Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

geht und in der Ordnung der Natur, so sterben ihnen die Aeltern erst, und sie sterben in der Kinder Armen -- wenn es ihnen so wohl geworden! -- Ich, ich kann da sterben, wo ich zuerst gelebt -- und nach mir bleibt die Welt noch voll und ganz -- es bleibt Alles übrig und da, was ich je gekannt, und ich -- nur ich war ein Traum! -- Torbern, leb wohl! Auf Wiedersehen! Dort will ich dir danken -- hier hast du mir nicht Zeit gelassen -- deine Kirschen sind gut!

Sie reichte ihm die Hand, aber konnte sie, oder wollte sie nicht drücken. Er war außer sich. Sie mochte sich fühlen, sie eilte wankend und schwach von ihm weg -- zur Mutter, bei der ihr Knabe schon war.

Es war düster geworden. Der Mond schien ihm hier in das Zimmer, wie er ihm dort in Bergen in Sigbritte's Hause vom Meere herein in das Zimmer geschienen, und, kam es ihm so vor, so saß auch die Eule wieder auf dem Hause und kreischte, ihn schmählich an sein verlorenes Leben erinnernd.

Und wie damals stürzte er fort.

Frau Sigbritte hatte nach dem Könige geschickt. Er kam. Er schien nicht rasend, sondern er rasete wirklich. Und der fortdauernde Tod seiner geliebten Düvecke, ohne die ihm Reich und Leben und Welt keinen Werth mehr hatten, erhielt ihn in fortdauerndem Wahnsinn, durch den er sich willig, sichtlich, ja freudig sein Grab wühlte.

Jetzt zuerst ließ er die Königin holen -- sie sah,

geht und in der Ordnung der Natur, so sterben ihnen die Aeltern erst, und sie sterben in der Kinder Armen — wenn es ihnen so wohl geworden! — Ich, ich kann da sterben, wo ich zuerst gelebt — und nach mir bleibt die Welt noch voll und ganz — es bleibt Alles übrig und da, was ich je gekannt, und ich — nur ich war ein Traum! — Torbern, leb wohl! Auf Wiedersehen! Dort will ich dir danken — hier hast du mir nicht Zeit gelassen — deine Kirschen sind gut!

Sie reichte ihm die Hand, aber konnte sie, oder wollte sie nicht drücken. Er war außer sich. Sie mochte sich fühlen, sie eilte wankend und schwach von ihm weg — zur Mutter, bei der ihr Knabe schon war.

Es war düster geworden. Der Mond schien ihm hier in das Zimmer, wie er ihm dort in Bergen in Sigbritte's Hause vom Meere herein in das Zimmer geschienen, und, kam es ihm so vor, so saß auch die Eule wieder auf dem Hause und kreischte, ihn schmählich an sein verlorenes Leben erinnernd.

Und wie damals stürzte er fort.

Frau Sigbritte hatte nach dem Könige geschickt. Er kam. Er schien nicht rasend, sondern er rasete wirklich. Und der fortdauernde Tod seiner geliebten Düvecke, ohne die ihm Reich und Leben und Welt keinen Werth mehr hatten, erhielt ihn in fortdauerndem Wahnsinn, durch den er sich willig, sichtlich, ja freudig sein Grab wühlte.

Jetzt zuerst ließ er die Königin holen — sie sah,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="7">
        <p><pb facs="#f0104"/>
geht und in der                Ordnung der Natur, so sterben ihnen die Aeltern erst, und sie sterben in der Kinder                Armen &#x2014; wenn es ihnen so wohl geworden! &#x2014; Ich, ich kann da sterben, wo ich zuerst                gelebt &#x2014; und nach mir bleibt die Welt noch voll und ganz &#x2014; es bleibt Alles übrig und                da, was ich je gekannt, und ich &#x2014; nur ich war ein Traum! &#x2014; Torbern, leb wohl! Auf                Wiedersehen! Dort will ich dir danken &#x2014; hier hast du mir nicht Zeit gelassen &#x2014; deine                Kirschen sind gut!</p><lb/>
        <p>Sie reichte ihm die Hand, aber konnte sie, oder wollte sie nicht drücken. Er war                außer sich. Sie mochte sich fühlen, sie eilte wankend und schwach von ihm weg &#x2014; zur                Mutter, bei der ihr Knabe schon war.</p><lb/>
        <p>Es war düster geworden. Der Mond schien ihm hier in das Zimmer, wie er ihm dort in                Bergen in Sigbritte's Hause vom Meere herein in das Zimmer geschienen, und, kam es                ihm so vor, so saß auch die Eule wieder auf dem Hause und kreischte, ihn schmählich                an sein verlorenes Leben erinnernd.</p><lb/>
        <p>Und wie damals stürzte er fort.</p><lb/>
        <p>Frau Sigbritte hatte nach dem Könige geschickt. Er kam. Er schien nicht rasend,                sondern er rasete wirklich. Und der fortdauernde Tod seiner geliebten Düvecke, ohne                die ihm Reich und Leben und Welt keinen Werth mehr hatten, erhielt ihn in                fortdauerndem Wahnsinn, durch den er sich willig, sichtlich, ja freudig sein Grab                wühlte.</p><lb/>
        <p>Jetzt zuerst ließ er die Königin holen &#x2014; sie sah,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0104] geht und in der Ordnung der Natur, so sterben ihnen die Aeltern erst, und sie sterben in der Kinder Armen — wenn es ihnen so wohl geworden! — Ich, ich kann da sterben, wo ich zuerst gelebt — und nach mir bleibt die Welt noch voll und ganz — es bleibt Alles übrig und da, was ich je gekannt, und ich — nur ich war ein Traum! — Torbern, leb wohl! Auf Wiedersehen! Dort will ich dir danken — hier hast du mir nicht Zeit gelassen — deine Kirschen sind gut! Sie reichte ihm die Hand, aber konnte sie, oder wollte sie nicht drücken. Er war außer sich. Sie mochte sich fühlen, sie eilte wankend und schwach von ihm weg — zur Mutter, bei der ihr Knabe schon war. Es war düster geworden. Der Mond schien ihm hier in das Zimmer, wie er ihm dort in Bergen in Sigbritte's Hause vom Meere herein in das Zimmer geschienen, und, kam es ihm so vor, so saß auch die Eule wieder auf dem Hause und kreischte, ihn schmählich an sein verlorenes Leben erinnernd. Und wie damals stürzte er fort. Frau Sigbritte hatte nach dem Könige geschickt. Er kam. Er schien nicht rasend, sondern er rasete wirklich. Und der fortdauernde Tod seiner geliebten Düvecke, ohne die ihm Reich und Leben und Welt keinen Werth mehr hatten, erhielt ihn in fortdauerndem Wahnsinn, durch den er sich willig, sichtlich, ja freudig sein Grab wühlte. Jetzt zuerst ließ er die Königin holen — sie sah,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/104
Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/104>, abgerufen am 25.11.2024.