an dessen Genuß es verhindert, einen Werth und Wichtigkeit habe; man wird dadurch aufmerk- sam auf die Sache, die Einbildungskraft von der beleidigten Eigenliebe verführt, mahlt sie schön aus, man bestrebt sich nach ihrem Besitz.
Wohl dem Menschen, deß Trieb nach Frey- heit von der Vernunft geleitet wird! Sie allein führt ihn zum Ziele wahrer Jndependenz. Denn der Vernunft gehorchen ist Freyheit.
Wer in diesem Gehorsam seine Unabhängig- keit setzt, der ist edel -- der steht fest unter den Schlägen des Schicksals und dem Wirbel der Leidenschaften.
-- velut rupes, vastum quae prodit in aequor Obvia ventorum furiis, expostaque ponto, Vim cunctam atque minas perfert coelique marisque Ipsa inmota manens.*)
Aber wenn die Leidenschaft das Herz regiert, dann wird der Trieb nach Freyheit zügellos und der Mensch ein zügelloser Sclav. Nicht wohin er
will,
*)Virgil. Aeneid. lib. 10. v. 693 -- 696. "Wie ein Fels, der ins weite Meer tritt, der Wuth der Winde begegnend und den Wogen des Pontus blos gestellt, alle Gewalt und Drohung des Meers und des Himmels erträgt -- und unbewegt bleibt.
an deſſen Genuß es verhindert, einen Werth und Wichtigkeit habe; man wird dadurch aufmerk- ſam auf die Sache, die Einbildungskraft von der beleidigten Eigenliebe verfuͤhrt, mahlt ſie ſchoͤn aus, man beſtrebt ſich nach ihrem Beſitz.
Wohl dem Menſchen, deß Trieb nach Frey- heit von der Vernunft geleitet wird! Sie allein fuͤhrt ihn zum Ziele wahrer Jndependenz. Denn der Vernunft gehorchen iſt Freyheit.
Wer in dieſem Gehorſam ſeine Unabhaͤngig- keit ſetzt, der iſt edel — der ſteht feſt unter den Schlaͤgen des Schickſals und dem Wirbel der Leidenſchaften.
— velut rupes, vaſtum quae prodit in aequor Obvia ventorum furiis, expoſtaque ponto, Vim cunctam atque minas perfert coelique marisque Ipſa inmota manens.*)
Aber wenn die Leidenſchaft das Herz regiert, dann wird der Trieb nach Freyheit zuͤgellos und der Menſch ein zuͤgelloſer Sclav. Nicht wohin er
will,
*)Virgil. Aeneid. lib. 10. v. 693 — 696. „Wie ein Fels, der ins weite Meer tritt, der Wuth der Winde begegnend und den Wogen des Pontus blos geſtellt, alle Gewalt und Drohung des Meers und des Himmels ertraͤgt — und unbewegt bleibt.
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an deſſen Genuß es verhindert, einen Werth und
Wichtigkeit habe; man wird dadurch aufmerk-
ſam auf die Sache, die Einbildungskraft von der
beleidigten Eigenliebe verfuͤhrt, mahlt ſie ſchoͤn
aus, man beſtrebt ſich nach ihrem Beſitz.
Wohl dem Menſchen, deß Trieb nach Frey-
heit von der Vernunft geleitet wird! Sie allein
fuͤhrt ihn zum Ziele wahrer Jndependenz. Denn
der Vernunft gehorchen iſt Freyheit.
Wer in dieſem Gehorſam ſeine Unabhaͤngig-
keit ſetzt, der iſt edel — der ſteht feſt unter den
Schlaͤgen des Schickſals und dem Wirbel der
Leidenſchaften.
— velut rupes, vaſtum quae prodit in
aequor
Obvia ventorum furiis, expoſtaque ponto,
Vim cunctam atque minas perfert coelique
marisque
Ipſa inmota manens. *)
Aber wenn die Leidenſchaft das Herz regiert,
dann wird der Trieb nach Freyheit zuͤgellos und der
Menſch ein zuͤgelloſer Sclav. Nicht wohin er
will,
*) Virgil. Aeneid. lib. 10. v. 693 — 696. „Wie
ein Fels, der ins weite Meer tritt, der Wuth der
Winde begegnend und den Wogen des Pontus blos
geſtellt, alle Gewalt und Drohung des Meers und
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/96>, abgerufen am 16.02.2025.
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