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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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Ein und zwanzigste Unterhaltung.
Ueber den
Haß*).

Wie die Liebe nach Verbindung strebt, so
strebt ihr Gegentheil der Haß nach Trennung:
und wie jene aus der Gewahrnehmung der Har-
monie entspringt, so erzeugt diesen wahrgenomme-
ne Disharmonie.

Nach dem Grade der unangenehmen Wir-
kungen, welche die Disharmonie auf das Herz
macht, richtet sich auch der Grad der Stärke
des Hasses. Wessen Umgang kein Vergnügen

ge-
*) Jch nehme Haß hier im allgemeinsten Sinn, für
das Gegentheil der Liebe und ihrer verschiednen Ar-
ten. Jm engern Sinne steht es der Liebe der
Sinnlichkeit und Phantasie oder der Liebe im eng-
sten Sinn entgegen. -- Der, der nicht mit mir
harmonirt, ist mein Freund nicht. Der, der
nicht nur nicht mit mir harmonirt, sondern mir
seine Disharmonie mit mir auch fühlbar zu machen
sucht, durch wirkliches Entgegenarbeiten, Bemühen
meinem Jnteresse zu schaden u. s. w., ist mein Feind:
der endlich, der, gesehen oder gedacht, das ganze
Gefühl eines Andern wider sich empört, wird ge-
haßt
. -- Cicero war Cäsars Freund nicht; Pom-
pejus
war Cäsars Feind: Cato haßte ihn.
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Ein und zwanzigſte Unterhaltung.
Ueber den
Haß*).

Wie die Liebe nach Verbindung ſtrebt, ſo
ſtrebt ihr Gegentheil der Haß nach Trennung:
und wie jene aus der Gewahrnehmung der Har-
monie entſpringt, ſo erzeugt dieſen wahrgenomme-
ne Disharmonie.

Nach dem Grade der unangenehmen Wir-
kungen, welche die Disharmonie auf das Herz
macht, richtet ſich auch der Grad der Staͤrke
des Haſſes. Weſſen Umgang kein Vergnuͤgen

ge-
*) Jch nehme Haß hier im allgemeinſten Sinn, fuͤr
das Gegentheil der Liebe und ihrer verſchiednen Ar-
ten. Jm engern Sinne ſteht es der Liebe der
Sinnlichkeit und Phantaſie oder der Liebe im eng-
ſten Sinn entgegen. — Der, der nicht mit mir
harmonirt, iſt mein Freund nicht. Der, der
nicht nur nicht mit mir harmonirt, ſondern mir
ſeine Disharmonie mit mir auch fuͤhlbar zu machen
ſucht, durch wirkliches Entgegenarbeiten, Bemuͤhen
meinem Jntereſſe zu ſchaden u. ſ. w., iſt mein Feind:
der endlich, der, geſehen oder gedacht, das ganze
Gefuͤhl eines Andern wider ſich empoͤrt, wird ge-
haßt
. — Cicero war Caͤſars Freund nicht; Pom-
pejus
war Caͤſars Feind: Cato haßte ihn.
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[567/0283] Ein und zwanzigſte Unterhaltung. Ueber den Haß *). Wie die Liebe nach Verbindung ſtrebt, ſo ſtrebt ihr Gegentheil der Haß nach Trennung: und wie jene aus der Gewahrnehmung der Har- monie entſpringt, ſo erzeugt dieſen wahrgenomme- ne Disharmonie. Nach dem Grade der unangenehmen Wir- kungen, welche die Disharmonie auf das Herz macht, richtet ſich auch der Grad der Staͤrke des Haſſes. Weſſen Umgang kein Vergnuͤgen ge- *) Jch nehme Haß hier im allgemeinſten Sinn, fuͤr das Gegentheil der Liebe und ihrer verſchiednen Ar- ten. Jm engern Sinne ſteht es der Liebe der Sinnlichkeit und Phantaſie oder der Liebe im eng- ſten Sinn entgegen. — Der, der nicht mit mir harmonirt, iſt mein Freund nicht. Der, der nicht nur nicht mit mir harmonirt, ſondern mir ſeine Disharmonie mit mir auch fuͤhlbar zu machen ſucht, durch wirkliches Entgegenarbeiten, Bemuͤhen meinem Jntereſſe zu ſchaden u. ſ. w., iſt mein Feind: der endlich, der, geſehen oder gedacht, das ganze Gefuͤhl eines Andern wider ſich empoͤrt, wird ge- haßt. — Cicero war Caͤſars Freund nicht; Pom- pejus war Caͤſars Feind: Cato haßte ihn. Nn 4

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/283>, abgerufen am 25.11.2024.