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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hatte der Sausebraus keinen Gedanken; Waffenruhm, Faustthaten, das war sein Begehr. Und doch dauert mich das arme junge Blut!

Das meine ich auch! schaltete Frau Sigbritte ein.

Nicht von Natur war er so eigensüchtig und wollte Alles auf seinen Kuchen schaben, was in der Welt süß ist; und der Kuchen der Großen ist groß und ihr Messer lang. Aber seine ersten Erzieher waren Schwachköpfe, und wenn eines Kindes Gemüth in den ersten fünf Jahren nicht schon völlig gerichtet und gestimmt ist, so helfen alle späteren Helfershelfer nichts. Also sein Kern ward verdorben; denn selbständige, selbstwollende, großherzige Prinzlein hat man nicht gern, und so verdarben ihn die Schmeicheleien und die Reizungen der Hofbedienten und Hofbedientinnen zu Stolz und -- Reizen, als wären sie vom Volke oder von auswärtigen Feinden dafür mit goldenen Bergen belohnt worden! Und ob unsers Herrn Herzogs Erziehung Sr. Majestät gewiß tausend Sorgen gemacht, so war sie doch schlecht, wie ausgesucht. Denn nachdem der Kern vergiftet war, gab ihn sein mildgesinnter Vater, der ein Bürgerfreund sein und scheinen wollte, den Knaben, zu dem Bürger Hans Vogebinder in Kopenhagen ins Haus und an den Tisch, und der Chorherr Georg Hinze leierte ihm Etwas von der Lyra am Himmel vor -- aus der neuen Lehre des wahren und bleibenden Gegenpapstes Tycho de Brahe --, da doch die Sternkunde alle großen Menschen klein macht, und was sie sich etwa einbilden, auf

hatte der Sausebraus keinen Gedanken; Waffenruhm, Faustthaten, das war sein Begehr. Und doch dauert mich das arme junge Blut!

Das meine ich auch! schaltete Frau Sigbritte ein.

Nicht von Natur war er so eigensüchtig und wollte Alles auf seinen Kuchen schaben, was in der Welt süß ist; und der Kuchen der Großen ist groß und ihr Messer lang. Aber seine ersten Erzieher waren Schwachköpfe, und wenn eines Kindes Gemüth in den ersten fünf Jahren nicht schon völlig gerichtet und gestimmt ist, so helfen alle späteren Helfershelfer nichts. Also sein Kern ward verdorben; denn selbständige, selbstwollende, großherzige Prinzlein hat man nicht gern, und so verdarben ihn die Schmeicheleien und die Reizungen der Hofbedienten und Hofbedientinnen zu Stolz und — Reizen, als wären sie vom Volke oder von auswärtigen Feinden dafür mit goldenen Bergen belohnt worden! Und ob unsers Herrn Herzogs Erziehung Sr. Majestät gewiß tausend Sorgen gemacht, so war sie doch schlecht, wie ausgesucht. Denn nachdem der Kern vergiftet war, gab ihn sein mildgesinnter Vater, der ein Bürgerfreund sein und scheinen wollte, den Knaben, zu dem Bürger Hans Vogebinder in Kopenhagen ins Haus und an den Tisch, und der Chorherr Georg Hinze leierte ihm Etwas von der Lyra am Himmel vor — aus der neuen Lehre des wahren und bleibenden Gegenpapstes Tycho de Brahe —, da doch die Sternkunde alle großen Menschen klein macht, und was sie sich etwa einbilden, auf

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/24>, abgerufen am 21.11.2024.