schen Schlafen und Wachen befindet. Jn die- sem Zustande kann man die zur Handlung anfor- dernden Vorstellungen sehr gut wahrnehmen, weil sie lange antreiben müssen, ehe das geschieht, wo- zu sie ermuntern.
Wenn man nun irgend eine Handlung wahrnimmt, so erweckt diese in dem Gemüth ei- ne Vorstellung von sich, welche in der Regel leb- hafter seyn muß, als wenn sie ohne die Handlung, durch die Association der Jdeen, zum Bewußtseyn gekommen wäre, da sie von dem sinnlichen Ein- drucke, den die Wahrnehmung der Handlung macht, unterstützt wird.
Diese Vorstellung nun bringt in dem Wahr- nehmenden einen Reiz zu derselben Handlung her- vor; setzt seine Thätigkeitsfähigkeit in Bewegung: die Handlung wird nachgeahmt.
"Die harmonisch gespannte musikalische Saite zittert einer andern nach, sagt der tiefsinnige Te- tens*), wenn letztere die Luft, und diese wieder die nachzitternde Saite auf eine ähnliche Art in Schwung bringt, wie die erstere es selbst ist. Das Parallel hievon bey dem Menschen ist, daß der Vorgang des Einen dem Andern dieselbigen Empfindungen beybringet, und seine thätige Kraft
auf
*) Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung 1. Band. S. 670.
ſchen Schlafen und Wachen befindet. Jn die- ſem Zuſtande kann man die zur Handlung anfor- dernden Vorſtellungen ſehr gut wahrnehmen, weil ſie lange antreiben muͤſſen, ehe das geſchieht, wo- zu ſie ermuntern.
Wenn man nun irgend eine Handlung wahrnimmt, ſo erweckt dieſe in dem Gemuͤth ei- ne Vorſtellung von ſich, welche in der Regel leb- hafter ſeyn muß, als wenn ſie ohne die Handlung, durch die Aſſociation der Jdeen, zum Bewußtſeyn gekommen waͤre, da ſie von dem ſinnlichen Ein- drucke, den die Wahrnehmung der Handlung macht, unterſtuͤtzt wird.
Dieſe Vorſtellung nun bringt in dem Wahr- nehmenden einen Reiz zu derſelben Handlung her- vor; ſetzt ſeine Thaͤtigkeitsfaͤhigkeit in Bewegung: die Handlung wird nachgeahmt.
„Die harmoniſch geſpannte muſikaliſche Saite zittert einer andern nach, ſagt der tiefſinnige Te- tens*), wenn letztere die Luft, und dieſe wieder die nachzitternde Saite auf eine aͤhnliche Art in Schwung bringt, wie die erſtere es ſelbſt iſt. Das Parallel hievon bey dem Menſchen iſt, daß der Vorgang des Einen dem Andern dieſelbigen Empfindungen beybringet, und ſeine thaͤtige Kraft
auf
*) Philoſophiſche Verſuche uͤber die menſchliche Natur und ihre Entwickelung 1. Band. S. 670.
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ſchen Schlafen und Wachen befindet. Jn die-
ſem Zuſtande kann man die zur Handlung anfor-
dernden Vorſtellungen ſehr gut wahrnehmen, weil
ſie lange antreiben muͤſſen, ehe das geſchieht, wo-
zu ſie ermuntern.
Wenn man nun irgend eine Handlung
wahrnimmt, ſo erweckt dieſe in dem Gemuͤth ei-
ne Vorſtellung von ſich, welche in der Regel leb-
hafter ſeyn muß, als wenn ſie ohne die Handlung,
durch die Aſſociation der Jdeen, zum Bewußtſeyn
gekommen waͤre, da ſie von dem ſinnlichen Ein-
drucke, den die Wahrnehmung der Handlung
macht, unterſtuͤtzt wird.
Dieſe Vorſtellung nun bringt in dem Wahr-
nehmenden einen Reiz zu derſelben Handlung her-
vor; ſetzt ſeine Thaͤtigkeitsfaͤhigkeit in Bewegung:
die Handlung wird nachgeahmt.
„Die harmoniſch geſpannte muſikaliſche Saite
zittert einer andern nach, ſagt der tiefſinnige Te-
tens *), wenn letztere die Luft, und dieſe wieder
die nachzitternde Saite auf eine aͤhnliche Art in
Schwung bringt, wie die erſtere es ſelbſt iſt.
Das Parallel hievon bey dem Menſchen iſt, daß
der Vorgang des Einen dem Andern dieſelbigen
Empfindungen beybringet, und ſeine thaͤtige Kraft
auf
*) Philoſophiſche Verſuche uͤber die menſchliche Natur
und ihre Entwickelung 1. Band. S. 670.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/65>, abgerufen am 08.08.2024.
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