Möchten doch alle diejenigen, welche Men- schen bilden sollen, mit diesem Triebe gewissenhaft verfahren. Weg bey dem Erzieher mit allem, was Schwäche ist, die seine Pflicht dem Eigen- willen und unvernünftigen Begierden des Zöglings unterwirft! -- Weg aber auch mit allen den Mitteln, wodurch das Thier gezähmt, der Mensch aber nicht gebildet wird. -- Man gewöhne den Jüngling und das Mädchen, Strafe und Belohnung, Befehle und Verbote sich selbst zu geben; zähme nur alsdann, wenn das Thie- rische im Menschen, die unbändige Leidenschaft die Oberherrschaft an sich gerissen hat, und sich von selbst nicht wieder zur Ruhe begiebt: und lehre die Vernunft herrschen; so wird man den Zweck der Natur erreichen, freye Menschen zu bilden.
Neunte
Moͤchten doch alle diejenigen, welche Men- ſchen bilden ſollen, mit dieſem Triebe gewiſſenhaft verfahren. Weg bey dem Erzieher mit allem, was Schwaͤche iſt, die ſeine Pflicht dem Eigen- willen und unvernuͤnftigen Begierden des Zoͤglings unterwirft! — Weg aber auch mit allen den Mitteln, wodurch das Thier gezaͤhmt, der Menſch aber nicht gebildet wird. — Man gewoͤhne den Juͤngling und das Maͤdchen, Strafe und Belohnung, Befehle und Verbote ſich ſelbſt zu geben; zaͤhme nur alsdann, wenn das Thie- riſche im Menſchen, die unbaͤndige Leidenſchaft die Oberherrſchaft an ſich geriſſen hat, und ſich von ſelbſt nicht wieder zur Ruhe begiebt: und lehre die Vernunft herrſchen; ſo wird man den Zweck der Natur erreichen, freye Menſchen zu bilden.
Neunte
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[382/0098]
Moͤchten doch alle diejenigen, welche Men-
ſchen bilden ſollen, mit dieſem Triebe gewiſſenhaft
verfahren. Weg bey dem Erzieher mit allem,
was Schwaͤche iſt, die ſeine Pflicht dem Eigen-
willen und unvernuͤnftigen Begierden des Zoͤglings
unterwirft! — Weg aber auch mit allen den
Mitteln, wodurch das Thier gezaͤhmt, der
Menſch aber nicht gebildet wird. — Man
gewoͤhne den Juͤngling und das Maͤdchen, Strafe
und Belohnung, Befehle und Verbote ſich ſelbſt
zu geben; zaͤhme nur alsdann, wenn das Thie-
riſche im Menſchen, die unbaͤndige Leidenſchaft
die Oberherrſchaft an ſich geriſſen hat, und ſich
von ſelbſt nicht wieder zur Ruhe begiebt: und
lehre die Vernunft herrſchen; ſo wird man den
Zweck der Natur erreichen, freye Menſchen zu
bilden.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/98>, abgerufen am 23.11.2024.
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