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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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und Gefahren, weil er hinter ihnen immer das
Ziel sieht, zu welchem seine Gewinnsucht ihn
hinzieht.

Tag und Nacht denkt der Selbstsüchtige an
die Vergrößerung, Erweiterung und Erhöhung
seines geliebten Jchs. Er lebt in einem ewigen
Planmachen, und läßt sich keine Mühe verdrie-
ßen, wenn er nur sich selbst dadurch verherrlicht
sieht.

Auch Gefühl der Pflicht kann den Thätig-
keitstrieb wecken, und leitet ihn gewiß am sicher-
sten, und belohnt ihn am edelsten. Denn durch
Pflicht geführt, verfehlt die Thätigkeit nie ihres
Ziels; sie sammelt wenigstens dem Menschen das
Bewußtseyn ein, seiner Bestimmung Gnüge ge-
leistet zu haben, und gewährt ihm dadurch eine
unversiegbare Quelle von Zufriedenheit, Ruhe
und Glückseligkeit. Nichts aber kann den Trieb
zur Thätigkeit stärker erregen, als wenn der Gedanke
an den Werth und die Flüchtigkeit der Zeit dem
Herzen beständig gegenwärtig ist. Da ist man
ängstlich um jede Minute, und hat keine Ruhe,
wenn man nicht wirkt.

Die Langsamkeit der Amerikaner im Arbeiten
leitet Robertson mit aus der Ursache her, daß sie
die Zeit nicht zu schätzen wissen. Wilden, sagt
er, die sich ihres Unterhalts wegen nicht auf Be-
mühungen eines ordentlichen Fleißes verlassen, ist

an

und Gefahren, weil er hinter ihnen immer das
Ziel ſieht, zu welchem ſeine Gewinnſucht ihn
hinzieht.

Tag und Nacht denkt der Selbſtſuͤchtige an
die Vergroͤßerung, Erweiterung und Erhoͤhung
ſeines geliebten Jchs. Er lebt in einem ewigen
Planmachen, und laͤßt ſich keine Muͤhe verdrie-
ßen, wenn er nur ſich ſelbſt dadurch verherrlicht
ſieht.

Auch Gefuͤhl der Pflicht kann den Thaͤtig-
keitstrieb wecken, und leitet ihn gewiß am ſicher-
ſten, und belohnt ihn am edelſten. Denn durch
Pflicht gefuͤhrt, verfehlt die Thaͤtigkeit nie ihres
Ziels; ſie ſammelt wenigſtens dem Menſchen das
Bewußtſeyn ein, ſeiner Beſtimmung Gnuͤge ge-
leiſtet zu haben, und gewaͤhrt ihm dadurch eine
unverſiegbare Quelle von Zufriedenheit, Ruhe
und Gluͤckſeligkeit. Nichts aber kann den Trieb
zur Thaͤtigkeit ſtaͤrker erregen, als wenn der Gedanke
an den Werth und die Fluͤchtigkeit der Zeit dem
Herzen beſtaͤndig gegenwaͤrtig iſt. Da iſt man
aͤngſtlich um jede Minute, und hat keine Ruhe,
wenn man nicht wirkt.

Die Langſamkeit der Amerikaner im Arbeiten
leitet Robertſon mit aus der Urſache her, daß ſie
die Zeit nicht zu ſchaͤtzen wiſſen. Wilden, ſagt
er, die ſich ihres Unterhalts wegen nicht auf Be-
muͤhungen eines ordentlichen Fleißes verlaſſen, iſt

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[332/0048] und Gefahren, weil er hinter ihnen immer das Ziel ſieht, zu welchem ſeine Gewinnſucht ihn hinzieht. Tag und Nacht denkt der Selbſtſuͤchtige an die Vergroͤßerung, Erweiterung und Erhoͤhung ſeines geliebten Jchs. Er lebt in einem ewigen Planmachen, und laͤßt ſich keine Muͤhe verdrie- ßen, wenn er nur ſich ſelbſt dadurch verherrlicht ſieht. Auch Gefuͤhl der Pflicht kann den Thaͤtig- keitstrieb wecken, und leitet ihn gewiß am ſicher- ſten, und belohnt ihn am edelſten. Denn durch Pflicht gefuͤhrt, verfehlt die Thaͤtigkeit nie ihres Ziels; ſie ſammelt wenigſtens dem Menſchen das Bewußtſeyn ein, ſeiner Beſtimmung Gnuͤge ge- leiſtet zu haben, und gewaͤhrt ihm dadurch eine unverſiegbare Quelle von Zufriedenheit, Ruhe und Gluͤckſeligkeit. Nichts aber kann den Trieb zur Thaͤtigkeit ſtaͤrker erregen, als wenn der Gedanke an den Werth und die Fluͤchtigkeit der Zeit dem Herzen beſtaͤndig gegenwaͤrtig iſt. Da iſt man aͤngſtlich um jede Minute, und hat keine Ruhe, wenn man nicht wirkt. Die Langſamkeit der Amerikaner im Arbeiten leitet Robertſon mit aus der Urſache her, daß ſie die Zeit nicht zu ſchaͤtzen wiſſen. Wilden, ſagt er, die ſich ihres Unterhalts wegen nicht auf Be- muͤhungen eines ordentlichen Fleißes verlaſſen, iſt an

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/48>, abgerufen am 21.11.2024.