinenen Hemde ohne Gürtel und<lb/> Schuhe über den Zaun ſeines Hofes, das Recht der <hi rendition="#aq">chrene chruda</hi><note xml:id="ed127" next="#edt127" place="end" n="127)"/><lb/> ſchrieb's ſo vor, und damit war er ſeiner Heimath ledig und ging in<lb/> Wälder und Wüſten — ein landflüchtiger Mann, und ging wieder<lb/> in's Dänenland zu ſeinen Nordmännern und kam nimmer zurück.<lb/> Nur eine dunkle Kunde ſagte, er ſei mit ihnen nach Island hinüber-<lb/> gefahren, wo die tapfern Seefahrer, die ihren Nacken nicht beugen<lb/> wollten vor neuem Glauben und neuer Herrſchaft, ſich ein kaltes<lb/> Aſyl gegründet.</p><lb/> <p>Das war ſchon lange, lange her, aber der Waldfrau war es als<lb/> ſähe ſie ihren Friduhelm noch, wie er in's Waldesdunkel ſprang; ſie<lb/> hatte damals in's Weiterdinger Kirchlein einen Kranz von Eiſenkraut<lb/> gehängt und viel Thränen vergoſſen .. kein Anderer hatte ſein Bild<lb/> aus ihrer Seele verdrängt. Die traurige Jahreszeit gemahnte ſie an<lb/> ein altes Nordmännerlied, das er ſie einſt gelehrt; das ſummte ſie<lb/> jetzt vor ſich hin:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Abend kommt und die Herbſtluft weht,</l><lb/> <l>Reifkälte ſpinnt um die Tannen,</l><lb/> <l>O Kreuz und Buch und Mönchsgebet —</l><lb/> <l>Wir müſſen Alle von dannen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Heimath wird dämmernd und dunkel und alt,</l><lb/> <l>Trüb rinnen die heiligen Quellen:</l><lb/> <l>Du götterumſchwebter, du grünender Wald,</l><lb/> <l>Schon blitzt die Axt dich zu fällen!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und wir ziehen ſtumm, ein geſchlagen Heer</l><lb/> <l>Erloſchen ſind unſere Sterne —</l><lb/> <l>O Island, du eiſiger Fels im Meer,</l><lb/> <l>Steig auf aus mächtiger Ferne.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Steig auf und empfah unſer reiſig Geſchlecht —</l><lb/> <l>Auf geſchnäbelten Schiffen kommen</l><lb/> <l>Die alten Götter, das alte Recht,</l><lb/> <l>Die alten Nordmänner geſchwommen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wo der Feuerberg loht, Glutaſche fällt,</l><lb/> <l>Sturmwogen die Ufer umſchäumen:</l><lb/> <l>Auf dir, du trotziges Ende der Welt,</l><lb/> <l>Die Winternacht woll'n wir verträumen!</l> </lg> </lg><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [106/0128]
auf dieſen ſeinen einzigen Blutsverwandten übergehen ſolle, er aber
griff einen Stab und ſprang im leinenen Hemde ohne Gürtel und
Schuhe über den Zaun ſeines Hofes, das Recht der chrene chruda
¹²⁷⁾
ſchrieb's ſo vor, und damit war er ſeiner Heimath ledig und ging in
Wälder und Wüſten — ein landflüchtiger Mann, und ging wieder
in's Dänenland zu ſeinen Nordmännern und kam nimmer zurück.
Nur eine dunkle Kunde ſagte, er ſei mit ihnen nach Island hinüber-
gefahren, wo die tapfern Seefahrer, die ihren Nacken nicht beugen
wollten vor neuem Glauben und neuer Herrſchaft, ſich ein kaltes
Aſyl gegründet.
Das war ſchon lange, lange her, aber der Waldfrau war es als
ſähe ſie ihren Friduhelm noch, wie er in's Waldesdunkel ſprang; ſie
hatte damals in's Weiterdinger Kirchlein einen Kranz von Eiſenkraut
gehängt und viel Thränen vergoſſen .. kein Anderer hatte ſein Bild
aus ihrer Seele verdrängt. Die traurige Jahreszeit gemahnte ſie an
ein altes Nordmännerlied, das er ſie einſt gelehrt; das ſummte ſie
jetzt vor ſich hin:
Der Abend kommt und die Herbſtluft weht,
Reifkälte ſpinnt um die Tannen,
O Kreuz und Buch und Mönchsgebet —
Wir müſſen Alle von dannen.
Die Heimath wird dämmernd und dunkel und alt,
Trüb rinnen die heiligen Quellen:
Du götterumſchwebter, du grünender Wald,
Schon blitzt die Axt dich zu fällen!
Und wir ziehen ſtumm, ein geſchlagen Heer
Erloſchen ſind unſere Sterne —
O Island, du eiſiger Fels im Meer,
Steig auf aus mächtiger Ferne.
Steig auf und empfah unſer reiſig Geſchlecht —
Auf geſchnäbelten Schiffen kommen
Die alten Götter, das alte Recht,
Die alten Nordmänner geſchwommen.
Wo der Feuerberg loht, Glutaſche fällt,
Sturmwogen die Ufer umſchäumen:
Auf dir, du trotziges Ende der Welt,
Die Winternacht woll'n wir verträumen!
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