zurückbeschworen, möchte eines Morgens, wenn der Hahn kräht, wieder versunken sein in Schutt und Moder der Vergessenheit, gleich jenem gespenstigen Kloster am See, von dem nur ein leise klingendes Glöcklein tief unter den Wellen dunkle Kunde gibt.
Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, in wiefern der Grund dieser Erscheinung dem Treiben und der Methode unserer Gelehrsamkeit beizumessen.
Das Sammeln alterthümlichen Stoffes kann wie das Sam- meln von Goldkörnern zu einer Leidenschaft werden, die zusam- menträgt und zusammenscharrt, eben um zusammen zu scharren, und ganz vergißt, daß das gewonnene Metall auch gereinigt, umgeschmolzen und verwerthet werden soll. Denn was wird sonst erreicht?
Ein ewiges Befangenbleiben im Rohmaterial, eine Gleich- werthschätzung des Unbedeutenden wie des Bedeutenden, eine Scheu vor irgend einem fertigen Abschließen, weil ja da oder dort noch ein Fetzen beigebracht werden könnte, der neuen Auf- schluß gibt, und im Ganzen -- eine Literatur von Gelehrten für Gelehrte, an der die Mehrzahl der Nation theilnahmlos vor- übergeht und mit einem Blick zum blauen Himmel ihrem Schöpfer dankt, daß sie nichts davon zu lesen braucht.
Der Schreiber dieses Buches ist in sonnigen Jugendtagen einstmals mit etlichen Freunden durch die römische Campagna gestrichen. Da stießen sie auf Reste eines alten Grabmals, und unter Schutt und Trümmern lag auch, von graugrünem Acanthus überrankt, ein Haufe auseinandergerissener Mosaiksteine, die ehe- dem in stattlichem Bild und Ornamentenwerk des Grabes Fuß-
zurückbeſchworen, möchte eines Morgens, wenn der Hahn kräht, wieder verſunken ſein in Schutt und Moder der Vergeſſenheit, gleich jenem geſpenſtigen Kloſter am See, von dem nur ein leiſe klingendes Glöcklein tief unter den Wellen dunkle Kunde gibt.
Es iſt hier nicht der Ort, zu unterſuchen, in wiefern der Grund dieſer Erſcheinung dem Treiben und der Methode unſerer Gelehrſamkeit beizumeſſen.
Das Sammeln alterthümlichen Stoffes kann wie das Sam- meln von Goldkörnern zu einer Leidenſchaft werden, die zuſam- menträgt und zuſammenſcharrt, eben um zuſammen zu ſcharren, und ganz vergißt, daß das gewonnene Metall auch gereinigt, umgeſchmolzen und verwerthet werden ſoll. Denn was wird ſonſt erreicht?
Ein ewiges Befangenbleiben im Rohmaterial, eine Gleich- werthſchätzung des Unbedeutenden wie des Bedeutenden, eine Scheu vor irgend einem fertigen Abſchließen, weil ja da oder dort noch ein Fetzen beigebracht werden könnte, der neuen Auf- ſchluß gibt, und im Ganzen — eine Literatur von Gelehrten für Gelehrte, an der die Mehrzahl der Nation theilnahmlos vor- übergeht und mit einem Blick zum blauen Himmel ihrem Schöpfer dankt, daß ſie nichts davon zu leſen braucht.
Der Schreiber dieſes Buches iſt in ſonnigen Jugendtagen einſtmals mit etlichen Freunden durch die römiſche Campagna geſtrichen. Da ſtießen ſie auf Reſte eines alten Grabmals, und unter Schutt und Trümmern lag auch, von graugrünem Acanthus überrankt, ein Haufe auseinandergeriſſener Moſaikſteine, die ehe- dem in ſtattlichem Bild und Ornamentenwerk des Grabes Fuß-
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[II/0012]
zurückbeſchworen, möchte eines Morgens, wenn der Hahn kräht,
wieder verſunken ſein in Schutt und Moder der Vergeſſenheit,
gleich jenem geſpenſtigen Kloſter am See, von dem nur ein leiſe
klingendes Glöcklein tief unter den Wellen dunkle Kunde gibt.
Es iſt hier nicht der Ort, zu unterſuchen, in wiefern der
Grund dieſer Erſcheinung dem Treiben und der Methode unſerer
Gelehrſamkeit beizumeſſen.
Das Sammeln alterthümlichen Stoffes kann wie das Sam-
meln von Goldkörnern zu einer Leidenſchaft werden, die zuſam-
menträgt und zuſammenſcharrt, eben um zuſammen zu ſcharren,
und ganz vergißt, daß das gewonnene Metall auch gereinigt,
umgeſchmolzen und verwerthet werden ſoll. Denn was wird
ſonſt erreicht?
Ein ewiges Befangenbleiben im Rohmaterial, eine Gleich-
werthſchätzung des Unbedeutenden wie des Bedeutenden, eine
Scheu vor irgend einem fertigen Abſchließen, weil ja da oder
dort noch ein Fetzen beigebracht werden könnte, der neuen Auf-
ſchluß gibt, und im Ganzen — eine Literatur von Gelehrten für
Gelehrte, an der die Mehrzahl der Nation theilnahmlos vor-
übergeht und mit einem Blick zum blauen Himmel ihrem Schöpfer
dankt, daß ſie nichts davon zu leſen braucht.
Der Schreiber dieſes Buches iſt in ſonnigen Jugendtagen
einſtmals mit etlichen Freunden durch die römiſche Campagna
geſtrichen. Da ſtießen ſie auf Reſte eines alten Grabmals, und
unter Schutt und Trümmern lag auch, von graugrünem Acanthus
überrankt, ein Haufe auseinandergeriſſener Moſaikſteine, die ehe-
dem in ſtattlichem Bild und Ornamentenwerk des Grabes Fuß-
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. II. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/12>, abgerufen am 30.01.2025.
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