das schöne Geschlecht so leicht in Zorn gerathen könne, da es sich in allen Situationen des Spie- gels als des treusten -- Rathgebers bedienen soll, und dieser doch, wie schon Plutarch bemerkt haben will, dem Zornigen kein schönes Bild vor- hält; und da der alte Seneca, nachdem er das Portrait des Zornigen geendigt hat, sagt: Nescias, utrum magis detestabile vitium sit an deforme. (Wahrlich, hiernach scheint mir der Zorn noch häßlicher zu seyn, als er verab- scheuungswürdig ist).
Fast vermuthe ich, daß der heilige Augusti- nus entweder seinem eignen Verstande, oder sei- ner Stadt Gottes, oder beyden zugleich nicht ge- traut habe, wenn er in seinem Buche, welches den Namen der Stadt Gottes an der Stirn trägt, den Rath giebt: Coge illos fustibus, si nolunt intrare in ecclesiam. Denn diejenigen, welche fühlen, daß sie ihre Meynung gegen Andre nicht mit Gründen vertheidigen können, pflegen gewöhnlich statt der geistigen Waffen des Verstan- des, die körperlichen des Zorns zu gebrauchen, und gewaltig böse zu werden, wenn man bey dem Licht des Verstandes den Knoten lösen will, weil sie es bequemer finden, denselben zu zerhauen.
Nirgends zeigt sich die Absicht des Zorns, den, welcher uns ein Uebel zufügte, fürs Künftige zu warnen, und ihn anzutreiben, es wieder gut zu
machen,
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das ſchoͤne Geſchlecht ſo leicht in Zorn gerathen koͤnne, da es ſich in allen Situationen des Spie- gels als des treuſten — Rathgebers bedienen ſoll, und dieſer doch, wie ſchon Plutarch bemerkt haben will, dem Zornigen kein ſchoͤnes Bild vor- haͤlt; und da der alte Seneca, nachdem er das Portrait des Zornigen geendigt hat, ſagt: Neſcias, utrum magis deteſtabile vitium ſit an deforme. (Wahrlich, hiernach ſcheint mir der Zorn noch haͤßlicher zu ſeyn, als er verab- ſcheuungswuͤrdig iſt).
Faſt vermuthe ich, daß der heilige Auguſti- nus entweder ſeinem eignen Verſtande, oder ſei- ner Stadt Gottes, oder beyden zugleich nicht ge- traut habe, wenn er in ſeinem Buche, welches den Namen der Stadt Gottes an der Stirn traͤgt, den Rath giebt: Coge illos fuſtibus, ſi nolunt intrare in eccleſiam. Denn diejenigen, welche fuͤhlen, daß ſie ihre Meynung gegen Andre nicht mit Gruͤnden vertheidigen koͤnnen, pflegen gewoͤhnlich ſtatt der geiſtigen Waffen des Verſtan- des, die koͤrperlichen des Zorns zu gebrauchen, und gewaltig boͤſe zu werden, wenn man bey dem Licht des Verſtandes den Knoten loͤſen will, weil ſie es bequemer finden, denſelben zu zerhauen.
Nirgends zeigt ſich die Abſicht des Zorns, den, welcher uns ein Uebel zufuͤgte, fuͤrs Kuͤnftige zu warnen, und ihn anzutreiben, es wieder gut zu
machen,
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das ſchoͤne Geſchlecht ſo leicht in Zorn gerathen
koͤnne, da es ſich in allen Situationen des Spie-
gels als des treuſten — Rathgebers bedienen ſoll,
und dieſer doch, wie ſchon Plutarch bemerkt
haben will, dem Zornigen kein ſchoͤnes Bild vor-
haͤlt; und da der alte Seneca, nachdem er das
Portrait des Zornigen geendigt hat, ſagt:
Neſcias, utrum magis deteſtabile vitium ſit
an deforme. (Wahrlich, hiernach ſcheint mir
der Zorn noch haͤßlicher zu ſeyn, als er verab-
ſcheuungswuͤrdig iſt).
Faſt vermuthe ich, daß der heilige Auguſti-
nus entweder ſeinem eignen Verſtande, oder ſei-
ner Stadt Gottes, oder beyden zugleich nicht ge-
traut habe, wenn er in ſeinem Buche, welches
den Namen der Stadt Gottes an der Stirn
traͤgt, den Rath giebt: Coge illos fuſtibus, ſi
nolunt intrare in eccleſiam. Denn diejenigen,
welche fuͤhlen, daß ſie ihre Meynung gegen Andre
nicht mit Gruͤnden vertheidigen koͤnnen, pflegen
gewoͤhnlich ſtatt der geiſtigen Waffen des Verſtan-
des, die koͤrperlichen des Zorns zu gebrauchen,
und gewaltig boͤſe zu werden, wenn man bey dem
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ſie es bequemer finden, denſelben zu zerhauen.
Nirgends zeigt ſich die Abſicht des Zorns, den,
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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