Vier und zwanzigste Unterhaltung. Ueber die Affekten der Verwunderung und Be- wunderung.
Verwunderung und Bewunderung sind Gefühls- bewegungen, welche durch einen Stoß der erken- nenden Kräfte bewirkt werden. Ein Gegenstand muß den Verstand und die Urtheilskraft anregen und in Thätigkeit setzen; aber diese Bewegung der erkennenden Kräfte durch das Jnteresse, das man an dem Gegenstande nimmt, auch dem Gefühle sich mittheilen, wenn diese Affekten hervorgebracht werden sollen.
Wenn ein Freund, von dem man glaubt, daß er sich in Jndien aufhalte, plötzlich ins Zim- mer tritt; wenn ein Mann, der für einen Held galt, von einem Andern, der für weit schwächer gehalten wurde, überwunden wird; oder wenn eine Erscheinung der Regel widerspricht, die man für ganz allgemein hielt; so verwundert man sich.
Wenn Friedrich der Einzige mit seinem Häuflein gegen die Heere des halben Europa steht, und diesen nicht nur widersteht, sondern sie mit Schrecken zurücktreibt, und einmal über
das
Vier und zwanzigſte Unterhaltung. Ueber die Affekten der Verwunderung und Be- wunderung.
Verwunderung und Bewunderung ſind Gefuͤhls- bewegungen, welche durch einen Stoß der erken- nenden Kraͤfte bewirkt werden. Ein Gegenſtand muß den Verſtand und die Urtheilskraft anregen und in Thaͤtigkeit ſetzen; aber dieſe Bewegung der erkennenden Kraͤfte durch das Jntereſſe, das man an dem Gegenſtande nimmt, auch dem Gefuͤhle ſich mittheilen, wenn dieſe Affekten hervorgebracht werden ſollen.
Wenn ein Freund, von dem man glaubt, daß er ſich in Jndien aufhalte, ploͤtzlich ins Zim- mer tritt; wenn ein Mann, der fuͤr einen Held galt, von einem Andern, der fuͤr weit ſchwaͤcher gehalten wurde, uͤberwunden wird; oder wenn eine Erſcheinung der Regel widerſpricht, die man fuͤr ganz allgemein hielt; ſo verwundert man ſich.
Wenn Friedrich der Einzige mit ſeinem Haͤuflein gegen die Heere des halben Europa ſteht, und dieſen nicht nur widerſteht, ſondern ſie mit Schrecken zuruͤcktreibt, und einmal uͤber
das
<TEI><text><body><pbfacs="#f0308"n="592"/><divn="1"><head>Vier und zwanzigſte Unterhaltung.<lb/>
Ueber die<lb/><hirendition="#b">Affekten der Verwunderung und Be-<lb/>
wunderung.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">V</hi>erwunderung und Bewunderung ſind Gefuͤhls-<lb/>
bewegungen, welche durch einen Stoß der erken-<lb/>
nenden Kraͤfte bewirkt werden. Ein Gegenſtand<lb/>
muß den Verſtand und die Urtheilskraft anregen<lb/>
und in Thaͤtigkeit ſetzen; aber dieſe Bewegung der<lb/>
erkennenden Kraͤfte durch das Jntereſſe, das man<lb/>
an dem Gegenſtande nimmt, auch dem Gefuͤhle<lb/>ſich mittheilen, wenn dieſe Affekten hervorgebracht<lb/>
werden ſollen.</p><lb/><p>Wenn ein Freund, von dem man glaubt,<lb/>
daß er ſich in Jndien aufhalte, ploͤtzlich ins Zim-<lb/>
mer tritt; wenn ein Mann, der fuͤr einen Held<lb/>
galt, von einem Andern, der fuͤr weit ſchwaͤcher<lb/>
gehalten wurde, uͤberwunden wird; oder wenn<lb/>
eine Erſcheinung der Regel widerſpricht, die man<lb/>
fuͤr ganz allgemein hielt; ſo <hirendition="#b">verwundert</hi> man<lb/>ſich.</p><lb/><p>Wenn Friedrich der Einzige mit ſeinem<lb/>
Haͤuflein gegen die Heere des halben Europa<lb/>ſteht, und dieſen nicht nur widerſteht, ſondern<lb/>ſie mit Schrecken zuruͤcktreibt, und einmal uͤber<lb/><fwplace="bottom"type="catch">das</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[592/0308]
Vier und zwanzigſte Unterhaltung.
Ueber die
Affekten der Verwunderung und Be-
wunderung.
Verwunderung und Bewunderung ſind Gefuͤhls-
bewegungen, welche durch einen Stoß der erken-
nenden Kraͤfte bewirkt werden. Ein Gegenſtand
muß den Verſtand und die Urtheilskraft anregen
und in Thaͤtigkeit ſetzen; aber dieſe Bewegung der
erkennenden Kraͤfte durch das Jntereſſe, das man
an dem Gegenſtande nimmt, auch dem Gefuͤhle
ſich mittheilen, wenn dieſe Affekten hervorgebracht
werden ſollen.
Wenn ein Freund, von dem man glaubt,
daß er ſich in Jndien aufhalte, ploͤtzlich ins Zim-
mer tritt; wenn ein Mann, der fuͤr einen Held
galt, von einem Andern, der fuͤr weit ſchwaͤcher
gehalten wurde, uͤberwunden wird; oder wenn
eine Erſcheinung der Regel widerſpricht, die man
fuͤr ganz allgemein hielt; ſo verwundert man
ſich.
Wenn Friedrich der Einzige mit ſeinem
Haͤuflein gegen die Heere des halben Europa
ſteht, und dieſen nicht nur widerſteht, ſondern
ſie mit Schrecken zuruͤcktreibt, und einmal uͤber
das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/308>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.