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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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erwerben und festzuhalten war, da er ihre Tochter Düvecke, sein armes Täubchen, so heftig und rücksichtslos liebte und mit dem noch liebevollen Auge nun auch die Mutter nur noch dankbarer ansah.

Aus allen diesen Gründen nahm sie auf ihre Tochter nur wenig oder gar keine Rücksicht. Sie konnte und sollte Königin sein in der That, wenn auch nicht dem Namen nach. Düvecke aber war seit der Entdeckung, wie ungeheuer sie betrogen worden, im Herzen todt. Sie war Eine von jenen Millionen Menschen, die ihr Leben verfehlt, ihr reines Herz voll unabwerflicher Schuld empfinden und nur fortzuleben scheinen, weil sie nicht sterben und antheillose Zuschauer der Welt und ihres eigenen Daseins sind. Der dem Volke und ihr verhaßte Herzog war ihr Geliebter, oder . . . ihr Geliebter hatte sie schändlich betrogen; sie also nicht, oder doch nicht recht geliebt, denn er hatte sie nicht geehrt. Diese Entehrung empfand sie mit der Schärfe und Klarheit, der Stärke und Reinheit eines jeden jungfräulichen Wesens, das die Natur gebildet und ihm höhere Ansprüche, größere Ehren angeboren, als ein vergänglicher König ihm geben, geben lassen oder vorspiegeln konnte. Ihr Spiegel war der reine blaue Himmel, in welchem ein Gott wohnt, vor welchem alle Creatur nur Creatur ist; -- und Ueberlistung ärgert ein jedes Weib; auch würde es bei der Fülle von Gütern unzählig mehr Glückliche geben, wenn die Menschen nicht einem Zustande widerständen, den sie nicht herbeigewünscht und geschaffen haben.

erwerben und festzuhalten war, da er ihre Tochter Düvecke, sein armes Täubchen, so heftig und rücksichtslos liebte und mit dem noch liebevollen Auge nun auch die Mutter nur noch dankbarer ansah.

Aus allen diesen Gründen nahm sie auf ihre Tochter nur wenig oder gar keine Rücksicht. Sie konnte und sollte Königin sein in der That, wenn auch nicht dem Namen nach. Düvecke aber war seit der Entdeckung, wie ungeheuer sie betrogen worden, im Herzen todt. Sie war Eine von jenen Millionen Menschen, die ihr Leben verfehlt, ihr reines Herz voll unabwerflicher Schuld empfinden und nur fortzuleben scheinen, weil sie nicht sterben und antheillose Zuschauer der Welt und ihres eigenen Daseins sind. Der dem Volke und ihr verhaßte Herzog war ihr Geliebter, oder . . . ihr Geliebter hatte sie schändlich betrogen; sie also nicht, oder doch nicht recht geliebt, denn er hatte sie nicht geehrt. Diese Entehrung empfand sie mit der Schärfe und Klarheit, der Stärke und Reinheit eines jeden jungfräulichen Wesens, das die Natur gebildet und ihm höhere Ansprüche, größere Ehren angeboren, als ein vergänglicher König ihm geben, geben lassen oder vorspiegeln konnte. Ihr Spiegel war der reine blaue Himmel, in welchem ein Gott wohnt, vor welchem alle Creatur nur Creatur ist; — und Ueberlistung ärgert ein jedes Weib; auch würde es bei der Fülle von Gütern unzählig mehr Glückliche geben, wenn die Menschen nicht einem Zustande widerständen, den sie nicht herbeigewünscht und geschaffen haben.

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Thomas Weitin: Herausgeber
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/59>, abgerufen am 25.11.2024.