fleischfressenden Thieren, die ihren Raub in einer Mahlzeit verschlingen, ohne sich um die Zukunft zu bekümmern, und die nicht selten einige Tage lang ohne Nahrung verbleiben, und in der Zwi- schenzeit zur Stillung ihres Hungers etwas tho- nigte Erde zu sich nehmen. Ein einziger Hotten- tott kann in einem Tage 10 -- 12 Pfund Fleisch verzehren, im Nothfall ist er aber auch mit eini- gen Heuschrecken, einer Scheibe Honig, ja sogar mit einigen Stücken von dem Sohlleder seiner Schuhe zufrieden. Den Meinigen*) konnte ich niemals begreiflich machen, daß es klug gehandelt sey, etwas Vorrath für den künftigen Tag aufzu- bewahren, nicht allein fraßen sie alles auf, son- dern gaben auch das Uebrige den Hinzukommen- den. Die Folgen dieser Art von Verschwendung schienen sie weiter nicht zu beunruhigen; wir können ja morgen wieder jagen, sagten sie, oder auch schlafen."
Es giebt, sagt Robertson in seiner schon öfter angezognen Geschichte, in Amerika ver- schiedene Völker, deren enger Verstand nicht fä- hig zu seyn scheint, auf die Zukunft irgend etwas zu veranstalten. So weit erstreckt sich weder ih-
re
*) Herr L. Vaillant wurde auf seiner Reise von meh- rern Hottentotten, die ihm theils aus dem Cap mit- gegeben waren, theils auf dem Wege sich zu ihm gesellten, begleitet.
fleiſchfreſſenden Thieren, die ihren Raub in einer Mahlzeit verſchlingen, ohne ſich um die Zukunft zu bekuͤmmern, und die nicht ſelten einige Tage lang ohne Nahrung verbleiben, und in der Zwi- ſchenzeit zur Stillung ihres Hungers etwas tho- nigte Erde zu ſich nehmen. Ein einziger Hotten- tott kann in einem Tage 10 — 12 Pfund Fleiſch verzehren, im Nothfall iſt er aber auch mit eini- gen Heuſchrecken, einer Scheibe Honig, ja ſogar mit einigen Stuͤcken von dem Sohlleder ſeiner Schuhe zufrieden. Den Meinigen*) konnte ich niemals begreiflich machen, daß es klug gehandelt ſey, etwas Vorrath fuͤr den kuͤnftigen Tag aufzu- bewahren, nicht allein fraßen ſie alles auf, ſon- dern gaben auch das Uebrige den Hinzukommen- den. Die Folgen dieſer Art von Verſchwendung ſchienen ſie weiter nicht zu beunruhigen; wir koͤnnen ja morgen wieder jagen, ſagten ſie, oder auch ſchlafen.„
Es giebt, ſagt Robertſon in ſeiner ſchon oͤfter angezognen Geſchichte, in Amerika ver- ſchiedene Voͤlker, deren enger Verſtand nicht faͤ- hig zu ſeyn ſcheint, auf die Zukunft irgend etwas zu veranſtalten. So weit erſtreckt ſich weder ih-
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*) Herr L. Vaillant wurde auf ſeiner Reiſe von meh- rern Hottentotten, die ihm theils aus dem Cap mit- gegeben waren, theils auf dem Wege ſich zu ihm geſellten, begleitet.
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[367/0083]
fleiſchfreſſenden Thieren, die ihren Raub in einer
Mahlzeit verſchlingen, ohne ſich um die Zukunft
zu bekuͤmmern, und die nicht ſelten einige Tage
lang ohne Nahrung verbleiben, und in der Zwi-
ſchenzeit zur Stillung ihres Hungers etwas tho-
nigte Erde zu ſich nehmen. Ein einziger Hotten-
tott kann in einem Tage 10 — 12 Pfund Fleiſch
verzehren, im Nothfall iſt er aber auch mit eini-
gen Heuſchrecken, einer Scheibe Honig, ja ſogar
mit einigen Stuͤcken von dem Sohlleder ſeiner
Schuhe zufrieden. Den Meinigen *) konnte ich
niemals begreiflich machen, daß es klug gehandelt
ſey, etwas Vorrath fuͤr den kuͤnftigen Tag aufzu-
bewahren, nicht allein fraßen ſie alles auf, ſon-
dern gaben auch das Uebrige den Hinzukommen-
den. Die Folgen dieſer Art von Verſchwendung
ſchienen ſie weiter nicht zu beunruhigen; wir
koͤnnen ja morgen wieder jagen, ſagten ſie,
oder auch ſchlafen.„
Es giebt, ſagt Robertſon in ſeiner ſchon
oͤfter angezognen Geſchichte, in Amerika ver-
ſchiedene Voͤlker, deren enger Verſtand nicht faͤ-
hig zu ſeyn ſcheint, auf die Zukunft irgend etwas
zu veranſtalten. So weit erſtreckt ſich weder ih-
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*) Herr L. Vaillant wurde auf ſeiner Reiſe von meh-
rern Hottentotten, die ihm theils aus dem Cap mit-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/83>, abgerufen am 16.02.2025.
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