Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und den Schmerz einer Trennung vom Geliebten mit der Stärke, die alles Erste auf ein zartes Gemüth übt; ihn zu verlieren schien ihr unmöglich; und doch vermochte sie nicht das Wort zu sagen: Nimm mich mit! nimm mich mit dir! -- sondern er sagte ihr mit der weichen, schmelzenden Stimme der Liebe, als sie mit dumpfen Sinnen und düstern Schmerzen zum ersten Mal an seiner Brust lag: Komm du mit mir, meine Düvecke! -- Und ihr erster Kuß war ihre stumme, schwere, bange und süß bezaubernde Einwilligung. Und während er sie an sich preßte, bedeuteten die wenige Worte, die wie erquickender Regen in das erweichte Herz fielen. Sie blickte seitwärts von ihm zum Himmel -- und auf schweren, finstern Regenwolken stand ein prangender Regenbogen -- sie nahm ihn für ein Zeichen der Hoffnung -- sie drückte ihm die Hände -- er erstickte ihre Lippen mit Küssen -- und die Stadt und die Mutter und Torbern . . . . aber auch der ihr entsetzliche Herzog, waren schon im Geiste verlassen. Der folgende Tag war ein Sonntag. Sie ging in die Kirche, gleichsam von dem lieben Gott in Bergen Abschied zu nehmen, still noch einmal alle guten Freundinnen und Freunde zu sehen und zu grüßen, auch wohl sich noch einmal hier sehen und bewundern zu lassen, damit sie in geehrtem Andenken bleibe, und alle Rechtschaffenen und alle Kenner und Gönner des Schönen sie entschuldigten, ja belobten. Sie betete dann inbrünstig, mit der Gemeinde hinknieend, und bat Gott, ihre und den Schmerz einer Trennung vom Geliebten mit der Stärke, die alles Erste auf ein zartes Gemüth übt; ihn zu verlieren schien ihr unmöglich; und doch vermochte sie nicht das Wort zu sagen: Nimm mich mit! nimm mich mit dir! — sondern er sagte ihr mit der weichen, schmelzenden Stimme der Liebe, als sie mit dumpfen Sinnen und düstern Schmerzen zum ersten Mal an seiner Brust lag: Komm du mit mir, meine Düvecke! — Und ihr erster Kuß war ihre stumme, schwere, bange und süß bezaubernde Einwilligung. Und während er sie an sich preßte, bedeuteten die wenige Worte, die wie erquickender Regen in das erweichte Herz fielen. Sie blickte seitwärts von ihm zum Himmel — und auf schweren, finstern Regenwolken stand ein prangender Regenbogen — sie nahm ihn für ein Zeichen der Hoffnung — sie drückte ihm die Hände — er erstickte ihre Lippen mit Küssen — und die Stadt und die Mutter und Torbern . . . . aber auch der ihr entsetzliche Herzog, waren schon im Geiste verlassen. Der folgende Tag war ein Sonntag. Sie ging in die Kirche, gleichsam von dem lieben Gott in Bergen Abschied zu nehmen, still noch einmal alle guten Freundinnen und Freunde zu sehen und zu grüßen, auch wohl sich noch einmal hier sehen und bewundern zu lassen, damit sie in geehrtem Andenken bleibe, und alle Rechtschaffenen und alle Kenner und Gönner des Schönen sie entschuldigten, ja belobten. Sie betete dann inbrünstig, mit der Gemeinde hinknieend, und bat Gott, ihre <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0032"/> und den Schmerz einer Trennung vom Geliebten mit der Stärke, die alles Erste auf ein zartes Gemüth übt; ihn zu verlieren schien ihr unmöglich; und doch vermochte sie nicht das Wort zu sagen: Nimm mich mit! nimm mich mit dir! — sondern er sagte ihr mit der weichen, schmelzenden Stimme der Liebe, als sie mit dumpfen Sinnen und düstern Schmerzen zum ersten Mal an seiner Brust lag: Komm du mit mir, meine Düvecke! — Und ihr erster Kuß war ihre stumme, schwere, bange und süß bezaubernde Einwilligung. Und während er sie an sich preßte, bedeuteten die wenige Worte, die wie erquickender Regen in das erweichte Herz fielen. Sie blickte seitwärts von ihm zum Himmel — und auf schweren, finstern Regenwolken stand ein prangender Regenbogen — sie nahm ihn für ein Zeichen der Hoffnung — sie drückte ihm die Hände — er erstickte ihre Lippen mit Küssen — und die Stadt und die Mutter und Torbern . . . . aber auch der ihr entsetzliche Herzog, waren schon im Geiste verlassen.</p><lb/> <p>Der folgende Tag war ein Sonntag. Sie ging in die Kirche, gleichsam von dem lieben Gott in Bergen Abschied zu nehmen, still noch einmal alle guten Freundinnen und Freunde zu sehen und zu grüßen, auch wohl sich noch einmal hier sehen und bewundern zu lassen, damit sie in geehrtem Andenken bleibe, und alle Rechtschaffenen und alle Kenner und Gönner des Schönen sie entschuldigten, ja belobten. Sie betete dann inbrünstig, mit der Gemeinde hinknieend, und bat Gott, ihre<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
und den Schmerz einer Trennung vom Geliebten mit der Stärke, die alles Erste auf ein zartes Gemüth übt; ihn zu verlieren schien ihr unmöglich; und doch vermochte sie nicht das Wort zu sagen: Nimm mich mit! nimm mich mit dir! — sondern er sagte ihr mit der weichen, schmelzenden Stimme der Liebe, als sie mit dumpfen Sinnen und düstern Schmerzen zum ersten Mal an seiner Brust lag: Komm du mit mir, meine Düvecke! — Und ihr erster Kuß war ihre stumme, schwere, bange und süß bezaubernde Einwilligung. Und während er sie an sich preßte, bedeuteten die wenige Worte, die wie erquickender Regen in das erweichte Herz fielen. Sie blickte seitwärts von ihm zum Himmel — und auf schweren, finstern Regenwolken stand ein prangender Regenbogen — sie nahm ihn für ein Zeichen der Hoffnung — sie drückte ihm die Hände — er erstickte ihre Lippen mit Küssen — und die Stadt und die Mutter und Torbern . . . . aber auch der ihr entsetzliche Herzog, waren schon im Geiste verlassen.
Der folgende Tag war ein Sonntag. Sie ging in die Kirche, gleichsam von dem lieben Gott in Bergen Abschied zu nehmen, still noch einmal alle guten Freundinnen und Freunde zu sehen und zu grüßen, auch wohl sich noch einmal hier sehen und bewundern zu lassen, damit sie in geehrtem Andenken bleibe, und alle Rechtschaffenen und alle Kenner und Gönner des Schönen sie entschuldigten, ja belobten. Sie betete dann inbrünstig, mit der Gemeinde hinknieend, und bat Gott, ihre
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Zitationshilfe: | Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/32>, abgerufen am 16.02.2025. |