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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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und das Evangelium gepredigt an derselben Stelle; es fiel kein Feuer
vom Himmel ihn zu verzehren, sie aber sahen, daß ihre Sache Nichts
war und bekehrten sich.124) Verständig sein heißt nicht lau im Glau-
ben sein ...

Das war damals ... begann Ekkehard.

Und itzt -- fiel ihm Frau Hadwig in's Wort, itzt steht die Kirche
aufgerichtet vom Rhein bis an's nördliche Meer, stärker als die Ca-
stelle der Römer zieht sich eine Kette von Klöstern durch's Land,
Festungen des Glaubens; bis in die Wildnisse des Schwarzwalds ist
längst das Wort christlicher Bekenner gedrungen, was wollt Ihr mit
den Nachzüglern vergangener Zeiten so schweren Kampf fechten?125)

So belohnet sie denn, sprach Ekkehard bitter.

Belohnen? sagte die Herzogin. Zwischen Entweder und Oder
führt noch manches Sträßlein. Wir müssen einschreiten gegen den
nächtlichen Unfug. Warum? Kein Reich mag gut bestehen bei zweierlei
Glauben, das führt die Gemüther gegen einand in Schlachtordnung
und ist unnöthig, so lange draußen Feinde genug lauern. Des Landes
Gesetz hat ihnen das thörige Wesen untersagt, sie sollen merken, daß
unser Gebot und Verbot nicht in Wind gesprochen ist.

Ekkehard schien von dieser Weisheit nicht befriedigt. Ein Zug
von Mißmuth flog über sein Antlitz.

Höret, fuhr die Herzogin fort, was ist Eure Meinung von der
Zauberei überhaupt?

Die Zauberei, sprach Ekkehard mit Ernst und schwerem Athemzug,
der auf den Vorsatz einer längeren Rede zu deuten schien, ist eine
verdammliche Kunst, wodurch der Mensch sich die Dämonen, die allent-
halb in der Natur walten und nisten, dienstbar macht. Auch im Un-
lebendigen ruht Lebendiges verborgen, wir hören es nicht und sehen
es nicht, aber verführend weht es an unbewachtes Gemüth, mehr zu
erfahren und mehr zu wirken, als ein treuer Knecht Gottes erfahren
und wirken kann -- das ist das alte Blendwerk der Schlange und
der Mächte der Finsterniß; wer sich ihnen zu eigen macht, kann ein
Stück von ihrer Gewalt erlangen, aber er herrscht über die Teufel
durch deren Obersten und verfällt ihm wenn seine Zeit aus ist. Darum
ist die Zauberei so alt wie die Sünde und statt daß der eine wahre
Glaube sei auf der Welt und die eine Mildigkeit der Werke, anzu-

und das Evangelium gepredigt an derſelben Stelle; es fiel kein Feuer
vom Himmel ihn zu verzehren, ſie aber ſahen, daß ihre Sache Nichts
war und bekehrten ſich.124) Verſtändig ſein heißt nicht lau im Glau-
ben ſein ...

Das war damals ... begann Ekkehard.

Und itzt — fiel ihm Frau Hadwig in's Wort, itzt ſteht die Kirche
aufgerichtet vom Rhein bis an's nördliche Meer, ſtärker als die Ca-
ſtelle der Römer zieht ſich eine Kette von Klöſtern durch's Land,
Feſtungen des Glaubens; bis in die Wildniſſe des Schwarzwalds iſt
längſt das Wort chriſtlicher Bekenner gedrungen, was wollt Ihr mit
den Nachzüglern vergangener Zeiten ſo ſchweren Kampf fechten?125)

So belohnet ſie denn, ſprach Ekkehard bitter.

Belohnen? ſagte die Herzogin. Zwiſchen Entweder und Oder
führt noch manches Sträßlein. Wir müſſen einſchreiten gegen den
nächtlichen Unfug. Warum? Kein Reich mag gut beſtehen bei zweierlei
Glauben, das führt die Gemüther gegen einand in Schlachtordnung
und iſt unnöthig, ſo lange draußen Feinde genug lauern. Des Landes
Geſetz hat ihnen das thörige Weſen unterſagt, ſie ſollen merken, daß
unſer Gebot und Verbot nicht in Wind geſprochen iſt.

Ekkehard ſchien von dieſer Weisheit nicht befriedigt. Ein Zug
von Mißmuth flog über ſein Antlitz.

Höret, fuhr die Herzogin fort, was iſt Eure Meinung von der
Zauberei überhaupt?

Die Zauberei, ſprach Ekkehard mit Ernſt und ſchwerem Athemzug,
der auf den Vorſatz einer längeren Rede zu deuten ſchien, iſt eine
verdammliche Kunſt, wodurch der Menſch ſich die Dämonen, die allent-
halb in der Natur walten und niſten, dienſtbar macht. Auch im Un-
lebendigen ruht Lebendiges verborgen, wir hören es nicht und ſehen
es nicht, aber verführend weht es an unbewachtes Gemüth, mehr zu
erfahren und mehr zu wirken, als ein treuer Knecht Gottes erfahren
und wirken kann — das iſt das alte Blendwerk der Schlange und
der Mächte der Finſterniß; wer ſich ihnen zu eigen macht, kann ein
Stück von ihrer Gewalt erlangen, aber er herrſcht über die Teufel
durch deren Oberſten und verfällt ihm wenn ſeine Zeit aus iſt. Darum
iſt die Zauberei ſo alt wie die Sünde und ſtatt daß der eine wahre
Glaube ſei auf der Welt und die eine Mildigkeit der Werke, anzu-

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[103/0125] und das Evangelium gepredigt an derſelben Stelle; es fiel kein Feuer vom Himmel ihn zu verzehren, ſie aber ſahen, daß ihre Sache Nichts war und bekehrten ſich. ¹²⁴⁾ Verſtändig ſein heißt nicht lau im Glau- ben ſein ... Das war damals ... begann Ekkehard. Und itzt — fiel ihm Frau Hadwig in's Wort, itzt ſteht die Kirche aufgerichtet vom Rhein bis an's nördliche Meer, ſtärker als die Ca- ſtelle der Römer zieht ſich eine Kette von Klöſtern durch's Land, Feſtungen des Glaubens; bis in die Wildniſſe des Schwarzwalds iſt längſt das Wort chriſtlicher Bekenner gedrungen, was wollt Ihr mit den Nachzüglern vergangener Zeiten ſo ſchweren Kampf fechten? ¹²⁵⁾ So belohnet ſie denn, ſprach Ekkehard bitter. Belohnen? ſagte die Herzogin. Zwiſchen Entweder und Oder führt noch manches Sträßlein. Wir müſſen einſchreiten gegen den nächtlichen Unfug. Warum? Kein Reich mag gut beſtehen bei zweierlei Glauben, das führt die Gemüther gegen einand in Schlachtordnung und iſt unnöthig, ſo lange draußen Feinde genug lauern. Des Landes Geſetz hat ihnen das thörige Weſen unterſagt, ſie ſollen merken, daß unſer Gebot und Verbot nicht in Wind geſprochen iſt. Ekkehard ſchien von dieſer Weisheit nicht befriedigt. Ein Zug von Mißmuth flog über ſein Antlitz. Höret, fuhr die Herzogin fort, was iſt Eure Meinung von der Zauberei überhaupt? Die Zauberei, ſprach Ekkehard mit Ernſt und ſchwerem Athemzug, der auf den Vorſatz einer längeren Rede zu deuten ſchien, iſt eine verdammliche Kunſt, wodurch der Menſch ſich die Dämonen, die allent- halb in der Natur walten und niſten, dienſtbar macht. Auch im Un- lebendigen ruht Lebendiges verborgen, wir hören es nicht und ſehen es nicht, aber verführend weht es an unbewachtes Gemüth, mehr zu erfahren und mehr zu wirken, als ein treuer Knecht Gottes erfahren und wirken kann — das iſt das alte Blendwerk der Schlange und der Mächte der Finſterniß; wer ſich ihnen zu eigen macht, kann ein Stück von ihrer Gewalt erlangen, aber er herrſcht über die Teufel durch deren Oberſten und verfällt ihm wenn ſeine Zeit aus iſt. Darum iſt die Zauberei ſo alt wie die Sünde und ſtatt daß der eine wahre Glaube ſei auf der Welt und die eine Mildigkeit der Werke, anzu-

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/125>, abgerufen am 24.11.2024.